Kommentar zum Bonner Hauptbahnhof Kein feiner Zug

Meinung | BONN · Der Bonner Hauptbahnhof hat kaum Aufenthaltsqualität und ist ein Armutszeugnis. Die Stadt sollte auf die Bahn einwirken, wenigstens das seit einem Jahr geschlossene Foyer wieder nachts zu öffnen. Das ist das Minimum.

Früher galten Bahnhöfe als Kathedralen des Volkes. Vom Staat gebaut für seine Bürger – repräsentativ und vorzeigbar. Der Hauptbahnhof ist für die Bundesstadt Bonn eher ein Armutszeugnis. Die Aufenthaltsqualität ist schon tagsüber bescheiden und auf das Nötigste beschränkt: Kaffee, Zeitschriften und ein einzelner Mitarbeiter an der Information für die, die im Reisezentrum keine Nummer ziehen wollen. Immerhin wurde die WC-Anlage saniert. Doch dass die Deutsche Bahn, immerhin ein Bundesunternehmen, jetzt Bauarbeiten zum Anlass nimmt, ihre Kunden und Passagiere abends förmlich vor die Tür zu setzen, ist kein feiner Zug.

Ja, es stimmt, in früheren Jahren lagen bisweilen Wohnungslose oder Gestrandete in den Ecken der Wartehalle. Und die Unannehmlichkeiten der unendlich scheinenden Arbeiten an Gleis 1 führen dazu, dass viele Reisende lieber auf dem Bahnsteig warten, um bei regelmäßig überfüllten Zügen vor allem zur Rushhour überhaupt noch einsteigen zu können. Aber das sollte keine Begründung sein, den quasi öffentlichen Raum eines Bahnhofs in einer Großstadt wie Bonn abends einfach zu verrammeln.

Gerüche nach schalem Bier, Urin und Erbrochenem ziehen je nach Wochentag mehr oder weniger intensiv durch die Unterführungen unterhalb der Gleise und Bahnsteige. Dort ist es zugig, und von Aufenthaltsqualität kann wohl ernsthaft keine Rede sein. Dort gibt es nicht einmal eine Zuganzeige, die über nicht eben seltene Verspätungen informiert. Der Zugang zur Stadtbahn ist zudem ebenfalls Baustelle. Eine brauchbare Alternative ist das also nicht.

Bonn braucht als Stadt mit internationaler Anbindung, mehreren Welt-Konzernen und dem Anspruch eines zweiten politischen Zentrums der Bundesrepublik einen Bahnhof, der Reisende zeitgemäß und sympathisch empfängt und verabschiedet. Dazu gehört als Minimum, dass auch Nachtschwärmer sich irgendwo sicher und ohne Bibbern aufhalten können. Wird der Bahnhof erst zum Angstraum für Rentner, Frauen oder andere Menschen, ist der Imageschaden nur schwer wieder zu beheben. Die Stadt täte deshalb gut daran, die Bahn umgehend um eine Anpassung der Öffnungszeiten zu bitten.

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