Hinweise am Brassertufer Kein Hafen, aber eine Anlegestelle

BONN · Die Löwin hat die Ohren angelegt. Sie liegt am Boden, ist aber bereit loszusprinten. Die gestreckten Vorderläufe sind im Vergleich zum Gesamtkörper der Figur zwar zu groß geraten, doch das ist der Doppelöse geschuldet, die die kleine Tierplastik aus Bronze zwischen den Pfoten hält.

 Heute: Der Alte Zoll.

Heute: Der Alte Zoll.

Foto: Volker Lannert

"Ösen, durchbohrte Endplatte und Furche erklären die Funktion des Objektes. Es diente als Griff eines Mehrzweckgerätes, ähnlich einem heutigen Schweizer Messer", erklärt Heike Kennecke vom Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn.

Die Archäologin sucht nach Spuren römischer Hafenanlagen am Rhein. Und den Griff dieses frühzeitlichen Taschenmessers haben Forscher bei Grabungen am Brassertufer entdeckt. So wie zwei Silbermünzen lag es über Pflastersteinen im Rhein. Befand sich hier, praktisch auf Höhe der Giergasse, etwa dort, wo die Anlegestelle der Köln-Düsseldorfer ist, einst ein römischer Hafen?

Die kleine Bronzefigur einer Löwin und die beiden Münzen fand man in der eingetretenen Schmutzschicht. Ähnliche Plastiken hatte man schon andernorts entdeckt und anhand der dabei gefundenen Holzkohle aufs 2. Jahrhundert datieren können. Bei der einen Münze handelt es sich um einen "As der Faustina minor", geprägt 176 nach Christus. Die andere Münze ist ein "subaerater Denar" aus der Regierungszeit Trajans (99 bis 117 nach Christus) oder Hadrians (117 bis 138).

Ein Hafen, so wie man ihn sich mit befestigter Anlegestelle vorstellt, war es wohl weniger. Man habe eher Hinweise auf eine römische Anlandestelle entdeckt, meint Kennecke. Dieses befand sich am südlichen Rand der zum Legionslager gehörenden Lagervorstadt. "Das damalige Ufer war flacher und breiter. Ein Anlanden mit einfachen Booten war ohne umfängliche Hafenbauten möglich", erläutert der Archäologe Gary White, mit dem Kennecke jetzt einen ersten Bericht über ihre Arbeit veröffentlicht hat. Eine Anlegestelle am Brassertufer sei lange vermutet worden.

Nach Studium alter Rheinstromkarten, Quellen, Vergleich mit anderen Hafenanlagen und Messungen mit Flachwasser-Sonar hatten die Forscher schon eine erste Vorstellung, wie es an dieser Stelle des Rheinufers ausgesehen haben muss. Bei Ausgrabungen hinter der Oper, wo einst die eigentliche Bonner Altstadt war, machte man Schichten aus, die die Forscher auf eine Anlegestelle hinwiesen: Über eine Fläche von etwa 13,5 Metern mal 15 Metern war eine 15 Zentimeter dicke Kieslage auf schluffigem Sand geschaffen und das damals natürliche Gefälle des Rheins aufgegriffen worden.

Diese Schräge war schließlich mit Steinen befestigt und ragte bis in den Rhein hinein. Die Forscher entdeckten auch drei in einer Reihe sitzende Pfosten von 40 Zentimetern Durchmesser und eine etwa einen Quadratmeter große Grube, die mit Ziegel- und Fachwerkschutt verfüllt war. Außerdem befanden sich drei weitere schmalere Pfosten im Erdreich. Es muss also Überbauungen gegeben haben. Was das für welche waren, wird wohl ein Rätsel bleiben. Der Rhein lag damals gut 1,60 Meter tiefer als heute, das Ufer war ebenfalls flacher, so dass an dieser Stelle wohl Boote und kleinere Schiffe bequem ans Ufer gezogen werden konnten.

Zweifellos habe es im Umkreis von Bonn weitere Schiffs- und Bootsanlandestellen gegeben. Die Existenz eines direkt am Legionslager vermuteten Hafens werde noch geprüft, es gebe aber erste Hinweise darauf, so Kennecke. Das quadratische Legionslager befand sich im heutigen Bonner Norden, vis à vis der Siegmündung. Eine weitere Anlandestelle gab es wahrscheinlich bei der sich südlich an die canabae legionis anschließenden Zivilsiedlung, dem Bonner vicus, so die Archäolgen. Das befand sich im Bereich des heutigen Langen Eugen und des WCCB. "Dort wurde bei einer großflächigen Untersuchung eine kiesgepflasterte Straße entdeckt, die entlang eines öffentlichen Bades sowie mehrerer Handwerkerhäuser innerhalb einer natürlichen Geländerinne zum Rhein und damit wahrscheinlich zu einem Schiffs- und Bootsanlandeplatz führte", folgern Kennecke und White.

Wie berichtet, haben Archäologen kürzlich auf der Baustelle des WCCB einen "sensationellen Fund" gemacht - laut Ausgrabungsleiter Cornelius Ulbert sogenannte Pfostengruben. In Höhe des WCCB-Hotels muss gegen Ende des ersten Jahrhunderts ein 14 Mal 20 Meter großer überdachter Saal gestanden haben.

Häfen und Anlegestellen aus römischer Zeit am Rheinufer nachzuweisen, sei ziemlich schwierig, meinen die Forscher. Denn Ende der Römerzeit sind die meisten Anlagen verschwunden. Am Brassertufer gab es aber wohl später noch einen Hafen: südlich der römischen Anlegestelle in Höhe des Alten Zolls. Das zeigen jedenfalls alte Ansichten Bonns. Wann dieser errichtet wurde, liegt laut Kennecke allerdings noch im Dunkeln.

Publikation: Heike Kennecke (Hrsg.): Der Rhein als europäische Verkehrsachse. Die Römerzeit, Bonner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie, Band 16, 54,80 Euro

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