Skulptur vor dem Bonner Münster Ist das Kunst, oder kann das weg?

Bonn · Handwerker funktionierten Eduardo Chillidas Skulptur „De Musica IV“ vor dem Bonner Münster zu einem Abstellplatz um. Ein Anruf bei der Pressestelle des Münsters wird zum Beginn einer Debatte über den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum.

Das ist nur eine Momentaufnahme und doch ein Symptom für eine merkwürdige Einstellung zur Kunst im öffentlichen Raum: Gestern Vormittag stellen Handwerker bei der Arbeit für eine Installation zum Thema Barmherzigkeit, die bis Fronleichnam stehen bleiben soll, an Eduardo Chillidas Skulptur „De Musica IV“ vor dem Bonner Münster Alurahmen ab, nutzen das Kunstwerk für ihr Absperrband. Eine Kunst, die auf den Sockel verzichtet, um den Menschen näher zu sein, wird vereinnahmt, achtlos als beliebiges Platzmobiliar behandelt. Hätten die Arbeiter ähnlich gehandelt, wenn sie gewusst hätten, dass Chillidas Werk einst eine Million D-Mark kostete? Gegenfrage: Muss man denn immer einen Preis auf die Kunst schreiben, um ihr Respekt zu verschaffen?

Der Anruf beim Pressesprecher des Münsters, Reinhard Sentis, bewirkte nicht nur, dass das unfreiwillige Handwerker-Happening an Chillidas Skulptur sofort beendet wurde, sondern führte zu einem anregenden, sehr engagierten Austausch über den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum. Auch Stadtdechant Wilfried Schumacher schaltete sich in die improvisierte Debatte ein.

Nicht das erste Mal übrigens. Als ich im August 2001 das Projekt „De Musica IV“ in dieser Zeitung vorstellte, sagte Schumacher, der zu den Chillida-Freunden zählt, die Stahlskulptur habe „den Nebeneffekt, dass sich in der Platznutzung etwas ändert“. Es blieb ein frommer Wunsch.

Immer wieder werden Kunstwerke – und Baudenkmäler – in der Stadt verstellt, blockiert, beschmiert. „Es gibt keinen gesellschaftlichen Konsens mehr darüber, dass das Eigentum anderer und auch das Eigentum der Gesellschaft grundsätzlich zu respektieren ist“, meinte nun Schumacher, der sich an folgender Einstellung stößt: „Wenn mir etwas nicht gefällt oder nichts bedeutet, muss ich es auch nicht achten.“

Schumacher ärgert, dass etwa an vielen Veranstaltungstagen im Jahr das Münster von den Veranstaltern auf dem Platz rücksichtlos zugeparkt werde. Beim Bonner Marathon und der Marathon-Messe in 14 Tagen rechnet Schumacher erneut mit einer Blockade seines Gotteshauses. Für ihn spielt die Stadt eine entscheidende Rolle: „Die Stadt müsste sich zu ihren Denkmälern und Kunstwerken bekennen. Es sind Objekte, die auch einen entsprechenden Freiraum benötigen“, meint er und zeigt etwas Verständnis: „Da die Stadt in der City keine ausgewiesenen reinen Veranstaltungsflächen hat, steht sie natürlich unter dem Druck der Veranstalter, die sich citynah präsentieren wollen.“ Schließlich wird er deutlich: „Die Stadt macht wohl entsprechende Auflagen, aber sie ist nicht in der Lage, sie auch konsequent umzusetzen.“

Für Schumacher sind Plätze und Freiräume in der Stadt von großer Bedeutung, und „Kunst im öffentlichen Raum ist deshalb wichtig, weil sie zeigt, wie unterschiedliche Generationen mit existenziellen Fragestellungen umgegangen sind“. Nicht alles müsse ihm gefallen, räumt er ein, „manches muss ich mir erschließen, anderes kann ich auch einfach sein lassen“. Was den Stadtdechanten Schumacher jedoch traurig macht, ist, „dass unsere City immer schmutziger wird“ und dass es nicht einmal gelingt, einen Papierkorb vor dem Münster zu platzieren. „Wenn die Stadtverwaltung nicht in der Lage ist, ein so kleines Problem zu lösen, wie will sie dann die größeren Anliegen in den Griff bekommen?“

Eine Stadt, die sich eine hochkarätig mit lokalem und regionalem Kunstsachverstand besetzte Kommission für Kunst im öffentlichen Raum gönnt – eine entsprechende Beschlussvorlage soll am 7. April im Stadtrat verabschiedet werden –, sollte sich zuvor verbindliche Spielregeln für den Umgang mit derselben geben (und die auch einhalten).

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