Überforderte Lehrer und zu große Klassen Inklusion: Bonner Eltern sind unzufrieden

BONN · Die Diskussion um Inklusion in Schulen ist nach der neusten Forsa-Umfrage auch für Bonner Schulen neu entfacht. Wie am Mittwoch berichtet, klagt die Mehrheit befragter NRW-Lehrer über zu große inklusive Klassen, fehlende Sonderpädagogen und mangelnde Fortbildung.

 Inklusiver Unterricht: Ein nüchternes Fazit zieht Ulrich Meier von der Bonner Stadtschulpflegschaft: "Eine individuelle Förderung unserer Kinder in Klassen mit derzeit 27 Schülern und mehr ist nicht mehr gegeben."

Inklusiver Unterricht: Ein nüchternes Fazit zieht Ulrich Meier von der Bonner Stadtschulpflegschaft: "Eine individuelle Förderung unserer Kinder in Klassen mit derzeit 27 Schülern und mehr ist nicht mehr gegeben."

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"Diese Überforderung bestätigt unsere Umfrage bei Bonner Schülereltern", antwortet auf GA-Anfrage Ulrich Meier, Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft. 105 Eltern mit Kindern ohne Förderbedarf sowie 50 Eltern mit Förderkindern hätten kritisiert, dass in Bonn die Gesamt- und Grundschulklassen für Inklusion viel zu groß seien und wichtige pädagogische Doppelbesetzungen abgebaut würden. "Dabei werden immer mehr Kinder, auch Flüchtlingskinder auf unsere Schulen zukommen", warnt Meier. Das Argument des Landes, die demografische Wende werde die Lage entschärfen, ziehe in Bonn also nicht. "Es fehlen also zuerst einmal Räume, um die Klassenfrequenz zu verkleinern. Bonn muss sich überlegen, wie es Gelder vernünftig einsetzt."

Meiers Fazit deckt sich mit der Forderung, die Elternvertreter von fünf Grundschulen per Bürgerantrag in den Schulausschuss einbringen wollen: die Klassengröße mit gemeinsamem Lernen dürfe 22 Kinder nicht überschreiten. "Denn eine individuelle Förderung unserer Kinder in Klassen mit derzeit 27 Schülern und mehr ist nicht mehr gegeben."

Was auch Dirk Prinz, Vorsitzender der Fachgruppe Gesamtschule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bonn (GEW), unterstreicht. "Unsere Faustformel ist: Keine inklusive Klasse über 20 Kinder, davon nicht mehr als fünf Kinder mit möglichst unterschiedlichem Förderbedarf, und vollständig mit doppelbesetztem Unterricht." Er könne die Reaktion des Schulministeriums nicht akzeptieren, dass die Bedingungen erfolgreicher Modellversuche wie an der Gesamtschule Beuel zu teuer für die Übertragung auf ganz NRW seien.

Wie das Land reagiert auch die Stadt Bonn. In ihrer Stellungnahme auf den Antrag der Elternvertretungen gibt sie zu, dass kleinere Klassen "ein Baustein für gelingende inklusive Pädagogik" seien. "Richtig ist aber auch, dass multiprofessionelle Teams in der Lage sind, sehr gute Lernerfolge zu erzielen, auch wenn die Klasse (geringfügig) größer ist." Eine Reduzierung der Klassengrößen allein in Bonner Grundschulen würde bedeuten, dass sechs neue Eingangsklassen gebildet werden müssten - was in der aktuellen Haushaltslage auf keinen Fall umsetzbar sei.

Davor, Inklusion nun schlechtzureden, warnt Barbara Schmitz, Leiterin der seit gut 30 Jahren ersten Bonner Inklusionsschule, der Bodelschwinghschule. Von einer überstürzten Einführung gemeinsamen Unterrichts könne doch gar keine Rede sein. Über die Notwendigkeit diskutiere man seit vielen Jahren. "Auch wir hatten zunächst mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Dass Lehrer zunächst eine Überforderung befürchten, ist daher verständlich", sagt Schmitz. Ein Zurück dürfe es dennoch nicht geben. Sicherlich müssten aber die personelle Ausstattung und die baulichen Voraussetzungen verbessert werden. "Eine Nachqualifizierung von Lehrern ist sicherlich ebenso erforderlich wie die Einstellung zusätzlicher Sonderpädagogen."

Ingrid Gerber erinnert für den Verein "Gemeinsam leben - gemeinsam lernen" daran, dass laut Beschluss "Bonn inklusiv" von 2010 alle Schulformen in der Pflicht stünden, Kinder mit Förderbedarf aufzunehmen und sich so gegenseitig zu entlasten. "Wie lange wollen also die Gymnasien das Recht auf inklusive Bildung noch aussitzen?"

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