Vorschläge für Bonner Nahverkehr IHK: Bund soll Nahverkehr mitbezahlen

BONN · Die Industrie- und Handelskammer will bei der Verkehrswende mitreden und den Bus- und Bahnverkehr ausbauen lassen. Anstelle zusätzlicher Belastungen für die regionale Wirtschaft soll das erforderliche Geld woanders herkommen.

 Ausgedehnt gehört nach Auffassung der IHK das Angebot von Bussen und Bahnen in Bonn.

Ausgedehnt gehört nach Auffassung der IHK das Angebot von Bussen und Bahnen in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Mehr und attraktivere Angebote bei den Bussen und Bahnen – und das idealerweise unterstützt durch eine ordentliche Finanzspritze des Bundes. So sieht, grob skizziert, die Vorstellung seitens der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg zur Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aus. Am Dienstag stellten Präsident Stefan Hagen und Geschäftsführer Stephan Wimmers die aktuelle Position der Kammer vor, wie sie nun in einer Broschüre nachzulesen ist. Auch wenn es der regionale Wirtschaftsverband dabei in vielen Punkten vorerst bei Gedankenanstößen belässt, so wird doch deutlich: Die IHK möchte die Verkehrswende nicht als staunender Beobachter an sich vorbeiziehen sehen, sondern in den zentralen Fragen mitreden. „Abgesehen vom Godesberger Tunnel wurde in Bonn seit Jahrzehnten keine Infrastruktur geschaffen. Und von Bonn nach Siegburg brauchen Sie mit der Linie 66 fast genauso lange wie mit dem ICE von Siegburg nach Frankfurt“, nannte Hagen zwei Beispiele, die in den Reihen der IHK regelmäßig bitter aufstießen. Und nicht zuletzt verteidige Bonn seit Jahren souverän den Titel als „Stauhauptstadt“.

Tarifsystem muss verständlicher werden

„Es reicht aber nicht, den Leuten zu sagen: Ihr fahrt jetzt nicht mehr mit dem Auto! Wichtig ist, dass es vernünftige Alternativen gibt – und in denen sich die Fahrgäste dann nicht fühlen wie in einer Sardinenbüchse“, brachte Wimmers die gedankliche Ausgangslage der Kammer auf den Punkt. Entsprechend teile man die Überzeugung, dass sowohl eine Verdichtung als auch eine Attraktivitätssteigerung Not täten: So müsse zum Beispiel das Tarifsystem für den Nutzer verständlicher werden, etwa durch eine Berechnung des Fahrpreises nach Luftlinienkilometern. Auch Ungleichbehandlungen von neuen und bestehenden Kunden solle es nicht geben und Schnupperangebote nur für einen begrenzten Zeitraum gelten, so die IHK-Verantwortlichen.

Zweckgebundene Mittel aus dem Bundeshaushalt als Ziel

Mindestens ebenso zukunftsweisend, so Hagen und Wimmers, sei jedoch die Antwort auf die Frage nach der künftigen Finanzierung des ÖPNV. Hier will die Kammer ihren Einwurf zunächst als Diskussionsgrundlage verstanden wissen, ohne dabei bestimmte Präferenzen zu verschweigen: Ein Arbeitgeberbeitrag wäre den Vertretern der mittelständischen Wirtschaft erwartungsgemäß ebenso wenig willkommen wie eine Subvention mittels höherer Grundsteuer oder ein verpflichtendes „Bürgerticket“ für alle. Eher kann man sich in der IHK-Zentrale am Bonner Talweg da schon vorstellen, den entstehenden Mehraufwand mit Einnahmen aus einer Pkw-Maut, aus Parkgebühren oder aus der CO2-Steuer und CO2-Zertifikatehandel zu decken. Zentrale Bedingung der IHK: Derlei staatliche Einnahmequellen sollen verbindlich zweckgebunden werden und auf diese Weise ohne Umwege in den Nahverkehr fließen. Mögliche Ansätze sieht die IHK aber auch in einem „ÖPNV-Beitrag“ der Bürger. Unterm Strich, sind sich Hagen und Wimmers sicher, werde an einer verstärkten Finanzierungsverantwortung des Bundes für den Regionalverkehr in ganz Deutschland kaum ein Weg vorbeiführen.

Und schließlich stellt die IHK nichts weniger als die althergebrachten Strukturen des ÖPNV zur Disposition: Über eine Trennung von Netz und Betrieb, so Hagen und Wimmers, müsse ebenso ergebnisoffen debattiert werden wie über eine stärkere Kooperation benachbarter Verkehrsbetriebe und eine Öffnung des Marktes für private Unternehmen.

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