Im Mai im Bonner Stadtgarten Hinter den Kulissen des Circus Roncalli

BONN · Im Mai schlägt der beliebte Circus Roncalli für drei Wochen seine Zelte im Bonner Stadtgarten auf. Auf dem Programm steht die aktuelle Show „Storyteller“. Der General-Anzeiger besuchte eine Vorstellung in Aachen

Aachen im April. Auf dem Blücherplatz steht ein großes Zelt. Ein Zirkus ist in der Stadt. Nicht irgendeiner, sondern Roncalli. Akrobaten, Clowns und Musiker präsentieren drei Wochen lang ihre aktuelle Produktion „Storyteller“. In einem Café-Wagen sitzt der Gründer des Unternehmens. Bernhard Paul hat sich hier eine gemütliche Ecke im Wiener-Kaffeehaus-Stil eingerichtet. „Eigentlich hat jeder Mensch die Dinge zur Verfügung, die ich auch habe“, sagt Paul in einer Vorstellungspause. „Es kommt nur darauf an, was man damit macht, das ist fast vergleichbar mit einem Sterne-Restaurant.“

Im Jahr 1975 hatte Bernhard Paul mit seinem damaligen Partner André Heller das Unternehmen in Wien gegründet. Die Uraufführung des allerersten Programms fand am 18. Mai 1976 statt – auf der Hofgartenwiese in Bonn. Dort geht die Reise erneut hin: Nach dem Aachener Gastspiel schlägt der Circus Roncalli am 10. Mai seine Zelte im Bonner Stadtgarten auf.

Das Geschäft läuft, auch in Zeiten der Digitalisierung und anderer Ablenkungen. „Ich versuche immer, etwas unter die Programme zu mischen, das man im Zirkus nicht vermutet“, sagt Paul. So werden im aktuellen Programm echte Tiere durch Holographien ersetzt. Und das Robotermädchen Pauline absolviert die akrobatische Nummer an einer Pole-Stange.

Ansonsten sei der Zirkus heute ein Anachronismus, den der leidenschaftliche Sammler Bernhard Paul höchst selbst pflegt, wie Roncalli-Sprecher Markus Strobl verrät: „Wenn wir in einer Stadt gastieren, in der gerade ein Flohmarkt stattfindet, dann ist Bernhard Paul gern mal für ein paar Stunden verschwunden.“

Die Zirkusstadt Roncalli besteht überwiegend aus Nostalgie-Wagen, die gehegt und gepflegt werden. Wer hinter die Kulissen blickt, taucht in ein Paralleluniversum ein. Das Smartphone gerät schnell in Vergessenheit. Eine kleine Welt für sich ist der Wagen von Paolo Casanova, der mit detailverliebter Sorgfalt alles sammelt, was mit seinen Programmen als Nostalgie-Clown Paolo Carillon zu tun hat. Im Jubiläumsprogramm 2016 verzauberte er das Publikum mit riesigen Seifenblasen, in diesem Jahr verliebt sich der Clown in eine Maschinen-Frau.

In seiner freien Zeit tüftelt der gelernte Auto- und Motorraddesigner aus Turin an neuen Nummern, die meistens etwas mit Technik zu tun haben – und für die Paolo Casanova alles selber bastelt. Seine neueste Attraktion ist ein Hut mit funktionierender Mini-Dampflok, die er auf einem Flohmarkt fand.

Hinter den Kulissen beim Circus Roncalli
8 Bilder

Hinter den Kulissen beim Circus Roncalli

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Seine Nummern sind ausgefeilt bis ins Detail. Nichts wird dem Zufall überlassen: „Meine Frau entwirft meine Kostüme, und Freunde von mir aus Italien komponieren eigens die Musik für meine Nummern“, verrät Paolo. „Ich möchte Geschichten ohne Worte erzählen – da muss alles perfekt zusammenpassen.“

Fans auf der ganzen Welt lieben Paolos poetische Kunst – vor wenigen Tagen hat der Clown als Geschenk eine handgeschnitzte Puppe seiner selbst von einem Fan erhalten, die er stolz zeigt. Während er sich beim Gespräch schminkt, schlüpft er in seine Rolle und wird von Paolo Casanova zum Clown Paolo Carillon.

Auch im Nebenwagen wird sich zurechtgemacht: Hier treffen wir auf den Weißclown Gensi (Fulgensi Mestres) und seinen russischen Kollegen, den KGB-Clown Eddy Neumann. Gensi gehört schon lange zum festen Ensemble von Roncalli, er ist auch im aktuellen Programm als – wenn man so will – der vernünftige Clown zu erleben, der durchs Programm führt und sich immer wieder einen Schlagabtausch liefert mit dem Clown Chistirrin, der – eine Neuentdeckung von Bernhard Paul – nichts als Unfug im Kopf zu haben scheint.

So taucht Chistirrin, mit bürgerlichem Namen Marco Antonio Vega, sowohl als Musikclown auf, der nicht weniger als acht Instrumente beherrscht, er spannt aber ebenso das Publikum in der Trapeznummer mit den Brüdern Cedeños auf die Folter. Neben der Trapezeinlage sorgen die vier Brüder aus Ecuador mit Ikarischen Spielen für Nervenkitzel beim Publikum.

Quincy Azzario mit atemberaubenden Solo

Der Circus Roncalli wirkt zwar wie ein Paradies für Clowns, doch Zirkusdirektor Bernhard Paul vereint auch bei den Artisten anerkannte Virtuosen in seiner Manege. Die Akrobatin Quincy Azzario, die sich ebenfalls gerade auf ihren nächsten Einsatz vorbereitet, wurde für eine Handstand-Nummer mit ihrer Schwester bereits beim Zirkusfestival in Monte Carlo mit einem silbernen Clown ausgezeichnet. Im neuen Programm des Circus Roncalli ist sie mit einem atemberaubenden Solo zu erleben. Waghalsige Luftdarbietungen zeigen in „Storyteller“ auch Adèle Fame mit den Strapaten sowie Natalia Rossi und Vivian Paul, die älteste Tochter von Bernhard Paul, an einem schwebenden Kronleuchter.

Während sich auch das Robotermädchen Pauline unter einer Plane warm macht, damit später kein Kondenswasser den Artisten Paul Herzfeld ins Rutschen bringen kann, überlassen wir Artisten und Clowns ihren Vorbereitungen und schauen noch bei Sophie Plauz herein.

Sophie ist die Schneiderin bei Roncalli und hat auch kurz vor Vorstellungsbeginn alle Hände voll zu tun. Womit sie am meisten beschäftigt ist? „Abgerissene Knöpfe und geplatzte Nähte“, erzählt sie lachend. Noch mehr Spaß bereiten ihr die kreativen Momente ihres Jobs, wenn sie gemeinsam mit den Artisten neue Kostüme entwerfen kann – da sind auch ihrer Fantasie kaum Grenzen gesetzt.

Draußen vor dem Wagen riecht es nach frischem Popcorn. Musik und Stimmengewirr werden lauter. Es wird Zeit, sich wieder unter das Publikum zu mischen, denn in wenigen Minuten heißt es: Manege frei!

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