Theater in Bonn Haus der Springmaus zeigt Stück über Beethoven

Bonn · Kabarettist Andreas Etienne und sein Ensemble zeigen mit ihrem Stück über Beethoven , dass Satire auch lehrreich sein kann. „Ludwig“ läuft im Februar und März im Haus der Springmaus.

Der doppelte Beethoven: Andres Etienne vor dem berühmten Porträt des Komponisten von Joseph Karl Stieler.

Der doppelte Beethoven: Andres Etienne vor dem berühmten Porträt des Komponisten von Joseph Karl Stieler.

Foto: Meike Böschemeyer

Flügel, Mikro, Notenständer: Viel brauchen die Künstler nicht. Der Pianist zündet vier Kerzen an. Applaus, Applaus. Ein Gong ertönt: Tatata-taaaa. Bühne frei für eine kabarettistische Show, die das Beethovenjahr bereichern soll. Titel: „Ludwig“, was sonst. Die Zusatzzeile lässt gewisse Vertraulichkeiten erwarten: „Jetzt mal unter uns …“. Zwei aufgekratzte Seniorinnen schlendern durchs Publikum. Annemie (Andreas Etienne) hat die Tickets beim Preisrätsel gewonnen. Lösungswort: „Fidelio“, was sonst. Die Freundin (Christoph Scheben) freut sich mit, man nimmt am Bühnenrand Platz und ventiliert ein paar Wortspiele etwa über ein Parfüm, das im Abgang ziemlich ländlich anmutet: Pastorale, der Duft für die reife Frau. Lisa Schumann (Violine) und Darko Kostovki (Piano) spielen im Anschluss nicht Auszüge aus der Sechsten, sondern das Rondo aus der Violinsonate E-Dur. Auch gut.

Die vier Akteure betreten mit ihrer ambitionierten Produktion gewissermaßen Neuland. Ein Beitrag zum großen Jubeljahr soll es sein, einer von dreihundert insgesamt. Was kann man da machen? Comedy-Show, Musical oder eine Lesung mit Musik? Letztlich muss das Format zum Haus der Springmaus passen und eine kreative Kondition wenigstens bis zu Beethovens Geburtstag im Dezember mitbringen. Die Latte liegt also hoch, sehr hoch. Das Quartett will zudem unterhalten und gleichsam informieren – ausgerechnet mit einer Spaßbremse namens Beethoven, der auf seinen Denkmälern aus der Wäsche guckt, als würde er zum Lachen in den Keller gehen. Aber nein, der Ludwig war auch lustig, und im Keller lag nur der Riesling aus dem Rheinland.

In einem ersten großen Monolog rückt Beethoven seine Biografie zurecht. Er hatte sehr wohl Spaß im Leben und auch Humor, rheinischen vorzugsweise. Andreas Etienne geht in der Rolle des Ludwig förmlich auf – und unterstreicht optische Verwandtschaften nicht nur bei der Garderobe. Etienne steht direkt unter dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, das auf Leinwand projiziert wird, und erklärt dem Volk das Genie. Und den Menschen dahinter. Der gelernte Hesse Etienne als bönnscher Beethoven – es funktioniert. Er deutet geheimnisvoll an, dass die Nachwelt nur 2000 seiner Briefe kennt, den großen Rest aber nicht.

So funktioniert Edutainment

Beethoven erzählt von Freunden in Bonn und Wien, berichtet von einem Besuch in der alten Heimat, als er vor dem Rathaus mit dem großen Beethoven-Darsteller Jürgen Nimptsch verwechselt wurde. Fakten und Fiktion – so funktioniert Edutainment.

Christoph Scheeben unternimmt einen weiteren, überaus mutigen Schritt in diese didaktische Variante der Unterhaltungsbranche: Er erklärt die zentrale Kompostionstechnik der Wiener Klassik und landet unverzüglich bei der Sonantenhauptsatzform. Exposition, Durchführung, Reprise – so einfach ist das. Zur Absicherung des Lernerfolgs unterteilt Scheeben das Publikum erst in zwei, dann in drei Chöre, um mit regionalem Liedgut („Do simmer dabei“) zu demonstrieren, wie das Prinzip in der Praxis funktioniert. Der ehrenwerte Versuch war zumindest bei der Premiere nicht von Erfolg gekrönt, ein Chorleiter muss da hartnäckiger die Besucherstimmen einfordern und wachküssen. Die Nummer besitzt großes Potenzial.

Christoph Scheeben tritt als Schauspieler, Sänger und Pianist in Erscheinung. Er modelliert am Piano schöne Motivverwandschaften zwischen Klassik und dem Rest der Musik. Auch das bringt großen Erkenntnisgewinn. Beethoven ist immer und überall, wenn man so will. Sogar in der Medizin, wie ein amerikanischer Wissenschaftler herausgefunden haben will. So lasse die Apassionata auf Herzrhythmus­störungen schließen und der letzte Satz der Mondscheinsonate auf Alzheimer, weil die Melodie vergessen hat, wo es lang geht. Das Lied „Der Kuss“ – ja, das gibt es wirklich, sogar mit Opuszahl (128) – singt Scheeben nicht nur mit allen Noten, sondern mit allen Satzzeichen. Eine Leistung für sich.

Modebewusste Violinistin

Auch die Instrumentalisten setzen starke Akzente: Als Höhepunkt sei eine recht sportliche Auseinandersetzung mit dem Violinkonzert erwähnt. Ein bisschen Spaß muss sein: Einmal marschieren die Musiker als Sambatruppe durchs Bild, doch alles mit Beethovenbezug. Lisa Schumann erweist darüber hinaus als modebewusste Violinisten, die ihre anspruchsvolle Garderobe nach Sonaten geordnet hat und bei jedem Auftritt in einem anderen Aufzug erscheint.

Zum Finale stimmt das Quartett mit dem Publiukum in die „Ode an die Freude“ ein, kein dynamisches Feuerwerk, sondern wunderschön leise, nämlich gesummt. Fazit: „Ludwig!“ zeigt zahlreiche Facetten des Komponisten auf informative und unterhaltsame Weise. Wertung: absolut empfehlenswert. Vorschlag: Vielleicht findet sich für „Ludwig!“ in den nächsten Monaten der eine oder andere freie Termin im Opernhaus, das Stück hätte es auf jeden Fall verdient.

„Ludwig! – Jetzt mal unter uns …“, Haus der Springmaus, nächste Vorstellungen am 19. Februar und am 14. März; www.springmaus-theater.de

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