Schließung in Bonn Nur wenige Karstadt-Mitarbeiter haben eine neue Stelle gefunden

Bonn · Karstadt in Bonn schließt zum 17. Oktober. Manche Mitarbeiter sind verärgert und enttäuscht. „Jetzt ist mir alles egal“, sagt eine Frau. Laut dem Vermieter der Immobilie laufen indes Gespräche mit Mietinteressenten.

 Schon am Eingang werden Karstadt-Kunden mit dem nahen Abschied begrüßt.

Schon am Eingang werden Karstadt-Kunden mit dem nahen Abschied begrüßt.

Foto: Stefan Hermes

Paul Dederich klingt verbittert: „Karstadt ist jetzt ein Ramschladen geworden. Das ist nicht mehr mein Laden.“ Der 61-Jährige arbeitet seit mehr als 44 Jahren für das Bonner Kaufhaus an der Poststraße. Trotz seines Unmuts drapiert und pflegt er unbeirrt die Reste der noch vorhandenen Herrenkonfektion in der ersten Etage. „Was soll man sonst auch tun“, sagt Frau Schäfer, die auf seltsam abwesende Weise zwischen den Kleiderstangen Hosen auf Bügeln ausrichtet. „Jetzt ist mir alles egal“, sagt sie. Zu Anfang sei sie „geschockt“ gewesen. Als sie sagt, dass sie sich mit der Schließung des Hauses abgefunden hätte, werden ihre Augen dennoch feucht.

Tragisch sei es vor allem, als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende die Existenzängste der Mitarbeiter zu erfahren. Es gebe ja nur wenige der vorwiegend jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die bereits eine neue Stelle gefunden hätten. „Vielleicht zehn“, schätzt sie.

Mit 26 Jahren ist Frau Müller eine davon. Sie begann vor acht Jahren ihre Ausbildung bei Karstadt. „Im Einzelhandel habe ich jetzt keine Chance mehr, etwas zu finden. Jetzt fange ich in einem Büro an.“ Sie mache sich keine Sorgen um ihre Zukunft. Sie sei ja noch jung. Was ihr jedoch bald fehlen werde, sei die „Familie“. Man halte untereinander zusammen. Das sei immer noch ein sehr schönes Gefühl.

Auch Dederich spricht von der „Familie“, die ihm in den Jahren immer wichtiger geworden sei. Bald werde er viele vermissen. „Eigentlich mache ich zum dritten Mal den Stress durch“, so Dederich. Gelernt hatte er in dem Kaufhaus, als es noch Hertie hieß. Schon 1994 bei der Übernahme durch Karstadt wusste man nicht, ob alles so bleiben würde, wie es war. Und dann übernahm 2011 der Investor Berggruen den marode gewordenen Karstadt-Konzern. Die Hoffnungen, die man in den amerikanischen Milliardär setzte, zerschlugen sich jedoch allzu schnell. Er teilte den Konzern und entpuppte sich als Heuschrecke.

„Eigentlich war doch seit Berggruen klar, dass hier nichts mehr läuft“, ist sich die Verkäuferin in der Gold und Schmuck-Abteilung sicher, die am 1. November ihr 30. Arbeitsjubiläum bei Karstadt hätte feiern können, wenn sie nicht bereits zum 31. Oktober gekündigt worden wäre. „Das war doch alles so gewollt“, sagt sie. Ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Die Tatsache, dass seit gut zehn Jahren nichts mehr in die Renovierung des Bonner Hauses investiert worden sei, ist für die 58-jährige Fachverkäuferin das klare Indiz dafür, dass man das Haus längst vor der offiziellen Bekanntgabe aufgegeben hatte. Ihr Kollege Dederich ist dagegen der Überzeugung, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Bonner Haus gestimmt hätten. „Umso mehr sind wir verärgert, dass der Standort geschlossen wird.“

Es habe alle Kollegen „ziemlich erschüttert“, dass selbst das Angebot einer 50-prozentigen Senkung der Miete durch die Stadt als Verpächter und die Aachener Grundvermögen als Vermieterin für das Haus nicht zum Fortbestand geführt habe. Trotzdem sehe er seiner Zukunft entspannt entgegen. Wie einige seiner Kollegen auch, gehe er nun erst einmal ein halbes Jahr in die Transfergesellschaft. „Danach werde ich voraussichtlich zwei Jahre arbeitslos sein und dann mit Abzügen in die Rente gehen“, so der Chef der ersten Etage. Die dritte und vierte Etage ist bereits mit weiß-rotem Flatterband abgesperrt.

 Der Blick durchs Fenster zeigt, dass die Regale weitgehend leer sind.

Der Blick durchs Fenster zeigt, dass die Regale weitgehend leer sind.

Foto: Stefan Hermes

Die englische Beratungsfirma Gordon Brothers hat seit dem 20. Juli die Ausverkaufsregie übernommen. Mit Schildern wie, „Wir schließen – alles muss raus“ begann der Schlussverkauf, an den sich insbesondere die Angestellten an den Kassen nur ungern erinnern. „Es war die Hölle“, sagt eine von ihnen. „Hätte Bonn mal vorher so bei uns eingekauft, dann wäre das alles nicht passiert“, fügt sie enttäuscht hinzu. Langsam lichten sich die Etagen und Regale. Nur die Rabattschilder werden immer größer. 70 Prozent Nachlass gibt es jetzt nicht nur auf Oster-, Weihnachts- und Karnevalsartikel.

„Ich finde es einfach nur sehr traurig“ sagt Kundin Beate Weule aus Alfter. Die Musikpädagogin hat soeben alle Schellenglöckchen in der Handarbeitsabteilung aufgekauft. „Karstadt war für mich immer der Ort, wo ich meine Stoffe, Bastel- und Handarbeitsartikel fand.“ Nun fühle es sich nicht gut an, den Ausverkauf mitzumachen, der für die Mitarbeiter das Aus bedeutet. Mit ungebrochen optimistischen Lachen begegnet dagegen Toilettenfrau Akuele Tseri aus Togo der nahenden Schließung. Sie freue sich darüber, in den drei Jahren, in denen sie für die Sauberkeit der Toiletten im vierten Stock gesorgt hat, viele nette Menschen unter den Karstadtkunden kennengelernt zu haben. 

Der Warenhauskonzern und seine Tochterunternehmen befindet sich mittlerweile auf dem Wege der Besserung. Das Amtsgericht Essen hat die Insolvenzverfahren aufgehoben. Allerdings bedeutet die Umsetzung der Sanierungspläne nicht nur für den Bonner Karstadt das Aus, sondern für mehr als 40 Geschäfte. Tausende Mitarbeiter sind entlassen worden.

Die Aachener Grundvermögen in der Poststraße hat offenbar noch keine Mietverträge mit einem oder möglichen Nachfolgern unterschrieben. Sprecherin Sonja Nees teilte zum aktuellen Stand der Verhandlungen mit möglichen Interessenten mit: „Wir befinden uns derzeit in intensiven Gesprächen mit Mietinteressenten für die Immobilie, ebenso mit Aldi und dem Drogeriemarkt dm.“ Sie betreiben im Untergeschoss Filialen. Zur künftigen Nutzung könne der Immobilienverwalter nichts sagen, es wäre „spekulativ“.

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