Kritik an deutscher Diplomatie Historiker Michael Wolffsohn bei der GIZ in Bonn

Bonn · Der Münchener Historiker Michael Wolffsohn hat sich in der GIZ-Akademie in Röttgen für mehr Realismus in der deutschen Außenpolitik ausgesprochen.

Vor zahlreichen Mitarbeitern und Gästen der deutschen Entwicklungshilfe-Organisation warf Wolffsohn der Bundesregierung unter anderem ein "Total-Versagen" und eine "gefährliche Don-Quijoterie" im Zusammenhang mit dem gescheiterten Atom-Abkommen mit dem Iran und eine Selbstüberschätzung gegenüber dem Einfluss auf die USA vor. Außerdem werde die US-Präsidentschaft von Donald Trump als Vorwand genutzt, um das schon lange schwierige Verhältnis zu den USA zu erklären.

Deutschland habe realistisch betrachtet zu keinem Zeitpunkt den Atom-Deal retten können, glaubt Wolffsohn, aber dafür veritable Sicherheitsinteressen vernachlässigt. Und das Verhältnis zu den USA sei auch vor Trump bereits erheblich belastet gewesen, etwa zuletzt durch die Pläne von US-Präsident Obama für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP.

In der Vergangenheit hat Wolffsohn, der bis zu seiner Emeritierung eine Professur für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität in München innehatte und sich selbst als "deutsch-israelischer Patriot" bezeichnet, mit seinen Äußerungen schon wiederholt für kontrovers geführte Debatten gesorgt. Auch in Bonn nutzte er das vorgegebene Vortragsthema, den Wandel des Deutschland-Bildes in der Welt, als Steilvorlage für eine General-Abrechnung mit deutscher Außenpolitik.

Nach mehreren repräsentativen Untersuchungen und einem subjektiven Stimmungsbild in 150 Tiefen-Interviews mit Ausländern im Auftrag der GIZ ist Deutschland eines der beliebtesten Länder auf dem Globus. Die Last der Vergangenheit spiele allenfalls in der innerdeutschen Debatte eine Rolle, betonte Wolffsohn.

Anstelle sich diese Position und seine guten Beziehungen zu zahlreichen Staaten zunutze zu machen, zeige Deutschland Schwäche etwa mit dem moralisch nachvollziehbaren Schuldeingeständnis für die Niederschlagung des Herero-Aufstandes im damaligen Deutsch-Südwestafrika im Jahr 1904. Forderungen nach Reparation aus dem heutigen Namibia sowie folgend aus Polen und Griechenland seien die logische Konsequenz.

Vom "starken Max zum Softie"

Die Deutschen seien nach 1945 von den Alliierten vom "starken Max zum Softie" umerzogen worden und verdankten dieser erfreulichen Tatsache ihre Beliebtheit in der Welt. Allerdings ergäben sich eben daraus vor allem Spannungen mit den USA, die heute einen stärkeren Einsatz Deutschlands für gemeinsame strategische Interessen einforderten.

Wolffsohn warnte davor, die zivilgesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik etwa bei religiösen Freiheiten, den Rechten von Frauen, Schwulen und Lesben oder Geflüchteten sowie die Sensibilität für ökologische Fragen auf andere Partner-Länder übertragen zu wollen. Dort bestünden häufig ganz andere Voraussetzungen. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel in China die Lage der Menschenrechte anspreche, werde das nichts an der Internierung von einer Million Uiguren in staatlichen Umerziehungslagern ändern.

Unwidersprochen blieb Wolffsohn nicht. Neben kritischen Nachfragen aus dem Kreis der Zuhörer setzte auf dem Podium Andreas Proksch, GIZ-Chef aller Sektor- und Globalvorhaben, markante Kontrapunkte. So gehöre es zum Wesen westlicher Demokratien, über Unrecht in anderen Staaten nicht zu schweigen, sagte Proksch.

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