„Vereine werden zu Lebensorten“ Gutachter Robin Kähler bewertet Bonner Sportstätten

Bonn · Im Interview spricht der Gutachter und Wissenschaftler Professor Robin Kähler über die regionale Sportentwicklung und die Zukunft von Bonner Sportvereinen.

Herr Professor Kähler, wird es in 20 Jahren noch Sportvereine geben?

Kähler: Auf jeden Fall. Aber manche werden zukünftig Probleme bekommen. Wir haben bereits viele Sportvereine, die unter den Veränderungen der Gesellschaft und des Sports leiden. Da geht es vor allem um die Vereine, die zwar eigene Sportanlagen, allerdings nicht genügend Mitglieder und Finanzen haben, um sie zu unterhalten. Große Vereine, die mindestens 2000 Mitglieder und ein vielseitiges Sportangebot vorweisen, haben es da etwas leichter. Sie müssen aber darauf achten, genügend qualifizierte Übungsleiter zu haben. Kleine Vereine und Gruppierungen, die oft nur eine Sportart vertreten und keine Sportstätten unterhalten müssen, finden immer eine Lücke.

Was können Vereine machen, um attraktiv zu bleiben?

Kähler: Das hängt von guten Angeboten, geeigneten Sporträumen und der Vereinsführung ab. Ich prognostiziere, dass Vereine eine gute Zukunft haben werden, wenn sie sich noch mehr zu Lebensorten mit sportlichen, aber auch anderen Schwerpunkten entwickeln. Denn man muss die geänderten beruflichen und persönlichen Bedingungen der Menschen beachten. Die Arbeitszeiten werden flexibler. Menschen haben zwischendurch mal eine Stunde Zeit oder wollen ihre Kinder für drei Stunden in guter Umgebung wissen. Nicht nur nachmittags, sondern auch schon morgens und am Wochenende. Die Kinder, aber auch Ältere und Alleinstehende, benötigen daher Sportvereine, in denen es nicht nur Sport gibt, sondern wo man auch chillen, Musik hören, lernen, lesen kann und Gemeinschaft findet. Solche Ganztagsvereine werden gastliche, offene Häuser. Mir ist aber klar, dass kleinere Sportvereine dies nicht leisten können.

Ist Vereinsleben dann überhaupt noch ehrenamtlich zu leisten?

Kähler: Das kommt darauf an. Ich glaube, dass die Menschen mehr Zeit bekommen werden, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Das haben wir der Digitalisierung und der steigenden Mobilität zu verdanken. Je mehr der Mensch sinnvolle Arbeit an Maschinen abgeben wird, desto mehr braucht er als Ausgleich wertgeschätzte, anregende Arbeit. Da sind ehrenamtliche Aufgaben in einem so schönen Bereich wie der Sport und die Jugendarbeit genau das Richtige.

Wie ist Bonn diesbezüglich aufgestellt?

Kähler: Bonn ist eine große Stadt mit gut ausgebildeten Menschen, die Ansprüche haben, und damit genau wissen, wie sie ihre Freizeit gestalten wollen. Und anders als in vielen anderen Städten hat die Mehrheit der Bevölkerung auch die materiellen Möglichkeiten dazu – wobei die Bürger, die diese materiellen Möglichkeiten nicht haben, auf keinen Fall vergessen werden dürfen. Jedenfalls resultiert daraus, dass vor allem der selbst organisierte Sport im öffentlichen Raum einen hohen Stellenwert hat. Die Bonner sind generell sehr aktiv und haben der laufenden Sportentwicklungsplanung viele Anregungen gegeben.

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