Jürgen Domian liest im "Sofa" Geschichten aus dem Leben

Bonn · Seit 20 Jahren vertrauen ihm Menschen ihre dunkelsten Geheimnisse an. Dann sitzt er mit Kopfhörern im WDR-Studio vor einer pink beleuchteten Backsteinmauer und fragt: "Worüber willst du mit mir sprechen?"

 Jürgen Domian stellt im Bonner Club "Das Sofa" sein Buch vor, das existenzielle Fragen stellt.

Jürgen Domian stellt im Bonner Club "Das Sofa" sein Buch vor, das existenzielle Fragen stellt.

Foto: barbara frommann

Im Nachtclub "Sofa" las der berühmteste Nighttalker Deutschlands aus seinem neuen Buch "Richtig leben, ... dann tu was du willst".

Der Autor betritt die Bühne mit den Worten: "Schön, dass ihr da seid!" Und sofort lässt sich erahnen, warum so viele Menschen diesem Mann mit der ruhigen Stimme von ihrem Innersten erzählen. Er schafft Nähe und kündigt eine Pause zwischen den Lesungen an - zum "Talken".

Seit 1995 spricht Jürgen Domian werktags von 1 bis 2 Uhr mit Anrufern über ihre Probleme. "Ein Glück, dass man sich an die Schicksale nicht gewöhnt", sagt Domian. Fast jeden zweiten Tag haue eine Geschichte ihn noch um. Existenzielle Fragen beschäftigen den 57-Jährigen auch in seinem neuen Buch, in dem er fragt, wie man richtig lebt.

Dabei bieten die Geschichten der bisher mehr als 20.000 Anrufer viel Inspiration. So erzählt Domian von der 48-jährigen Elisabeth, die ihn aus einem Hospiz anrief und gestand, dass sie es bereue, ihr ganzes Leben nur an sich gedacht zu haben. "Nur wer richtig lebt, kann auch richtig sterben", schließt der Autor diese Geschichte. Aber auch Erfahrungen aus seinem eigenen Leben spielen eine große Rolle, Demütigungen während seiner Schulzeit beispielsweise oder seine Beziehung zum Zen-Buddhismus.

Richtig zu leben hat für Domian viel mit spiritueller Orientierung zu tun. So sind die sieben Todsünden moralische Orientierungspunkte des Buches. Im zweiten Kapitel muss man, um den Hochmut zu überwinden, nach der Zen-Philosophie das "Ich" loslassen. "Doch das Ego ist laut", sagt Domian. Das laute Ego tritt im Buch immer wieder als Stimme aus dem Off auf, als Teufelchen auf der Schulter des Autors. Der sucht, um das Ego zu überwinden, die Stille und wandert im Sommer schweigend durch die Tundra Lapplands. "Aber da muss man schon sehr lange schweigen, um selbstlos zu werden."

Im Kapitel über die Wollust erfuhr das Publikum skurrile und gefährliche Leidenschaften der Anrufer und, dass Domian gerne mal mit einem Kardinal talken würde. Aber trotz aller negativen Aspekte der Wollust: "Wenn man ehrlich liebt, kann man nichts falsch machen."

In der Talkrunde durften die Zuschauer alle Fragen loswerden. Viele interessierten sich für die Zen-Philosophie, fragten, ob er ein Kopf- oder ein Herzmensch sei und ob ihm "Zen" bei der Geduld gegenüber seinen Anrufern geholfen habe. "Das Prinzip unserer Sendung war, erst mal jeden ernst zu nehmen. Aber das hat auch seine Grenzen", sagt Domian. So brach der Moderator das Gespräch mit einem Sexualverbrecher ab, der sich zu rechtfertigen versuchte.

Am Ende der Lesung danken die Zuschauer dem Nighttalker mit viel Applaus und einer langen Schlange beim Signieren und Fotografieren. "Domian ist einfach Kult", sagt Studentin Pia Wolff (20), die der Sendung seit Jahren lauscht. Ende 2016 geht der Kult zu Ende. Domian will mit seiner Sendung aufhören. Sein Buch verspricht, ein Stück der Sendung festzuhalten, aber auch Denkanstöße zu geben über das Leben. Domian: "Nicht mal ein Buddha würde sagen, dass er nichts bereut."

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