Legendäres Brettspiel Go-Spieler aus Bonn ist neuer Deutscher Meister

Bonn. · Kaiser Yao wäre stolz auf ihn: Jonas Welticke aus Bonn ist neuer Deutscher Meister im Go, einem kniffligen Strategiespiel mit zwei Buchstaben aus dem Kreuzworträtsel.

Der Bonner Jonas Welticke hat beim Go-Turnier gewonnen.

Der Bonner Jonas Welticke hat beim Go-Turnier gewonnen.

Foto: Benjamin Westhoff

Konfuzius hätten einen wie Jonas Welticke sicher gerne unter seinen Schülern gehabt. Und auch dem chinesischen Kaiser Yao wären viele schlaflose Nächte erspart geblieben, wenn er anstatt seines rebellischen Sohns Dan Zhu den heute 26-Jährigen aus Bonn an seinem Hofe gehabt hätte.

Um seinen aufmüpfigen Nachwuchs zu disziplinieren, soll Yao Go – das legendäre Brettspiel mit zwei Buchstaben aus dem Kreuzworträtsel – einst erfunden haben, damit der Filius Disziplin und Geduld lernt. „Gentlemen sollten ihre Zeit nicht mit trivialen Spielen vergeuden. Sie sollten Go studieren“, wird zudem Konfuzius in alten Schriften zitiert. Eine Aufforderung, der Welticke gerne jederzeit und überall nachkommt.

Und das macht er mittlerweile ziemlich gut: Gerade erst kehrte er wieder einmal als Deutscher Meister von einem hochrangig besetzen Go-Wettkampf nach Hause zurück. Diesmal war das Finale erneut eine rein Bonner Angelegenheit. Denn sein stärkster Konkurrent war wie schon so oft Lukas Krämer, ebenfalls ein international erfolgreichen Go-Spieler aus der Bundesstadt. „Mal siegt er, mal ich“, kommentiert Welticke die Ligaergebnisse der letzten Jahre.

Was für den Laien ein kompliziertes Regelwerk ist, ist für den 26-Jährigen Logik pur. Denn bei dem strategischen Brettspiel, das übersetzt so viel wie „Umzingelung“ bedeutet, gibt es eigentlich nur drei Regeln. Erstens: Man setzt seine Steine nacheinander. Zweitens: Wer mehr Gebiete hat, gewinnt. Drittens: Steine, die vom Gegner umzingelt sind, werden vom Brett genommen.

 Schwarze und weiße Steine: Das ist Go.

Schwarze und weiße Steine: Das ist Go.

Foto: picture-alliance / ZB/Karlheinz_Schindler

Als Sechsjähriger kam Welticke mit seiner Mutter und den beiden älteren Schwestern aus einer Kleinstadt in Hessen nach Bonn. Als 13-Jähriger entdeckte er dann seine Leidenschaft für Go. „Ich war damals ein Fan der Manga-Serie ,Hikaru no Go‘“, erzählt er. Darin entdeckt ein Junge auf dem Dachboden einen alten Go-Tisch. Darin wohnt allerdings ein Geist, der den Jungen nach und nach zu einem fanatischen Go-Spieler macht.

Nun, einen solchen Tisch fand der 26-Jährige zwar nicht auf dem heimischen Dachboden, dafür war das Interesse des damaligen Schülers des Friedrich-Ebert-Gymnasium geweckt. Es kam, wie es kommen musste. Immer öfters ging es anstatt zur Schule ins Internet. An manchen Tagen saß Welticke sieben Stunden vor dem virtuellen Brett.

Nach einem Jahr erreicht er den Grad des ersten Dan, nach anderthalb Jahren wurde er Deutscher Jugendmeister. „Je mehr ich mich mit Go beschäftigt habe, umso mehr hat mich das Spiel inspiriert“, erinnert er sich. Da er sowieso nicht gerne zur Schule ging, hatte er schnell entschieden, nur „ein Mindestmaß an Energie aufzubringen, um durchzukommen“, schmunzelt er im GA-Gespräch.

In der Oberstufe hatte er dann sogar die Möglichkeit, für ein halbes Jahr nach China zu gehen, um dort eine etablierte Go-Schule zu besuchen. Nach seiner Rückkehr gewann er dann zum ersten Mal die Deutsche Meisterschaft. „Danach stand für mich fest, was ich machen will“, erzählt er weiter.

Zwar ging’s nach dem Abi zunächst an die Bonner Uni, das Englisch- und Philosophiestudium stand jedoch längst nicht im Mittelpunkt seines Interesses. Die Zeit in den Hörsälen erinnerte ihn viel zu sehr an seine Schulzeit. „Ich mag es nicht, wenn entschieden wird, in welche Richtung ich jetzt gehen soll. Ich will vielmehr selbst bestimmen, wie es für mich weitergeht“, sagt er.

Heute hat er sich nicht nur als Go-Lehrer einen Namen gemacht, sondern er schreibt gerade an einem entsprechenden Buch. Und so ganz nebenher feilt er weiter an der eigenen Karriere. Mittlerweile hat er den sechsten Dan, im Dezember geht es zu einem Grand-Slam-Turnier nach Serbien, bevor im nächsten Jahr die Amateurweltmeisterschaft in Japan ansteht.

Noch viele Wünsche und Träume

Alles erreicht hat er dennoch nicht. „Nein, ich habe noch viele Wünsche und Träume“, sagt Welticke. So würde er gerne einmal gegen den Koreaner Shin Jin-seo, den derzeit besten Go-Spieler, antreten. „Aber vor allem möchte ich Jugendliche für das Spiel begeistern“, sagt er. Denn das Brettspiel sei viel mehr als Zeitvertreib.

„Go fördert analytisches Denken. Dadurch erschließen sich nicht nur logische Strukturen, die sich auf alle Bereiche des Lebens anwenden lassen. Sondern gleichzeitig eröffnen sich künstlerische und ästhetische Aspekte. So entwickeln sich Persönlichkeitsmerkmale“, ist er überzeugt. „Go ist für alles hilfreich. Mit jedem Spiel lernt man etwas, was einen auch in anderen Bereichen besser werden lässt.“

Wenn sich Welticke dann doch einmal von dem Brett lösen kann, dann ist er meist in der Natur unterwegs. Aber auch dabei ist bei ihm eigentlich nichts normal. So liebt er es beispielsweise, im Winter barfuß zu joggen. „So erlebt man die Natur in ihrer Gesamtheit“, sagt er.

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