Gastspiel ins Haus der Springmaus Ironischer, politischer, reifer: Stephan Sulke

Bonn · Er ist 70 Jahre jung und steht seit 50 Jahren auf der Bühne: Am Sonntag, 9. November, kommt der Sänger Stephan Sulke mit seinem Programm "Ich hab' dich bloß geliebt" ins Haus der Springmaus. Mit dem Liedermacher sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Noch immer sitzt ihm der Schalk im Nacken: Stephan Sulke, den viele noch aus seinen Anfängen in den 70er-Jahren kennen, kehrt nach schöpferischer Pause auf die Bühne zurück.

Noch immer sitzt ihm der Schalk im Nacken: Stephan Sulke, den viele noch aus seinen Anfängen in den 70er-Jahren kennen, kehrt nach schöpferischer Pause auf die Bühne zurück.

Foto: Agentur Reisinger

Wissen Sie noch? 1976 in einer TV-Sendung von Rudi Carrell. Der bis dahin in Deutschland unbekannte Stephan Sulke sollte seine "Lotte" singen...
Stephan Sulke: Logisch erinnere ich mich. Ich bin ja Exildeutscher, international aufgewachsen und hatte zu Deutschland eine "Ich lieb' dich, aber ich versteh' dich nicht"-Einstellung. Ich hatte also international schon eine mehrjährige Karriere hinter mir und sollte nun bei Rudi auftreten. Das Lustige damals war: Ich hatte keine Ahnung, dass die zu der Zeit wenigen TV-Sender eine solche Macht hatten, dass mich am nächsten Tag 40 Prozent der Bevölkerung kannten...

Plötzlich war also "Na, Lotte, was machen wir nun?" ein deutscher Hit?
Sulke: Ja. Dabei habe ich diese plebejische Sendung mit ihren idiotischen Spielen und einem grauenhaften Publikum ja gehasst.

So stehen Sie in dem Video, das man noch anklicken kann, auch da...
Sulke: Ja, und ich habe dem Regisseur gesagt: Ich weiß nicht, was ich in dieser Kulisse machen soll. Und dann haben sie mir einen Stuhl hingestellt und für den Song eine Zigarette zwischen die Finger gedrückt. Dabei bin ich gar kein Raucher (lacht).

Und wie ging's dann weiter? Kommen wir jetzt zur "Uschi"?
Sulke: Ne, ne, ne. Ich wollte ja beweisen, dass man in Deutschland populäre gute Musik mit gescheiten, schönen Texte verbinden kann, wie ich das in Frankreich auch gemacht habe. Viele Leute haben mir gesagt: Nein, das geht nicht, auf Deutsch kannst du das nicht machen. Hier verkaufen sich nur die grauenhaften Lederhosenschlager. Aber ich hatte eben diesen Qualitätsanspruch, diese Arroganz und habe in sechs langen Jahren fünf LPs mit eher Elitärem herausgebracht. Und auf der sechsten LP hatte ich noch eine Minute Platz. Da hatte ich noch diesen Song...

...also "Uschi, mach kein' Quatsch"...
Sulke: Richtig. Den Song haben wir in einer halben Stunde aufgenommen. Der passte gar nicht zu den anderen traurigen Balladen. Und dann fuhr ein Publikum, das mit mir nichts anfangen konnte, voll darauf ab. Und mein Publikum war stinksauer auf mich. Das Seltsame ist, dass sich das nach und nach gewandelt hat. Heute wirft mir den bösen "Uschi"-Text keiner mehr vor.

"Uschi komm sei lieb zu mir" haben Sie damals aber auch mit einem Augenzwinkern gesungen?
Sulke: Genau, das ist der Punkt. Eigentlich aber unverständlich, dass so was Hundsgemeines Erfolg hatte. Aber wissen Sie, wer da heute in den Sälen immer siegesbewusst mitsingt? Die Ladies.

Punkt für Sie. Und was singen Sie heute in Konzerten?
Sulke: Ich habe gerade ein neues Album herausgebracht. Das wird wohl mein letztes sein. Man sollte ja irgendwann einmal aufhören. Es wollen ja nicht alle wie Udo Jürgens noch mit 100 auf der Bühne stehen (lacht). Geändert hat sich bei mir eigentlich nicht viel: Vielleicht bin ich zynischer, ironischer in der Selbstbetrachtung geworden, ich bin politisch deutlicher geworden, vielleicht sind meine Songs reifer.

Sie singen heute "He, Alter, komm schieb doch mal 'nen Fünfer 'rüber"...
Sulke: Ja, das ist ein politisches Lied. Das Leben ist eine ernsthafte Geschichte. Die Grausamkeit der Gesellschaft wird immer dieselbe sein. Ich singe also hier über einen Typen, der an der ganzen Alltagsscheiße zugrunde geht. Dieser Typ Mensch hat mich immer fasziniert. Ich liebe einfach Verlierer. Woher weiß ich, dass ich nicht morgen auch einer von denen sein werde? Ich habe Empathie, Mitgefühl für diese Menschen in unserer angeblich so glücklichen Gesellschaft. Den Song singe ich sicher auch beim Gastspiel in Bonn.

Karten für Stephan Sulkes "Ich hab' dich bloß geliebt" am Sonntag, 9. November, ab 20 Uhr in der Springmaus, Frongasse in Endenich, gibt es für 29/23,50 Euro in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Zur Person

Stephan Sulke, 1943 als Sohn geflohener Berliner Juden in China geboren, wuchs in der Schweiz auf. Ab 1963 nahm er unter Pseudonym in Frankreich und den USA die ersten Platten auf. Ab 1976 studierte er Jura in der Schweiz, kehrte aber wieder auf die Bühne zurück. 1974 erschienen unter seinem richtigen Namen die ersten eigenen Lieder in deutscher Sprache. Er stürmte als Sänger und Komponist die Hitparaden, schrieb Bücher, zog sich zeitweise wieder zurück, um ab 2000 wieder durch Deutschland und die Schweiz zu touren. 2002 trat Stephan Sulke auch als Maler und Bildhauer in Erscheinung.

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