Stadt Bonn Kämmerer Ludger Sander verhängt sofortige Haushaltssperre

BONN · Die Stadt Bonn muss den Gürtel noch enger schnallen als bisher angenommen. Damit die Bundesstadt nicht in den Nothaushalt gerät und sämtliche Handlungsspielräume an die Bezirksregierung Köln abtreten muss, zog Stadtkämmerer Ludger Sander jetzt die Notbremse.

Bonns Stadtkämmerer Professor Ludger Sander verfügte am Mittwoch eine Haushaltssperre für den städtischen Doppelhaushalt 2013/14. Der oberste Kassenwart der Stadt beruft sich dabei auf die NRW-Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO).

Danach darf eine Gemeinde im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung nur noch Ausgaben tätigen, "zu denen sie gesetzlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Ausgaben unaufschiebbar sind". Grund für die Haushaltssperre ist der von Sander aktuell prognostizierte drastische Anstieg des Fehlbetrags im Haushalt 2013 von 57 auf 85 Millionen Euro und in 2014 von 43 auf 98 Millionen Euro.

Der Schritt Sanders ist eine Maßnahme, um das Abrutschen Bonns in den Nothaushalt zu verhindern, womit die Stadt ihr finanzpolitisches Zepter an die Bezirksregierung in Köln abgeben würde. Was das bedeutet, hatte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) vor einem Jahr verdeutlicht: "Ständig nach Köln reisen, um zu fragen, ob wir denn dieses oder jenes machen dürfen - bis hin zur Anschaffung eines Faxgerätes." Einen solchen Nothaushalt will im Stadtrat natürlich niemand. Aber gleichzeitig schwächeln die Volksvertreter seit Jahren in der schwierigsten aller politischen Disziplinen - dem Sparen.

Was hat den scheinbar plötzlichen Ernst der Lage verursacht? Der Stadtkämmerer nennt verminderte Gewerbesteuer-Einnahmen um 22,3 Millionen Euro (prognostiziert waren 208,5 Millionen Euro), geringere Schlüsselzuweisungen sowie Mehraufwendungen bei den Sozialausgaben als Hauptgründe.

Wie die Stadt Bonn kurfristig sparen will:

Da Bonn bereits in 2012, so Sander, mehr als fünf Prozent seines Eigenkapitals verzehrt habe, wäre Ende 2013 "die Aufstellung eines Haushaltsicherungskonzept (HSK) notwendig". Deshalb macht er jetzt eine Vollbremsung. Eine Haushaltssperre bedeutet unter anderem:

  • Für alle frei werdenden Stellen wird eine Wiederbesetzungssperre von einem Jahr verhängt und alle bisherigen Ausnahmen von dieser Regel, etwa für Kindergärten oder Feuerwehr, werden gestrichen.
  • Alle städtischen Dienstreisen bedürfen in Zukunft einer Extraprüfung durch die zuständigen Dezernenten.
  • Sollte die Stadt in einem Bereich mehr einnehmen als geplant, so sind diese Mehrerträge grundsätzlich zur Reduzierung des Haushaltsdefizits einzusetzen.
  • Auch Zuschussempfänger müssen zittern: Ab 2014 wird drastisch gekürzt. Ausgezahlt werden nur noch maximal 80 Prozent der Zuschüsse. Über Ausnahmen entscheidet der Verwaltungsvorstand.
  • Auf neue freiwillige Leistungen wird verzichtet, bestehende werden schrittweise reduziert.

Harte Zeiten also für Bonn. Doch so überraschend ist die Entwicklung nicht. Schon seit Jahren gehören "dramatisch" und "besorgniserregend" zu den häufigsten Vokabeln des Stadtkämmerers. Im vergangenen Jahr hatte Sander den Sicherheitspuffer - die Grenze zum Nothaushalt - mit 869 627 Euro beziffert. Das klingt viel, ist aber bei einem Eine-Milliarde-Haushalt nicht mehr als ein Wimpernschlag. Allein ein leichtes Steigen der Zinsen hätte den Puffer aufgefressen.

