Rheinische Landeskunde an der Uni Bonn In der Generation 70plus ist Dialekt noch verbreitet

Bonn · Rheinisch ist nicht nur ein Alltagsphänomen. Auch für die Wissenschaft sind Sprache und Geschichte des Rheinlands fakultätsübergreifend interessant.

Claudia Wich-Reif,  Andrea Stieldorf und Michael Rohrschneider zeigen das Original der Schöffenurkunde von 1300, wonach das Cassiusstift (Bonner Münster) einen Weinberg in Dottendorf verpachtet.

Claudia Wich-Reif, Andrea Stieldorf und Michael Rohrschneider zeigen das Original der Schöffenurkunde von 1300, wonach das Cassiusstift (Bonner Münster) einen Weinberg in Dottendorf verpachtet.

Foto: Stefan Janos Wagner

Gleich drei Abteilungen aus den Bereichen Geschichte und Germanistik beschäftigen sich an der Universität Bonn mit der geschichtlichen Landeskunde der Rheinlande. Regelmäßig stehen die Forschenden mit Geschichtsvereinen der Region und Interessierten in Kontakt. Der fachliche Austausch ist wichtig. „Mich fasziniert, wie die Menschen früher gelebt haben und was wir heute daraus lernen können. Das sind ja fremde Welten für uns“, beschreibt Wolfgang Rosen seine Motivation zur Geschichtsforschung, die er im Nordrheinischen Klosterbuch zusammengetragen hat.

Wie wer wo spricht, kann man sich im digitalen Dialektatlas Mittleres Westdeutschland unter www.dmw-projekt.de anhören: Nicht nur die unterschiedliche Aussprache, sondern teils ganz verschiedene Vokabeln für ein und dieselbe Sache lassen staunen. Der Dachboden heißt in Heimerzheim „Schpeischer“, im Kreis Steinfurt „Dak-Kaamer“ oder „Büen“, in Lippe „Balge“, im Kreis Altenkirchen „Schpijjer“. „Wat und dat sagen auch Leute, die ansonsten eher Hochdeutsch sprechen", weiß Professorin Claudia Wich-Reif aus der Arbeitsstelle Rheinische Sprachforschung im Institut für Germanistik.

Sie hat zum Beispiel untersucht, welchen Einfluss Pendler auf den Dialekt eines Ortes haben. „Das Rheinische mag wie wie eine Fremdsprache anmuten, aber es ist die Sprache unserer Heimat. Die Generation 70plus spricht noch viel Dialekt und wir können erkennen, ob da jemand aus Kessenich, Duisdorf oder aus Beuel kommt“, sagte Wich-Reif.

Junge Leute, die selbst nicht Dialekt sprechen, verbinden die rheinische Mundart laut Wich-Reif „mit Festen wie Karneval und verwenden dann auch selbst dialektalen Wortschatz an, wie Kamelle, Alaaf, bütze, laache, singe oder danze. Und nicht wenige hören Lieder von Mundartgruppen und singen dann auch mit.“ Auch wenn rheinische Dialekte immer weniger gesprochen werde, halte sich der rheinische Akzent sehr gut. „Leute, die im Rheinland geboren sind, werden in anderen Regionen Deutschlands erkannt, dann aber gegebenenfalls einfach Köln zugewiesen und keiner spezischen Gegend“, sagt die Professorin.

Wer in Bonn Rheinisch lernen möchten, dem bleibt nur das Gespäch mit Ur-Rheinländern oder die GA-Reihe „Das ist Rheinisch“. Anders in Köln, wo man an der Volkhochschule Mundart-Kurse belegen kann. „Wir bieten Veranstaltungen an, aber nicht zum Rheinisch lernen, sondern zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Dialekten der Region und darüber hinaus, zum Beispiel zu Stadtsprachen in NRW“, so Wich-Reif.

Groß sind sprachliche Unterschiede, blickt man auf die gesamte NRW-Karte. Der Frosch heißt im Norden Pogge. Rings um Paderborn kennt man ihn auch als Höpper. Richtung niederländische Grenze ist auch Kikket verbreitet, ganz vereinzelt auch Uukel. Diese regionalen Unterschiede werden auch heute noch gepflegt. Professor Michael Rohrschneider aus der Abteilung Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte erklärt: „Interessant ist im Zeitalter der Globalisierung, dass viele sich trotz aller internationaler Verpflechtung und Verstrickung dafür interessieren: Woher komme ich eigentlich? Wo sind meine Wurzeln, wo ist meine Identität?“

Sprachforscher greifen auf Tonbänder zurück

In einem Raum im Gebäude Am Hofgarten 22 liegen Tonbänder und Kassetten aus alten Tagen, auf die die Sprachforscher zurückgreifen können. In einem anderen sind alte Urkunden mit verzierten Siegeln zu sehen. So erfahren interessierte Besucher beispielsweise, dass es im Mittelalter in Dottendorf einen Weingarten gab, der 1300 durch ein Schöffengericht am Cassiusstift, dem heutigen Bonner Münster, verpachtet wurde. „Wir wollen einen niederschwelligen Zugang zur Wissenschaft ermöglichen“, sagt der wissenschaftliche Volontär Alexander Olenik. Dies gelingt auch über den Internet-Blog histrhen.landesgeschichte.eu, auf dem regelmäßig über den Stand der Forschungen berichtet wird.

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