Pflegeheime in Bonn Heimträger halten Vergleichsportal für umstritten
Bonn · Die Bertelsmann-Stiftung bietet ein Vergleichsportal hinsichtlich eines Pflegeplatzes. Doch Heimträger in Bonn halten die Prüfergebnisse für nur bedingt praxistauglich.
Oma muss ins Heim. Nach einem Sturz oder einem Krankenhausaufenthalt muss es manchmal ganz schnell gehen. Wenn ein Leben zu Hause nicht mehr möglich ist, muss ein Pflegeplatz her. Doch welcher Anbieter ist verfüg- und bezahlbar? Gibt es doch noch ambulante Alternativen? Erste Antworten auf diese Fragen verspricht die Bertelsmann-Stiftung auf ihrem Vergleichsportal. Dort werden die Prüfungsergebnisse des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) anders als im umstrittenen Pflege-Tüv nicht in Noten aufgelistet, sondern in Prozentangaben bewertet und detailliert beschrieben.
55 kommunale, kirchliche und private Einrichtungen weist das Portal im Umkreis von zehn Kilometern rund um die Bonner Innenstadt aus. In einer anderen Suchfunktion sind auch ambulante Pflegedienste gelistet. Auf den ersten Blick ist ersichtlich, ob die Häuser Plätze frei haben und welche Beiträge sie in der jeweiligen Pflegestufe berechnen. Eine Prozentangabe verrät zunächst ganz allgemein, wie gut die Pflegequalität bewertet wurde.
Dabei gibt es durchaus Unterschiede: Das Spektrum reicht von 100 Prozent für das Maria-von-Soden-Heim der DRK Schwesternschaft oder das Seniorenheim Elim bis zu lediglich 64 Prozent für das städtische St. Albertus-Magnus-Haus an der Karmeliterstraße. Lediglich drei von 15 Service-Merkmalen wurden in der letztgenannten Einrichtung erfüllt.
Was dramatisch klingt, erweist sich auf den zweiten Blick indes als Momentaufnahme. Lediglich zehn der 84 Bewohner wurden im März 2015 nach Beschwerden in die Prüfung einbezogen. Nur bei fünf der zehn Bewohner entsprachen die behandlungspflegerischen Maßnahmen der ärztlichen Anordnung, bei sechs von zehn war der Einsatz von Medikamenten sachgerecht. Eine Schulung der Mitarbeiter in Erster Hilfe und Notfallmaßnahmen unterblieb.
Auch das Sebastian-Dani-Heim der Caritas schneidet mit 79 Prozent nur mittelmäßig ab. Dort vermissten die Prüfer neben regelmäßigen Notfallschulungen in vier von neun untersuchten Fällen eine Abschätzung des individuellen Risikos für Liegegeschwüre. Nur in zwei von vier Fällen wurde diesen aktiv entgegengewirkt. Bei einem von neun Bewohnern entsprach die Behandlungspflege nicht ärztlichen Anweisungen. Nur bei sechs von neun untersuchten Bewohnern entsprach die Medikamentengabe den Anweisungen des Arztes. „Wir sehen die Ergebnisse der Prüfkommission als Herausforderung an, besser zu werden“, sagt die vom GA mit den Ergebnissen konfrontierte Pressesprecherin des Caritas-Stadtverbandes Bonn, Mechthild Greten.
Inzwischen habe die Heimleitung in den beanstandeten Punkten nachjustiert und beispielsweise wöchentliche Kontrollbesuche der Pflegedienstleitung eingeführt. Allerdings würden nach dem bisherigen System nicht die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Bewohner und deren Qualität bestimmt. Die Prüfkommission bewerte nur die Dokumentation der Pflegeleistungen. „De facto haben wir da einige Dinge nicht bis ins Detail aufgeschrieben. Das heißt aber nicht, dass unsere Bewohner schlecht gepflegt waren“, betont Greten. Angehörige sollten sich vor der Entscheidung für ein Heim immer einen Eindruck vor Ort machen und dem Personal auch kritische Fragen stellen.
Auch bei der Stadt Bonn sieht man die Ergebnisse kritisch und stellt das Vergleichsportal sachlich infrage. „Fachleute kritisieren seit Jahren dieses Prüfverfahren für Pflegeheime und Pflegedienste und bemängeln seine Aussagekraft“, erklärte Marc Hoffmann vom Presseamt. Obgleich der Bundestag bereits 2015 eine Reform des Systems bis 2017 beschlossen habe, werte die Weiße Liste weiterhin hauptsächlich die Pflegedokumentation aus „und nicht, was die Pflege beim Bewohner bewirkt“. Außerdem entsprächen zu 100 Prozent erfüllte Kriterien lediglich den gesetzlichen Mindeststandards. Da nur elf Prozent der Pflegeheime die volle Punktzahl erhalten hätten, hieße das im Umkehrschluss, 89 Prozent erfüllten die vorgeschriebenen Normen nicht.
Bei der in Beuel ansässigen Bundesinteressenvertretung alter und pflegebetroffener Menschen BIVA (e.V.) sieht man die Weiße Liste und deren Methodik deutlich positiver. „Wir haben nichts Besseres“, sagt der Vorsitzender Manfred Stegger. Das bisherige Prüfverfahren sei von den Kassen und Heimen im Konsens festgelegt worden und lasse die Einrichtungen tendenziell sogar eher zu gut aussehen. Sinnvoll sei eine getrennte Betrachtung der geprüften Bereiche, wobei der Bereich „Pflege und Medizinische Betreuung“ sicher am relevantesten sei. „Hier hat das Albertus-Magnus-Haus eine 2,1. Das ist eine schlechte Note, die auf deutliche Mängel hindeutet“, sagt Stegger. Im Internetportal pflegeguete.de der BIVA und der Stiftung Stark im Alter würden die Prüfergebnisse noch weiter differenziert dargestellt und auch mit Angaben zum Träger verknüpft.
Trotz ihrer Bedenken an der Prüfmethodik hat auch die Stadt auf das schlechte Ergebnis reagiert. Verschiedene „organisatorische und personelle Veränderungen“ durch die Heimleitung hätten bereits zu besseren Prüfergebnissen geführt, teilt Pressesprecher Hoffmann mit. Diese sind allerdings noch nicht öffentlich.