Alter Zoll in Bonn Jeder Stein wird einzeln gefertigt
Bonn · Sicherung und Sanierung der historischen Stadtbefestigung Alter Zoll in Bonn sind eine langwierige Handarbeit. Da werden Ecken geschnitten, Rundungen geschliffen und Winkel gehauen.
Gut möglich, dass die rauen Trachytblöcke, die in die Außenkanten des Alten Zolls verbaut wurden, am Drachenfels abgebaut wurden. Doch mit den Jahrhunderten ist der vulkanische Stein brüchig geworden und schält sich deutlich ab. Christiane Feger streicht über den Block, der ganz porös wirkt. Die Architektin ist beim Bau- und Liegenschaftsamt (BLB) für Planung und Bauen zuständig und verantwortet die Sanierungsarbeiten am Bollwerk, das um 1644 erbaut worden ist.
Wir klettern über das Gerüst und Feger erklärt, warum die Sanierung so langwierig ist. „Alles ist Handarbeit, jeder kleine Stein muss per Hand angefertigt werden. Jeder Ziegel ist eigens für dieses Bauwerk per Hand geformt und gebrannt worden.“ Zunächst war sie davon ausgegangen, dass nur gut 500 Ziegel ausgetauscht werden müssten, bisher sind es aber schon 21.000.
Neben dem Bollwerk haben sich die Steinmetze eingerichtet. Der Mann mit den muskulösen Armen hebt die Blöcke auf die Säge und misst den Stein millimetergenau ein. „Jeder Trachytblock, der ersetzt werden muss, ist genau vermessen und wird in exakt derselben Form und Größe nachgebildet und eingesetzt“, erklärt Feger.
Da werden Ecken geschnitten, Rundungen geschliffen, Winkel gehauen. „Allerdings wird der Stein nicht durch Trachyt, sondern durch Muschelkalk ersetzt, weil der exakte Stein nicht mehr auffindbar war. Das ist natürlich alles in Abstimmung mit dem Denkmalamt geschehen“, erläutert Feger.
Scherben und Knochen aus dem 19. Jahrhundert
„Der Zustand des Bauwerks war desolater, als wir zunächst dachten. Aber das zeigte sich erst nach den Reinigungsarbeiten und beim Öffnen der Fugen“, erklärt die Architektin. Oben auf dem Plateau war mit den Jahren immer wieder eine Kiesschicht nach der anderen aufgetragen worden. Letztlich musste fast ein halber Meter ausgehoben werden, bis die Originalziegel freigelegt waren. Und im Erdreich verrotten die Steine doppelt so schnell.
Auf dem Plateau wird der Boden mit einem kleinen Bagger ausgehoben. Als dort im Zweiten Weltkrieg eine Bombe einen sechs Meter tiefen Krater riss, wurde dieser einfach mit Bauschutt aus der Umgebung verfüllt. Der muss nun ausgehoben, analysiert und entsorgt werden.
Jetzt kann man genau sehen, bis wohin das Ursprungsbauwerk reichte. Das lag am Ende komplett unter der Erde. „Ursprünglich war das Plateau durch Pilaster eingefriedet. Als es im Krieg zerstört wurde, ersetzte man die Brüstung durch eine Mauer“, weiß Feger.
Die Rotunde ist bereits fertiggestellt. Auf den Platten liegen Scherben und Knochen fein säuberlich aufgereiht. Die hatten Arbeiter im Boden entdeckt. Analysen hatten ergeben, dass es Reste eines Grillfestes von vor mehr als hundert Jahren sind. „Von einem Barbecue aus dem 19. Jahrhundert“, sagt Bauleiter Joachim Papke.
Gewölbe entdeckt
Dagegen entdeckte man beim Anbringen der 248 Anker, die dem Bauwerk die nötige Stabilität geben sollen, tatsächlich etwas Ungewöhnliches: ein etwa 2,5 Meter hohes, tiefer gelegenes Gewölbe, von dem nichts in den Unterlagen notiert war. Nach Analyse der vorgefundenen Scherben schätzen die Denkmalpfleger, dass es ein Schachtbauwerk aus der Zeit um 1550 ist, das als Lagerstätte diente.
Damals reichte der Rhein noch bis unmittelbar an die Mauern heran, Kräne hoben die Waren, die verzollt werden mussten, aus den Schiffen, und manche Waren wurden hier gelagert. Das Gewölbe wurde mit Flüssigboden, ein lockeres Zement-Sand-Gemisch, verfüllt. „Das lässt sich später einfach wieder herauskratzen, wenn man den Hohlraum näher untersuchen will“, sagt Karl-Heinz Müller, Objektmanager beim BLB. „Aber diese Entdeckung hat uns natürlich ziemlich im Zeitplan zurückgeworfen. Denn wir mussten die gesamte Statik neu berechnen, und auch die Baulogistik musste umorganisiert werden.“
Bäume werden nicht mehr in Reih und Glied gepflanzt
Auf der Nordseite, zum Historischen Seminar hin, sind die Arbeiten weitgehend abgeschlossen. Zum Brassertufer hin sollen die Mauerarbeiten bis November erledigt sein. Bis dahin will der BLB auch 13 neue Bäume gepflanzt haben. Der Landschaftsbeirat hat beschlossen, nicht mehr 27 Bäume zu setzen und sie vor allem in lockerer hainartiger Anordnung setzen zu lassen. Ein Meter hoch soll Pflanzsubstrat aufgefüllt werden. Drainagen sollen das Regenwasser ableiten.
Drei Rohre schauen auf dem Plateau noch heraus. Das sind die Kontrollbohrungen. Zurzeit wird monatlich mit Lasern vermessen, ob sich das Erdreich im Bollwerk bewegt, später sollen die Prüfungen im jährlichen Rhythmus erfolgen. „Was wir hier gemacht haben, ist so in Deutschland noch nie gemacht worden. Das ist eine Sicherung, wie man es sonst nur bei Berghängen macht“, erklärt Feger.
Eine weitere Überraschung barg die Mauer in Verlängerung des Zolls Richtung Stadtgarten. „Wir haben festgestellt, dass die Mauer kein Fundament hat, sodass wir sie zunächst provisorisch abstützen mussten. Diese Seite wird am Schluss fertiggestellt werden, sodass zur südlichen Seite die Baustelleneinrichtung noch bis zum nächsten Sommer bleibt“, so Müller. Das Plateau aber, auf dem die Statue des einstigen Schriftstellers und Freiheitskämpfers Ernst Moritz Arndt wacht, soll im November wieder begehbar sein.