Landgericht Bonn Kanaldeckel wurde zur Stolperfalle

Bonn · Die Stadt Bonn zahlt 300 Euro an eine 67-jährige Rentnerin, die im Mai 2015 auf dem Bürgersteig an der Provinzialstraße über einen Kanaldeckel gestolpert ist. Einen entsprechenden Vergleichsvorschlag machte am Mittwoch das Bonner Landgericht.

 Das Landgericht Bonn.

Das Landgericht Bonn.

Foto: picture alliance / dpa

Es war heller Tag, als eine 67 Jahre alte Bonnerin mit mehreren Tüten bepackt den Bürgersteig an der Provinzialstraße in Lengsdorf mit schnellen Schritten entlangging. Sie war auf dem Weg zu einem älteren Ehepaar, dem sie die Einkäufe bringen wollte. Den leicht erhöhten Kanaldeckel mitten auf dem Bürgersteig hatte die Rentnerin noch wahrgenommen, aber nicht die Falle, die davor lauerte.

Denn die Pflastersteine vor dem umrandeten Kanaldeckel waren abgesenkt. In diese Senke trat die Rentnerin hinein und blieb beim nächsten Schritt mit der Fußspitze am Rand des Kanaldeckels hängen. „Da bin ich gestolpert und gestolpert, fand keinen Halt mehr – und platsch! Ich habe voll mit dem Gesicht abgebremst“, sagte die Frau am Mittwoch vor dem Bonner Landgericht, das in dem Zivilfall zu urteilen hatte.

Nach dem bösen Sturz am 7. Mai 2015 hat die 67-Jährige die Stadt Bonn wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf 3500 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Durch die unerwartete Senke im Pflaster gäbe es an dieser Stelle einen Höhenunterschied von fünf Zentimetern. Auch ihre Verletzungen waren dramatisch: Offene Platzwunden und Blutergüsse im Gesicht, Hautabschürfungen am ganzen Körper, auch Brille und Zähne haben durch den Aufprall gelitten. Wochenlang sei ihr Gesicht nur Schmerz gewesen.

Ob die Senke vor dem Kanaldeckel tatsächlich eine Gefahrenquelle war, für die die Stadt zivilrechtlich haften muss, daran hatten die Richter der 1. Zivilkammer am Mittwoch große Zweifel. Wenn die Klägerin nicht so bepackt und die Augen genügend offen gehalten hätte, hätte sie den Sturz vermeiden können, meinte Kammervorsitzender Stefan Bellin. Damit habe sie den Unfall erheblich – bis zu 90 Prozent – mitverschuldet.

Allerdings sei dies ein Fall, über den man durchaus nachdenken könne. Bellin: „Wenn ein Bürgersteig vorwiegend plan ist, muss ich mit einem solchen Ausreißer rechnen? Oder darf ich mich auf den Gehkomfort verlassen?“ Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien am Ende schließlich auf einen Vergleich: Die Stadt Bonn zahlt eine Entschädigung von 300 Euro an die Rentnerin.

Der dramatische Unfall mit Kanaldeckel war sogar von der Polizeiwache Duisdorf aufgenommen worden, die Staatsanwaltschaft Bonn hatte zunächst sogar ein Ermittlungsverfahren gegen die Stadt eingeleitet: wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Immerhin hatten Anwohner erzählt, dass an dieser Stelle schon so mancher ins Stolpern geraten war.

Fünf Monate nach ihrem Sturz hat die Stadt Bonn auch mit Asphalt reagiert: Der Höhenunterschied zwischen Pflaster und Kanaldeckel wurde „ausgebessert“.

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