Nachhilfe in Bonn Initiative "Studenten bilden Schüler" ermöglicht kostenlosen Unterricht

BONN · Ein Dreiviertel Jahr vor seinem Fachabitur wurde Neves Jeremias klar, dass er Unterstützung brauchte. An Mathe sollte sein Schulabschluss nicht scheitern.

 Die Probleme bei Mathe-Textaufgaben haben sie gemeinsam gelöst: Studentin Dorothee Wohlleben mit ihrem ehemaligem Schüler Neves Jeremias. Bei seinen Klausuren fiebert die Studentin mit.

Die Probleme bei Mathe-Textaufgaben haben sie gemeinsam gelöst: Studentin Dorothee Wohlleben mit ihrem ehemaligem Schüler Neves Jeremias. Bei seinen Klausuren fiebert die Studentin mit.

Foto: Barbara Frommann

Dabei war die Mathematik an sich gar nicht das eigentliche Problem. "Es lag vor allem am Sprachverständnis bei Textaufgaben", erinnert sich Dorothee Wohlleben. Bis zu seinem Fachabitur gab die 21-jährige Physikstudentin Neves Jeremias einmal die Woche Nachhilfe, löste mit ihm Beispielaufgaben und half so, die Sprachbarriere zu durchbrechen.

Vor drei Jahren begann Wohlleben, sich als Nachhilfelehrerin im Verein "Studenten bilden Schüler" zu engagieren, und übernahm im letzten Semester die Standortleitung an der Uni Bonn. "Dank dieser Hilfe habe ich meinen Abschluss geschafft", sagt der mittlerweile 21-jährige Jeremias, der heute eine Ausbildung zum Krankenpfleger macht. Ein Sozialarbeiter der betreuten Wohngruppe, in der er als Jugendlicher lebte, hatte damals den Kontakt zu dem Verein hergestellt.

Die momentanen Kooperationspartner des Vereins sind die Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Bad Godesberg und die Katholische Hauptschule St. Hedwig in Auerberg. Die Kontaktlehrer schlagen Schüler vor, und der Verein versucht dann, einen passenden Nachhilfelehrer zu finden. "In erster Linie müssen die Fächer passen, aber es gibt auch Besonderheiten, die man beachten muss", erklärt Wohlleben. So gebe es beispielsweise Mädchen, die nur von Frauen unterrichtet werden möchten.

In der Regel stellen die Schulen einen Raum zu Verfügung, in dem sich Schüler und Student nach Schulschluss treffen können. "Wir empfehlen den Studenten sich einmal in der Woche für eine Stunde zu treffen", sagt Wohlleben. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass mehr Lerneinheiten zusätzlich zum normalen Unterricht die Schüler überforderten.

Wie lange ein Schüler begleitet wird, ist hingegen völlig offen: "Wir freuen uns immer, wenn die Unterstützung möglichst langfristig angelegt ist", so Wohlleben. Da momentan aber nur acht Studenten als Nachhilfelehrer zu Verfügung stehen, versorgen die Schulen zuerst Neunt- und Zehntklässler, die kurz vor ihrem Abschluss stehen.

"Unser Ziel ist es, im nächsten Semester noch bis zu 15 Studenten als Lehrer zu gewinnen, damit wir dann die Möglichkeit haben, früher anzusetzen", erzählt Wohlleben. Ziel sei es nämlich, nicht eine bloße Hausaufgabenbetreuung zu bieten, sondern den Schülern langfristig selbstständiges Lernen beizubringen. Profitieren sollen von dem Angebot alle, die ansonsten keine Nachhilfe finanzieren können - aus welchen Gründen auch immer.

"Nicht alle Kinder, die wir unterstützen, kommen aus schwierigen Verhältnissen", sagt Wohlleben. Viele Familien kämen gerade so über die Runden, könnten sich teure Nachhilfestunden aber nicht auch noch zusätzlich leisten. "Es gibt zwar auch Fälle, wo wir sogar Schwierigkeiten haben, überhaupt das Einverständnis der Eltern zu bekommen," erzählt Wohlleben. "Meistens jedoch sind die Familien nicht uninteressiert, sondern schlicht überfordert."

Die größte Bereicherung für die Schüler sei deshalb oft nicht der konkrete Fortschritt, sondern das Gefühl, dass jemand bei schulischen Dingen weiterhelfen kann und bei Klausuren mitfiebert. Der Verein erwartet von den Schülern, dass sie mitarbeiten und sich Ziele setzen. Aber es sei völlig selbstverständlich, dass die Motivation schwanke: "Es sind halt normale Schüler von 15 oder 16 Jahren", lacht Wohlleben.

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