Graurheindorfer bereiten sich vor Stadt Bonn erwartet am Sonntag einen Rheinpegel von 8,50 Metern

Bonn · Die Flussanlieger in Graurheindorf sichern ihr Hab und Gut vor den Fluten. Der Scheitelpunkt des Rheins wird mit einem Pegel um 8,50 Meter für Sonntag erwartet.

 Die Rheindorfer Fähre hat ihren Betrieb inzwischen eingestellt.

Die Rheindorfer Fähre hat ihren Betrieb inzwischen eingestellt.

Foto: Silke Meny

„So viel Treibholz habe ich in den zwölf Jahren, die ich hier lebe, noch nicht im Rhein schwimmen sehen. Und die vielen Plastikflaschen“, sagt Kathy Schneider, direkte Rhein-Anwohnerin in Graurheindorf. René Brücker, Bootshauswart des Wassersportvereins Blau-Weiß Bonn, stellt dasselbe fest: „Wahnsinn, was da mitschwimmt. Das habe ich in über 40 Jahren nicht erlebt. Und das Wasser riecht stark nach Öl…“

Aufmerksam beobachten die beiden Graurheindorfer wie viele andere im Ortsteil die Entwicklung des Hochwassers. Der Leinpfad ist längst verschwunden. Innerhalb eines Tages ist der Rhein bis Donnerstag, 14 Uhr, um mehr als anderthalb Meter – auf 6,87 Meter – gestiegen. Unregelmäßigkeiten bei der Pegelmessung wie beim Winterhochwasser gibt es dieses Mal übrigens nach Auskunft des Presseamts nicht. Der Scheitelpunkt wird für Sonntag bei einem Pegel um maximal 8,50 Meter erwartet. Doch durch die Wassermassen, die aus Nebenflüssen und bei weiteren Regenfällen zu erwarten sind, kann sich das noch ändern.

Ab einem Pegel von 8,30 Meter sollten Anwohner Hab und Gut gesichert haben

Bis dahin bangen die Graurheindorfer. Denn: „Bei Hochwasser ist ebenfalls ihr Ortsteil besonders betroffen. Ab einem Rhein-Pegel von circa 8,70 Meter überschwemmt das Wasser die Estermannstraße vom Rheindorfer Bach her.“ So ist auf den Seiten der Stadt Bonn das zu lesen, was jeder Graurheindorfer verinnerlicht hat. „Bevor der Rhein von vorne kommt, kommt der Bach von hinten. Und irgendwann haben wir Hochwasser von allen Seiten und sind eingeschlossen“, bringt es Michael Moser vom Ortsausschuss Graurheindorf auf den Punkt. Ab 8,30 Meter sollte jeder betroffene Anwohner sein Hab und Gut gesichert haben. Doch schon davor wird es für einige Familien unangenehm. Ab einem Pegel von 7,50 Meter laufen in rund 15 Häusern im Umfeld der Bachbrücke die Keller voll, weiß Moser.

Die Freiwillige Feuerwehr Rheindorf beobachtet die Situation aktuell und ist im Ernstfall sofort mit 27 Einsatzkräften zur Stelle. „Die Einsatzabschnittsleitung der städtischen Feuerwehr bezieht dann Quartier in der Kläranlage“, sagt Julius Bübl, stellvertretender Löscheinheitsführer der Freiwilligen Feuerwehr Rheindorf, und erklärt das Prozedere: „Wir kontrollieren bei uns am Feuerwehrhaus die Abgabe von Sandsäcken, helfen beim Verbau, füllen mithilfe der Jugendfeuerwehr neue Sandsäcke und stellen die Logistik für Nachschub sicher. Wir helfen auch beim Stegebau und kontrollieren, ob der Brandschutz noch sichergestellt ist.“

Paddler räumen das Bootshaus leer

Im unteren Stock des Bootshauses der Kanuabteilung des Postsport-Vereins Bonn an der Gottbergstraße 3 – oder besser an Rheinkilometer 659,2 – herrscht bereits am Mittwochabend bei einem Wasserstand um die 5,70 Meter geschäftiges Treiben. Die Paddler sind jedes Mal die Ersten, bei denen das Hochwasser in Graurheindorf anklopft, und sie sind deshalb auch die Ersten, die ausräumen müssen. „Wir haben 150 Mitglieder und davon hat manch einer bis zu drei Boote“, erklärt Pressesprecherin Monika Rosenthal. Das klingt nach viel Arbeit. Die wird aber auch beim unerwarteten Hochsommer-Hochwasser und urlaubsbedingt mit etwas weniger Helfern als sonst routiniert erledigt. Die Mitglieder heben ihre Boote aus den Regalen, tragen sie aus dem Bootshaus und laden sie auf ihre Autos.

