Ein Hochsommertag im Römerbad "Hier hast du einfach alles"

Bonn · Bonns größtes Freibad punktet mit Zehn-Meter-Turm, Wellenbecken, 50-Meter-Sportbecken, großem Nichtschwimmerbecken und weitläufigen Liegewiesen am Rheinufer.

Mutig, mutig: Martin Lissowski macht einen Auerbach vom Zehner.

Mutig, mutig: Martin Lissowski macht einen Auerbach vom Zehner.

Foto: Nicolas Ottersbach

Ivan Margin tätschelt dem kleinen Jungen über die nassen Haare. "Du schaffst das, Du bist doch ein tapferer Mann", flüstert ihm der Schwimmmeister zu. So leise, dass es die Wartenden weiter hinten nicht hören. Der Zehnjährige wagt sich an die Kante des Zehn-Meter-Turms vor, seine kleinen Zehen krallen sich fest. Der Junge holt tief Luft, macht die Augen zu und springt. Als er wieder auftaucht, jubeln ihm im Römerbad jede Menge Zaungäste vom Beckenrand zu.

Wer sich nicht traut, ist nicht gleich ein Angsthase. "Ich stehe oft hier oben und spreche den Springern Mut zu, irgendwann macht es jeder", sagt Margin, der seit 1998 Schwimmmeister und eigentlich Sportlehrer ist. Man dürfe nur nichts erzwingen. Und wer sich einmal überwunden hat, genießt irgendwann den Adrenalinkick und den Applaus der Zuschauer, wenn man einen akrobatischen Auerbach hingelegt hat.

Das ist die Stärke von Martin Lissowski, der regelmäßig ins Römerbad kommt, um zu trainieren. "Schade ist, dass der Zehner nur in so großen Abständen öffnet", bedauert der 26-Jährige. Wenn wenig los ist, schafft er neun Sprünge. An diesem Tag, an dem rund 3000 Besucher in den Becken und auf den Wiesen sind, muss Lissowski länger anstehen. Viermal kann er seinen Rückwärtssalto machen.

Senior macht die "Halsbombe"

Nicht so spektakulär, dafür aber umso prominenter ist Franz. Wie er mit Nachnamen heißt oder wie alt er ist, weiß Badleiter Ralf Grimmling nicht. "Aber der kommt schon Jahre hierher, der ist sicherlich über 80", sagt er. Meistens gegen 17 Uhr, wenn es schon wieder etwas leerer im Römerbad wird, macht der Senior die "Halsbombe".

Keinen technisch perfekten, aber mutigen Kopfsprung aus zehn Metern Höhe, für den ihn sogar die vorlauten Pänz bewundern. Die sehen ihn mittlerweile immer seltener, vermutlich weil er nicht mehr so fit ist. "Diese Saison war Franz nicht oft hier", erzählt Grimmling.

In den mehr als zehn Jahren, in denen er im Römerbad arbeitet - erst als Aushilfe, dann als Schwimmmeister und schließlich Leiter - hat Grimmling viele Menschen kennengelernt. Die Originale, so erzählt er, während er um 12 Uhr an den noch leeren Betontischen sitzt, würden immer weniger. Früher gab es zum Beispiel noch die Römernixen, die nach und nach verstorben sind. "Das Publikum ändert sich, es wird aggressiver", sagt Grimmling.

Die Warteschlange draußen vor den Kassen misst zur Mittagszeit stattliche 50 Meter, am Eingang sitzen zwei Kassiererinnen. Wenn in Bonns größtes Freibad bis zu 6000 Badegäste an einem heißen, sonnigen Tag kommen, sind 15 Mitarbeiter und zwei Sicherheitsleute im Einsatz. Die meisten davon stehen an den Beckenrändern und passen auf. Alleine zwei Mitarbeiter wachen am Wellenbecken. Es ist in der Region das einzige, das im Freien ist.

"Wenn's richtig voll ist, siehst du nur noch Köpfe, das ist anstrengend", erzählt ein Schwimmmeister. Das sind dann etwa 400 Kinder und Erwachsene, die er im Blick hat. In dieser Saison mussten er und seine Kollegen zehn Menschen aus dem Wasser retten, ein Kind sogar dreimal an einem Tag. Die Eltern hatten es immer wieder alleine losziehen lassen, obwohl es nicht vernünftig schwimmen konnte.

