Bonner Köpfe „Ich bin schön, stark und kann alles schaffen!“

Bad Godesberg · Lilian Welter kam aus Kenia nach Deutschland und ist mittlerweile studierte Tourismusmanagerin und Safari-Expertin. Sie berichtet über ihre Erfahrungen in Deutschland und ihrer Verbindung zu Afrika.

 Sie lacht gerne, obwohl sie nicht immer Grund dazu hatte: Lilian Welter.

Sie lacht gerne, obwohl sie nicht immer Grund dazu hatte: Lilian Welter.

Foto: Stefan Hermes

Sie lacht viel. „Lachen ist immer gut“, sagt sie. Dabei hat Lilian Welter mit ihren 35 Jahren schon einiges erlebt, was nicht unbedingt zum Lachen gewesen wäre. Aber sie musste die Erfahrung machen, dass sie umso verletzlicher wird, je mehr Gefühle sie zeigt. Ihre Geschwister hatten sie vor Deutschland gewarnt. Dort sei es nicht gut für sie. Aber Lilian wollte in diese Welt. Wollte das kenianische Busia, an der Grenze zu Uganda gelegen, verlassen. Nicht nach Mombasa oder Nairobi, wo ihre Geschwister studieren und arbeiten, sondern nach Europa.

England wäre ihre erste Wahl gewesen. Doch Einreise und Aufenthalt in dem Land, in dem die Verständigung kein Problem gewesen wäre, erschienen ihr zu schwierig. Nach Deutschland konnte sie sich als Au-pair-Mädchen über eine afrikanisch-deutsche Agentur vermitteln lassen, die sie auch vor Ort betreute. Das nahm ihr ein wenig die Sorge, dass ihr in Deutschland etwas passieren könnte. „Die Menschen dort sind rassistisch, hatte mich meine Familie gewarnt“, sagt Lilian und lacht. So, als sei die Behauptung abstrus. Und? Welche Erfahrung hat sie gemacht? „Ich liebe es, zu experimentieren“, lacht sie, „du gewöhnst dich daran, immer angeguckt zu werden. Als dunkelhäutiger Mensch unter Weißen fällst du immer auf“.

Ihr Kind war neun Monate, als sie ins Frauenhaus floh

Sie sagt, dass sie als schwarze Kenianerin immer „Ausländerin“ bleiben wird, auch wenn sie 2014 deutsche Staatsbürgerin geworden ist. In ihrem Godesberger Wohnzimmer steht neben dem Bild ihres Sohnes eine Fotografie, die sie stolz neben Bonns ehemaligem Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch zeigt, der ihr die Staatsbürgerschaftsurkunde überreicht.

Dem Bild ist nicht anzusehen, was die glücklich in die Kamera lächelnde Lilian Welter bis zu diesem Zeitpunkt erlebt hatte. Sie musste vor ihrem 20 Jahre älteren Mann und Vater ihres heute neunjährigen Sohnes Nitro in das Bonner Frauenhaus fliehen. Ihr Kind war damals neun Monate alt. Sie lacht. „Ja, es war schlimm“, erinnert sie sich an diese Zeit. Hätte sie getan, was der Mann wollte, den sie über das Internet kennengelernt hatte und wenig später heiratete, wäre sie Altenpflegerin geworden. „Das sei ein Beruf für Ausländer“, hat er mir gesagt. „Krankenschwester wäre für mich eine Alternative gewesen.“ Doch ihr Mann sagte, das könnten nur blonde Frauen werden. Die Trennung von ihm wurde notwendig und war heilsam. Während der Monate im Frauenhaus konnte sie wieder Kraft sammeln, um ihr Leben erneut selber in die Hand zu nehmen. Sie fing einfach wieder von vorne an.

„Als ich 2006 in Frankfurt landete, dachte ich, in einem Gefrierschrank angekommen zu sein“, erinnert sich Lilian Welter rückblickend über ihre Naivität, von der Novemberkälte in Deutschland überrascht zu werden. Ihr Ziel, hier die Sprache zu lernen und etwas über die europäische Kultur zu erfahren, halfen ihr jedoch über Äußerlichkeiten hinweg. Mit der Familie im rheinland-pfälzischen Wittlich, bei der sie als Au-pair arbeiten konnte, hatte sie Glück. Schnell lernte sie, deutsch zu sprechen und schaffte eine Basis, um ihre Zukunft zu gestalten.

Sie musste immer etwas besser sein als andere

Vieles machte sie gleichzeitig. Sie lernte Webseiten zu bauen, arbeitete in Hotels, studierte und schloss vor zwei Jahren ihr Studium als Tourismusmanagerin an einer privaten Hochschule in Bad Honnef mit Prädikatsexamen ab. Sie hat gelernt, dass sie als Dunkelhäutige immer etwas besser sein muss als die anderen. Alle schauen auf sie, meint sie. Ihre Fehler werden eher sichtbar als die der anderen.

Oft hat sie den Eindruck, dass sich die ältere Generation in Deutschland vor schwarzen Menschen fürchtet. So, wie sich auch ihr Sohn Nitro vor den vielen schwarzen Menschen fürchtete, als er als Dreijähriger zum ersten Mal seine Großmutter in Kenia besuchte. Dabei hatten beide zuvor immer wieder vor dem Spiegel gestanden und gesagt: „Ich bin schön, ich bin stark, ich kann alles schaffen“. Nitro sollte dadurch selbstbewusst werden. Die Autosuggestion hat Lilian Welter geholfen. Jetzt ist sie Unternehmerin.

Es war für sie naheliegend, ihr Wissen als Tourismusexpertin mit ihren Kontakten in Ostafrika zu verbinden. Zunächst machte sie sich als Reiseberaterin für Safaris einen Namen, bis sie es wagte, mit „LiReise Tour“ eigene Programme in Kenia, Tansania, Uganda und Ruanda anzubieten. Im Eigenverlag hat sie ein Buch über Safaris herausgebracht und einen Dokumentarfilm produziert, der die Schönheiten ihres Geburtslandes zeigt und Lust auf den Teil Afrikas machen soll, den sie vor elf Jahren verlassen hat.

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