Damals kritisierte die CDU-Grünen-Ratsmehrheit die Warnung des Kämmerers als "übertrieben": Er habe Ausgaben zu hoch und Einnahmen zu gering angesetzt. Dahinter steckt der Verdacht, dass auch eine Stadtkämmerei mit Zahlen Politik macht. Doch bei allem Streit um das in 17 Produktgruppen und etwa 150 Unterkonten gegliederte städtische Einnahme-Ausnahme-Gebaren ist ein Trend unverkennbar: Bonns Schulden wachsen und das ominöse Eigenkapital, die beleihungsfähigen Sachwerte (Ampeln, Gebäude, Grundstücke, Kläranlagen), schrumpft. Immer mehr muss die Stadt für den Kapitaldienst ausgeben. Schon 2010 meldete das Presseamt: "Täglich muss die Stadt 250.000 Euro für Zins und Tilgung aufbringen."

Reaktionen

Klaus-Peter Gilles (CDU) und Peter Finger (Grüne): "Diese Entwicklungen sind vom Stadtrat nicht oder nur geringfügig beeinflussbar. Lediglich der Betriebskostenzuschuss an das Städtische Gebäudemanagement wäre demnach im Haushalt änderbar, betrifft dann aber gleich die erforderlichen Investitionsmaßnahmen im Kindergarten- und Schulbereich. Wir brauchen für eine eigene Einschätzung die genauen Daten. Dies bezieht sich sowohl auf die Aufwendungen als auch die Erträge, um eine sachliche Abwägung treffen und unter Umständen eigene Strategien einbringen zu können. Nur die Gesamtschau auf den Haushalt ermöglicht uns hier Entscheidungen."

Bärbel Richter (SPD): "Die SPD-Fraktion bedauert, dass die Haushaltslage der Stadt Bonn eine solch drastische Maßnahme des Kämmerers nötig macht. Allerdings weisen wir darauf hin, dass die Ratsmehrheit alle Vorschläge, die nicht aus ihren Reihen kamen, abgelehnt hat, obwohl wir ihnen die Hand gereicht hatten, einen gemeinsamen Weg aus dieser schwierigen Situation zu suchen. Stattdessen haben sie Gutachten erst beauftragt und dann in den Wind geschossen und Vorschläge zur nachhaltigen Substanzerhaltung abgelehnt."

Werner Hümmrich (FDP): "Die Haushaltssperre ist ein Offenbarungseid für die verfehlte Finanzpolitik von Schwarz-Grün. Die Quittung für diese unverantwortliche Politik ist nun die Haushaltssperre, die zahlreiche für Bonn dringend notwendige Maßnahmen in ihrem Bestand gefährdet."

Jürgen Repschläger (Linke): "Die Haushaltssperre ist vor allem eine Auswirkung der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land, die die Linksfraktion stets kritisiert hat. Vor diesem Hintergrund muss der Verzicht der Bundes-SPD auf die versprochene Erhöhung des Spitzensteuersatzes als unverantwortlich kritisiert werden."

Bernhard Wimmer (Bürgerbund Bonn): "Die Mehrheit des Stadtrats hat eine verantwortungslose Finanzpolitik getrieben, indem ständig neue Ausgaben beschlossen wurden. So fährt man die Finanzen der Bundesstadt Bonn in voller Fahrt vor die Wand."

Christoph Busch, Personlrat der Stadt Bonn: "Jetzt sind Politik und Verwaltungsspitze gefordert, den Menschen in Bonn ehrlich zu sagen, welche Leistungen mit welchen Standards möglich sind. Wenn keiner der Verantwortlichen mit Blick auf den nächsten Wahltermin den Mut hat, ehrliche Antworten zu geben, dann wird auch die Wirkung dieser haushaltswirtschaftlichen Sperre schnell verpuffen."

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