Das könnte Sven Adolf und seiner Frau Maggi nicht passieren. Als er mit der Nachtschicht fertig war, sind sie mit ihren Töchtern Jolina und Vanessa direkt ins Römerbad gefahren. Schwimmflügel sind dabei für die vier Jahre alte Jolina Pflicht, und auch nur TÜV-geprüfte. "Wir hatten letztens billige, die sind ständig von den Ärmchen gerutscht." Sven Adolf verlässt sich nicht komplett auf die Schwimmhilfe, sondern geht immer mit den Kindern ins Wasser. "Alles andere wäre unverantwortlich", sagt er.

Pawan, Rezgar und Jehat sind dagegen froh, ohne ihre Eltern losziehen zu können. Wenn das Wetter stimmt, gehen die Jugendlichen mit mindestens 15 Freunden ins Freibad. "Hier hast du einfach alles", erzählen sie. Tatsächlich ist das Römerbad so vielseitig wie kaum ein anderes.

Der Zehn-Meter-Turm, das Wellenbecken, lange Bahnen, um sportlich zu schwimmen. Im Nichtschwimmerbecken spielt das Trio mit einem fast leeren Ball. Ein hart aufgepumpter ist nicht erlaubt, weil er gerade die Kleinen leicht verletzten könnte. Je nachdem wie voll es ist, hören die drei ohnehin auf zu werfen. "Dann macht's auch keinen Spaß mehr, weil sich die Leute gestört fühlen", sagt Jehat.

Dass dort, wo sie heute öfter Fußball spielen, früher ein Flugplatz war, können sie kaum glauben. Von 1953 bis 1961 hoben die Maschinen der Hubschrauber-Fluglinie Bonn-Brüssel regelmäßig von der Spielwiese im Bad ab. Gebaut wurde das Römerbad 1974, der Vorgänger existierte schon seit den 1930er Jahren. Zu dieser Zeit wurde auch der Maulbeerbaum gepflanzt, dessen Früchte ab Ende Juli gepflückt werden können.

"Pommes sind Pflicht"

Wer etwas Richtiges essen möchte, landet bei Liane Vogt-Oberhaus und ihrer Familie, die innerhalb von 18 Jahren ihre Imbissbude um einen Stand mit Crepes und einen mit Pommes erweitert hat. "Pommes sind Pflicht, früher reichten Frikadellenbrötchen und Siedewürstchen", sagt sie.

Die sind immer noch im Programm, gelten als Klassiker und perfekte Zwischenmahlzeit. Tranken die Gäste morgens Kaffee, als sie damals in der Frühe kamen und um 12 Uhr zu Tisch waren, geht heute das richtige Geschäft erst gegen 15 Uhr los. "Durch die späteren Öffnungszeiten hat sich das alles verschoben, viele erzählen mir, dass sie das nicht gut finden", sagt Vogt-Oberhaus. Trotzdem schwömmen sie gerne im Römerbad.

Anekdoten

Schwimmmeister in den Bädern sind Menschen, die bei allem Ernst im Job auch manchmal einem Spaß nicht abgeneigt sind. Der GA sprach mit einem, der mittlerweile im Ruhestand ist. Er gab eine ganze Reihe Anekdoten zum Besten, möchte aber anonym bleiben:

Fakten und Zahlen

Durch Sparbeschlüsse des Stadtrates wurden die Öffnungszeiten der Bonner Bäder diese Saison stark verkürzt, was bei den Schwimmern für viel Unmut gesorgt hat. Die Freibäder öffnen deshalb montags bis freitags von

12 bis 19.30 Uhr und am Wochenende von 11 bis 19.30 Uhr. Die Hallenbäder werden ab September nur noch ab 16.30 Uhr für Vereine und Bürger geöffnet sein. Frühschwimmen soll es dann zwischen 6.30 bis 8 Uhr abwechselnd nur in einem der vier Hallenbäder geben.

An Spitzentagen kommen bis zu 6000 Besucher ins Römerbad. Diese Saison waren es schon rund 50.000. Damit ist der Sommer deutlich besser besucht als der vergangene. Auch mit den anderen Bädern, die seit Mai geöffnet haben, ist die Stadt zufrieden. Melbbad und Rüngsi zählten bisher jeweils 42.000 Gäste, das Ennertbad knapp 40.000 und das Friesi 29.000.

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