GA-Serie: "Bonn schreibt ein Kinderbuch" Kapitel drei: Begegnung mit Stethoskop und Spritzen

Beim Gesundheitsamt. Hauptfigur Sima, die mit der Familie ihres Onkels aus Syrien geflüchtet ist, erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht.

Am nächsten Morgen freute ich mich schon auf die Schule, und ganz besonders auf Paula. Doch noch vor dem Frühstück kam mein Onkel zu mir und sagte, dass ich heute nicht in die Schule gehen würde, sondern zu einem Arzt. Ich bekam einen Schreck!

In Syrien ging ich nur zum Arzt, wenn ich krank war, und dann war immer Mama bei mir gewesen. Ich war aufgeregt, als ich kurz darauf in einen Bus stieg, in dem noch andere syrische Kinder saßen. Mein Onkel erklärte mir: „Ihr fahrt jetzt zum Gesundheitsamt und werdet untersucht. Hab keine Angst!“

Also wollte ich ganz tapfer sein. Im Gesundheitsamt gab es lange Flure. An den Wänden standen Stühle, auf denen viele Kinder saßen. Ein Junge, der etwas älter war als ich, rannte mit einem Buch umher. Erst sprach er arabisch, dann zeigte er in das Buch und sagte etwas, das ich nicht verstand.

Als er mich entdeckte, stellte er sich vor: „Ich bin Karim.“ Ich war froh, dass er arabisch sprach, so fühlte ich mich gleich ein wenig sicherer. „Und ich bin Sima“, antwortete ich.

Er reichte mir das Buch, in dem es viele Bilder gab. „Das ist mein Wörterbuch, damit zeige ich Wörter, die ich noch nicht auf Deutsch sagen kann. Aber eigentlich kann ich schon ganz viel. Hör mal!“

Er zeigte auf ein Bild und sagte das Wort und ich lernte von ihm „Hose“, „Ball“, „Hund“, „Haus“ und „Arzt“. Das machte großen Spaß.

Als mein Name gerufen wurde, erstarrte ich vor Schreck. Eine Ärztin holte mich in einen hellen Raum. Jetzt war ich ängstlich und bekam so große Sehnsucht nach meiner Mama, dass ich weinen musste. Die Ärztin war freundlich, aber ich verstand nicht, was sie sagte. Ich konnte nicht aufhören, zu weinen. Nach kurzer Zeit verließ sie den Raum, und als sie zurückkam, war Karim bei ihr.

Er lächelte mich an und klopfte auf das Buch. Da wurde ich ruhiger. Karim zeigte eine Seite, auf der Gegenstände aus einem Krankenhaus abgebildet waren. Er tippte auf ein Bild und die Ärztin nickte oder schüttelte den Kopf. Da verstand ich, was passieren sollte.

Am meisten fürchtete ich mich vor einer Spritze. Ich zeigte auf das Bild. Da lachte die Ärztin und winkte ab. Karim übersetzte: „Die Ärztin untersucht dich nur. Du bekommst keine Spritze!“ Ich atmete erleichtert aus. Puuh! Ich sah, wie gut Karim schon alles verstand. Er lächelte oft und da wusste ich, dass alles nicht schlimm würde. Die Ärztin sah mir in den Hals und in die Ohren und ich wurde gemessen und gewogen.

Dann zeigte Karim mir ein Gerät mit Kopfhörern und sagte: „Gleich drückst Du einen Knopf, wenn Du einen Ton hörst.“ Das war leicht und die Ärztin hob beide Daumen. Zuletzt sollte ich meinen Pulli hochheben. Das wollte ich nicht, weil Karim zusah. Er merkte es und hielt sich die Augen fest zu. Ich atmete so, wie die Ärztin es mir vormachte.

Sie erklärte dann ein ganz schwieriges Wort und als Karim es zwei Mal wiederholte, versuchte ich es auch. „Ste-thos-kop“, sagte ich ganz stolz und wurde rot, als beide klatschten.

„Du bist gesund!“, übersetzte Karim endlich. Die Untersuchung war zu Ende. Ich war erleichtert, weil es gar nicht schlimm gewesen war. Die Ärztin hängte Karim das Stethoskop um den Hals und sagte zu ihm: „Kleiner Arzt“.

Da lachten wir alle.

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