LVR-Museum in Bonn Handarbeit mit der Dechsel

BONN · Wie man sich gut vorstellen kann, war Wohnen vor 7000 Jahren ein echtes Abenteuer. Damals bauten die Menschen im heutigen Nordrhein-Westfalen erstmals Langhäuser, die sich auf mehr als 30 Meter erstreckten.

 Mit der Dechsel hackt ein Zimmermann die geschälten Baumstämme spitz, damit sie in die Nut der großen Pfosten passen.

Mit der Dechsel hackt ein Zimmermann die geschälten Baumstämme spitz, damit sie in die Nut der großen Pfosten passen.

Foto: Nicolas Ottersbach

Das Grundgerüst aus Baumstämmen war tonnenschwer und wurde mit Muskelkraft errichtet. Für den Nachbau, der jetzt vor dem LVR-Museum in der Colmantstraße aufgestellt wird, geriet selbst der Kran an seine Belastungsgrenzen.

"Das ist eine unglaubliche Leistung für die Jungsteinzeit gewesen", erklärt Projektleiter Stefan Haupt. Er und seine Zimmermannskolonne aus dem Freilichtmuseum in Kommern hatten bisher nur Erfahrung für die vergangenen drei Jahrhunderte. "Ich habe schon an vielen Fachwerkhäusern mitgearbeitet, das Langhaus ist was ganz anderes", sagt Rainer Hilger, der in sechs Metern Höhe auf den Baumstämmen herumklettert und sie befestigt. So seien die Balken alleine durch ihr Gewicht viel schwieriger zu verarbeiten, zudem seien sie krumm. "Wir arbeiten mit Gefühl, nur mit der Wasserwaage geht das nicht", erzählt Hilger.

Wie viel Improvisation nötig ist, weiß Stefan Haupt genau, obwohl er wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins nur beaufsichtigen kann. "Die grobe Planung am Computer konnte ich nur anhand von Mittelwerten machen", sagt er. Im Januar sei er gefragt worden, ob er sich zutraue, ein "neolithisches" Langhaus zu bauen. Was neolithisch, nämlich jungsteinzeitlich, bedeutet, wusste er da noch nicht. Er hielt sich an eine wissenschaftliche Arbeit, in der ein solches Haus schon einmal gebaut worden war, und begann mit seinen Plänen. "Der erste Rückschlag war, dass ich zusätzliches Holz bestellen musste, weil ich mich verschätzt hatte", erzählt Haupt. Knapp 50 Eichenstämme aus dem Hambacher Forst waren nötig, Haupt entfernte die Rinde per Hand. Sie stehen nun als Pfostenreihen im aufgerissenen Kopfsteinpflaster. Im Giebel sechs Meter hoch, insgesamt sechs Meter lang und vier Meter breit. Jeder Stamm wird mit Dechsel und Axt bearbeitet, bis er passt. "Diese Werkzeuge gab es früher auch, nur nicht aus Metall", erklärt Haupt.

Wie ein Langhaus aussah, konnte man bisher nur durch Ausgrabungen indirekt erschließen. "Alles, was an der Oberfläche war, ist nach so vielen Jahren nicht mehr vorhanden", sagt Haupt. Durch archäologische Funde von Werkzeugen und Pfosten konnte man jedoch Rückschlüsse ziehen. So gilt als sicher, dass in den originalen Langhäusern auf rund 200 Quadratmetern Wohnfläche etwa zehn Menschen lebten und sie dort auch ihre Tiere hielten. In einem Bereich wurden die Vorräte verstaut. "Wahrscheinlich gab es auch Fenster und eine Verputzung", sagt Haupt. Die Dächer wurden mit getrockneter Rinde und Reisig eingedeckt.

Die Ausstellung "Revolution Jungsteinzeit" im LVR-Museum läuft vom 5. September bis zum 3. April.

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