GA-Serie: "Bonn schreibt ein Kinderbuch" Kapitel sieben: Angekommen in Bonn

Angekommen in Bonn. Hauptfigur Sima, die mit der Familie ihres Onkels aus Syrien geflüchtet ist, erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht.

Seit ich mit meinem Onkel, meiner Tante, meiner Cousine und meinem Cousin aus Syrien geflüchtet war, hatte ich viel erlebt. Eigentlich glaube ich, dass ich noch nie so viel erlebt habe, wie in dieser Zeit.

Es waren viele schlimme Dinge dabei. Am schlimmsten war der Moment, in dem ich mich von meiner Familie trennen musste und ganz ohne Mama und Papa und ohne meine Geschwister unser Land verlassen habe. Ich war vorher nie irgendwo anders als Zuhause gewesen.

Wir waren in Ägypten, wo es ein bisschen wie Zuhause war, aber da waren wir noch nicht angekommen. Wir waren in Malta, wo es ein bisschen weniger so wie Zuhause war, da waren wir auch nicht angekommen. Jetzt waren wir in Deutschland, wo es ganz anders als Zuhause war.⋌

Aber waren wir angekommen? War Bonn mein neues Zuhause? In Bonn hatte ich viele schöne Dinge erlebt. Der erste Schultag mit unserer netten Lehrerin und den vielen neuen Wörtern, von denen mir ganz schwindelig geworden war.

Der Tag auf dem Gesundheitsamt, an dem ich viele Fachbegriffe gelernt hatte und Karim mir beim Übersetzen half. Die Begegnung mit Toffy, dem Schulhund, der mir meine Angst vor Hunden nahm. Der Ausflug in die Stadt mit Eis, Luftballons und dem witzigen Bröckemännche. Und natürlich – und das war das Allerbeste – meine neue Freundin Paula, mit der ich nicht nur gut Fußball spielen konnte, sondern mit der auch alles andere viel mehr Spaß machte.

„Du bist jetzt schon eine ganze Weile hier“, fragte mich Paula jetzt, als wir in der großen Pause unsere Schulbrote aßen. „Was gefällt dir am besten?“ Das war eine schwierige Frage, denn ich hatte viele schöne Dinge erlebt. Aber eigentlich musste ich nicht lange nachdenken, um die Antwort zu wissen. Ich zeigte auf Paula. „Du!“

Dann wurde mir ganz warm im Gesicht, und Paula und ich mussten so laut lachen, dass wir uns fast verschluckten. Dann wurde Paula aber wieder ernst. „Und was wünscht du dir am meisten?“ Diese Frage war noch einfacher als die erste. „Meine Familie wiederzusehen“, antwortete ich. Und da wurde es mir wieder warm, aber nicht im Gesicht, sondern im Bauch.

Ich vermisste Mama und Papa und meine Geschwister so sehr. „Sie kommen bestimmt bald nach“, versicherte Paula mir, und ich blinzelte sie an. Dann schloss ich meine Augen und presste meine Hand ganz fest auf mein Herz. „Das wünsche ich mir“, sagte ich. Ich wünschte mir, dass wir eines Tages wieder alle zusammen sein könnten. Mama, Papa, mein kleiner Bruder Karim und meine Schwester Sahar, meine Tante Saida mit meinen Cousins und Cousinen, Opa und Oma.

Ich wünschte mir, dass wir zusammen in Sicherheit wären und dass niemand mehr Angst haben musste. Ich wünschte mir, dass wir eines Tages endlich ankommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort