Hinter den Kulissen im WCCB In Bonn gab es Frikadellen für die Aktionäre

Bonn · Ausgeklügelte Logistik sorgt im World Conference Center Bonn (WCCB) für reibungslosen Ablauf. Nach Bayer kommen Post und Lufthansa. Das WCCB ist für Großveranstaltungen mit bis zu 7000 Teilnehmern ausgerichtet.

 Veranstaltungstechniker Lucas Taddei verkabelt die letzten Lautsprecher.

Veranstaltungstechniker Lucas Taddei verkabelt die letzten Lautsprecher.

Foto: Martin Wein

40 Prozent mehr Umsatz auf der einen, 13.500 Schadenersatzklagen von vermeintlich Glyphosat-Geschädigten allein in den USA auf der anderen Seite: Bei der Hauptversammlung des Leverkusener Bayer-Konzerns am Freitag im WCCB gibt es nach der Übernahme des US-Saatgut-Multis Monsanto viel Gesprächsbedarf. „Das kann heute lange dauern“, ahnt auch Aline Willecke vom Hausgastronom Broich Premium Catering.

Schon um kurz vor 5 Uhr ist sie mit dem Auto aus Köln angereist und setzt jetzt den ersten Kaffee des Tages auf. Bis Vorstand und Aufsichtsrat des DAX-Konzerns (vermutlich) entlastet sind, werden rund 3000 Liter durch die Maschinen fließen. Gleich ein ganzes Paket mit 725 Gramm Fairtrade-Kaffee schüttet Willecke deshalb in den Papierfilter mit dem Durchmesser eines Lenkrads. Nur Minuten später kann sie aus dem Edelstahltank darunter die ersten 20 Liter frisch gebrüht abzapfen.

300 Lautsprecher aufgestellt

Für Großveranstaltungen mit bis zu 7000 Teilnehmern ist das WCCB eingerichtet und speziell für die Bedürfnisse von Hauptversammlungen (HV) ausgestattet. Zwar kann die Bonn CC GmbH den Betrieb für die Stadt nicht kostendeckend leisten. Aber die Auslastung ist gut. Nach der Telekom, dem Chemie-Konzern Covestro und Bayer sind bis Mitte Mai noch Lufthansa und Deutsche Post DHL angemeldet. „In der Saison der Jahresabschlüsse hätten wir nur noch Platz für einen weiteren Kunden“, sagt Veranstaltungsmanager Jan-Michael Uhlig.

Zwischen 1000 und 3000 Aktionäre kommen zu einer großen HV. Um sie vertragsgemäß zu versorgen, haben Techniker und Helfer schon Montag mit den Vorbereitungen begonnen. Lucas Taddei und seine Kollegen haben rund 300 Lautsprecher im gesamten Gebäude aufgestellt – auch in den Garderoben, Essensausgaben, Raucherbereichen und Toiletten. „Das Geschehen im Saal New York muss zu jeder Zeit überall verfolgbar sein“, erklärt Uhlig. Sonst drohen Klagen. Ein Aktionär, so erzählt man sich, habe eine HV angefochten, weil er eine wichtige Abstimmung verpasst habe. Das Gebläse eines Handtrockners übertönte die Übertragung.

100 Glasfaserleitungen und Kabel mit einer Gesamtlänge von rund 20 Kilometern wurden verlegt, um die Wärmewagen an den Büffets, alle Monitore, Beamer, Empfangs-Counter und Sicherheitsschleusen ans Strom-und Datennetz anzuschließen. Selbst bei einem Stromausfall sollen Lichter, Fahrstühle und die Klimaanlage höchstens 90 Sekunden aus bleiben. Drei eigene Transformatoren und ein Öl-Vorrat für 48 Stunden machen das WCCB autark.

Durch eine Sicherheitsschleuse

Als um 10 Uhr die Versammlung eröffnet wird, sind die Mitarbeiter vor und hinter den Kulissen teils schon seit sechs Stunden auf den Beinen. Techniker, Hausmeister, Reinigungskräfte, Garderobieren, Kellner, Köche, Hostessen – rund 500 Menschen kümmern sich um die Aktionäre. Die Bonn CC selbst hat nur 30 Beschäftigte vor allem in der Verwaltung. Den Rest entsenden Dienstleister.

Wer aufs Gelände möchte, muss wie im Flughafen durch eine Sicherheitsschleuse. Dazu ist eigens ein Zelt aufgestellt und das Gelände abgesperrt worden. Regenschirme, Nagelfeilen – alles, was als Wurfgeschoss dienen könnte, muss draußen bleiben.

Die Kost ist bodenständig

Auch Porzellanteller könnten Vorstandsköpfe treffen. Im Catering gibt es deshalb nur Pappschalen, verrät Willecke, die bei Broich als Projektleiterin die rund 150 Servicekräfte für den Tag einteilt. Essen und Trinken sind wichtig auf einer langen Hauptversammlung. Manche Kleinaktionäre kämen, wie es heißt, überhaupt nur deshalb. Die Kost ist durchweg bodenständig. 4500 klassische Teller mit Frikadelle, Bockwurst und Kartoffelsalat sind für heute bestellt, dazu 5000 Laugenbrezeln, 7000 Stücke Kuchen und 1400 Äpfel und Bananen. „Bei kleineren Veranstaltungen kochen wir mit frischen Zutaten“, betont André Weise, der Objekt-Verantwortliche von Broich. Aber bei 4500 Frikadellen muss er aus hygienischen Gründen kapitulieren und auf Zulieferer setzen. Das Ergebnis ist bergeweise Abfall. Allerdings sortieren Mitarbeiter Papier, Glas, Plastik und Speisereste.

Wann was passiert, ist auf einer Hauptversammlung nur schwer zu planen. Niemandem darf das Rederecht vorenthalten werden, damit die Ergebnisse nicht anfechtbar sind. Das macht die Personalplanung schwierig. An kritischen Tagen wie diesen rechnet man im WCCB mit langen Abenden. Anders als etwa bei UN-Konferenzen gibt es immerhin eine Deadline: „Um 23.59 Uhr ist Schluss. Anderes lässt das Aktienrecht bei eintägigen Hauptversammlungen nicht zu“, sagt Uhlig. Gibt es dann keine Entlastung, muss ein neuer Termin angesetzt werden.

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