Danach machen sie sich ans Abbauen der Regale und das Lagern von Materialien wie Paddeln, Westen und Co. im oberen Stockwerk. „Nach der Lagerhalle ist der nächste gefährdete Raum unsere ,Biberburg’, die Umkleide. Sie liegt fünf Stufen höher. Schauen wir mal“, meint Rosenthal. Die Bootshaustore sichern sie abschließend mit Vlies und Hochwasserschutzwänden. „Das machen wir ab einem erwarteten Pegel von 6,50 Meter, aber ab 7,41 Meter nutzen die auch nichts mehr“, so Rosenthal. Dann steht das Wasser drin. „Und wenn es wieder raus ist, machen wir alles rückwärts“, sagt Rosenthal und klingt dabei gelassen.

Die Paddel-Kollegen vom Wassersportverein Blau-Weiß Bonn am Estermannufer 1 haben es da besser. „Wir müssen unser Bootshaus ab einem Pegel von etwa 8,30 Meter leer räumen, danach kommt bald das Wasser vom Parkplatz durch den Rückstau. Das war beim letzten Hochwasser knapp, ist aber gut gegangen“, sagt Bootshauswart René Brücker. Aktuell gilt es bislang nur, den Bootssteg im Auge zu behalten. Falls sich daran schweres Treibgut verfängt oder ihn gar beschädigt. Die Kanuten haben ihn zusätzlich mit Seilen gesichert, damit er sich, wenn er sich aus der Halterung losreißt, nicht Richtung Meer aufmacht. „Dann wären nämlich 8500 Euro futsch“, sagt Brücker und muss jetzt wieder los. Bei ihm auf der Arbeit ist ein Abwasserrohr geplatzt und hat eine Tiefgarage mit über 4000 Litern Wasser geflutet.

Hochwasser zieht Schaulustige an den Rhein

Während die einen also mit dem Wasser ihre liebe Not haben, entspannen sich die anderen beim Hochwasser-Tourismus. Der Fährpavillon ist am frühen Donnerstagnachmittag gut besucht. Die Gäste fotografieren und filmen eifrig, wie die Rheinschiffe, die bis zu einem Wasserstand von acht Metern noch fahren dürfen, für hohen Wellenschlag sorgen. Oder wie Schwäne, Nil- und Kanadagänse dort herumpaddeln, wo sonst die Autos auf die Fähre auffahren. Die Fähre zwischen Mondorf und Graurheindorf hat ihren Betrieb bereits am Mittwoch eingestellt – erst wegen einer Straßenunterspülung an der Hochwasserrampe, dann wegen des Hochwassers an sich. Die Bierbänke und Blumenkübel auf der untersten Terrassenstufe des Fährpavillon werden vom Hochwasser bereits angeknabbert. „Wir räumen diese Stufe gleich“, ist von einer Service-Mitarbeiterin zu erfahren.

Pächter Wilfried Dung hat Erfahrung mit Restaurants, die regelmäßig von Hochwasser betroffen sind: Ihm gehören auch die Rheinlust in Beuel und das Rheingold in Mondorf. Mit dem Fährpavillon betreibt er das dritte entlang des Rheins. Für Sinan Kilicel, den neuen Pächter des Restaurants „Kajüte“ im Blau-Weiß-Bootshaus, ist es auch nicht das erste Lokal. Aber es ist das erste, das – wenn auch deutlich später als der Fährpavillon – von Hochwasser betroffen sein kann. Wie Kilicel das Hochwasser findet? „Durch die Pandemie ist es eh schon eine schwierige Zeit für Gastronomen, nun auch noch das Hochwasser. Da dreht sich das Kopfkino. Aber meine Sorge hat sich etwas gelegt. Wir werden Anfang August öffnen“, sagt Sinan Kilicel zuversichtlich.

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