Julius von Haast Wie ein Bonner zu einem berühmten Entdecker wurde

Bonn · Vor 200 Jahren ist in Bonn Julius von Haast zur Welt gekommen. Er fälschte seine Zeugnisse, wurde zum Wissenschaftler in Neuseeland und zum Entdecker ausgestorbener Riesen-Laufvögel.

 Im Canterbury Museum stellt Julius von Haast auch Skelette der ausgestorbenen Moa-Risenvögel aus.

Im Canterbury Museum stellt Julius von Haast auch Skelette der ausgestorbenen Moa-Risenvögel aus.

Foto: Auckland Libraries Heritage Collections

Wer je zu einer Reise ans andere Ende der Welt aufbricht, der kommt bei einer Fahrt um die Südinsel Neuseelands auch auf dem Haast Pass vorbei. Die Verbindung ist nicht nur die südlichste Querung der neuseeländischen Alpen. Auf ihr ist mit 563 Metern auch die geringste Höhendifferenz zu bewältigen.

Auch das Dörfchen Haast an der Westküste der Insel, der Haast River und der 3114 Meter hohe Mount Haast im Mount Cook Nationalpark erinnern daran, dass ein im Rheinland völlig vergessener Bonner im 19. Jahrhundert in Neuseeland ganz schön herumgekommen ist. Am 1. Mai 1822 wird Julius Haast in Bonn geboren. In seiner 18.662 Kilometer Luftlinie entfernten Wahlheimat Christchurch kennt den Geologen noch heute jedes Kind.

Johann Franz Julius Haast ist eines von neun Kindern des Bonner Schneiders und Lotterieeinnehmers Mathias Haast und dessen Frau Anna Eva Theodora. Sein Elternhaus liegt in der Bonngasse schräg gegenüber der heutigen Namen-Jesu-Kirche. Die meisten Geschwister werden nicht alt. Johann, der sich erst später Julius rufen lässt, drückt auf dem heutigen Beethoven-Gymnasium die Schulbank. Einen Abschluss schafft er nicht und wechselt wohl deshalb frühzeitig auf die Höhere Bürgerschule in Köln. Ohne Berechtigung zum Studium geht er für zwei Jahre vermutlich bei einem Chemikalienhändler in Bonn in die Lehre und fängt in dieser Zeit wohl auch selbst an, Mineralien zu sammeln. Gut möglich, dass er einige Vorträge zu geologischen Themen bei Johann Jacob Noeggerath und Ernst Heinrich Carl von Dechen an der Universität besucht. Eingeschrieben ist er jedenfalls nicht.

Unstet geht er auf Reisen

Eine akademische Karriere scheint für den Bonner Jung damit nicht vorgesehen. Unstet geht er auf Reisen. In Belgien wird er Meister einer Freimaurer-Loge. In Frankfurt am Main verkauft er Blumen, später Bücher in der Jügel’schen Buchhandlung. Er lässt seine Gesangsstimme schulen und nimmt Geigenunterricht. So findet er auch seine erste Frau Antonie, Auguste, Caroline Schmitt, die Tochter eines Komponisten. Ein Sohn wird geboren. Eine bürgerliche Existenz scheint möglich.

Dann allerdings kommt es 1857 zur Wende in Haasts Leben. Die Buchhandlung, für die er tätig ist, soll für die Londoner Reederei Willis, Gann & Co ein Buch ins Deutsche übersetzen: „New Zealand. The Britain of the South“. Haast übernimmt die Aufgabe. Zum Druck kommt es wohl nicht, aber die Reeder, die gerne deutsche Auswanderer als Kunden gewinnen möchten, schicken den Übersetzer selbst für eine Werbeaktion ans andere Ende der Welt.

Viel zu verlieren hat Haast offenbar nicht. Ohne Frau und Kind und fast ohne Lebewohl segelt er Hals über Kopf von dannen. Er wird auch nicht zurückkehren, nachdem seine Frau im nächsten Jahr verstorben ist. Drei Tage vor Weihnachten 1858 erreicht er Auckland. Ein Glücksfall: Nur einen Tag später landet der schwäbische Geologe Ferdinand von Hochstetter in der Stadt. Er soll ein Kohlevorkommen in der Nähe begutachten. Haast nimmt er mit. Bei Kohle bleibt es nicht. Die beiden Männer schauen sich Goldfelder an und Kupferadern. Ohne koloniale Interessen dürfen die Deutschen auch heilige Orte der Maori besuchen. Haast lernt viel dazu.

In der abgelegenen Kolonie ist er bald ein gefragter Experte, nachdem Hochstetter abgereist ist. Haast wird nicht nur offiziell mit der weiteren Erkundung der Südalpen betraut und erkundet dabei als erster Europäer den später nach ihm benannten Haast-Pass, eine alte Verbindungsroute der Maori. Erst 1965 wird dort eine Straße angelegt. In Christchurch füllt seine geologische und paläontologische Sammlung von fast 8000 Stücken bald das eigens gegründete Canterbury Museum. Darunter sind auch die riesigen Knochen zwei Meter hoher flugunfähiger Moas, die Haast in einer Höhle birgt. Dazu kommen die Überreste eines ausgestorbenen Adlers mit einer Flügelspannweite von mehr als drei Metern und einem Gewicht von bis zu 18 Kilogramm. Später wird der Riesengreif Haastadler getauft werden.

Der einstige Nobody aus Bonn wird Museumsdirektor. Er gestaltet mit einer geschickten Tauschpolitik ein Museum von Weltrang. Später gründet er mit dem rührigen Bischof Hen­ry John Chit­ty Har­per in Christchurch ein College und wird dort Professor. Dass er zwecks einer Promotion an der Uni Tübingen seine Schullaufbahn in Bonn schönt und dort ein angebliches Studium der Nationalökonomie einfügt, bleibt eine biographische Randnotiz. Auch als Gelehrter ist Haast sich für keine noch so haarsträubende Expedition zu schade, bis schwere Rheuma-Anfälle ihn schließlich daran hindern. 

Haast heiratet erneut, diesmal die Tochter eines Ingenieurs, und bekommt fünf Kinder. Er wird, obgleich längst britischer Staatsbürger, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Senckenberg-Gesellschaft. Er wird Ehrendoktor in Cambridge und Queen Viktoria schlägt ihn zum Ritter. Nur das Rheinland sieht der nunmehr geadelte Julius von Haast, der 1887 im Alter von 65 Jahren plötzlich stirbt, nicht wieder. Aber einer seiner Söhne kommt Jahre später zum Studium an die Kunstakademie Düsseldorf. Die Auswanderung weiterer Deutscher nach Neuseeland hat Haast in seinem Bericht für die Reederei Willis, Gann & Co übrigens nicht empfohlen.

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