"Je suis Charlie" Klare Worte beim Freitagsgebet
BONN · Das Attentat auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" war auch in den Bonner Moscheen beim gestrigen Freitagsgebet das beherrschende Thema. Imame verurteilten den Anschlag aufs Schärfste und bezeichneten ihn als mit dem Islam unvereinbar.
"Je suis Charlie" - den Solidaritätsspruch mit den ermordeten Karikaturisten und Journalisten ruft ein Jugendlicher im modischen Anorak nach dem Freitagsgebet in der Al-Muhajirin-Moschee an der Brühler Straße über den Vorplatz, wo sich der GA unter Gläubigen umhört. Nicht jeder will mit der Presse reden; das Misstrauen gegenüber den Medien sitzt tief, zu oft werde der Islam schlecht dargestellt, behauptet ein junger Mann im arabischen Gewand und mit längerem Bart.
Die anderen, gesprächsbereiten Muslime lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie das Attentat von Paris verurteilen. "Es gibt kein Recht, jemanden zu töten, auch nicht diese Karikaturisten", meint der aus Ägypten stammende Rentner Daha Kharan. Es gelte die Meinungsfreiheit: "Jeder kann sagen, was er will", so der 65-Jährige. "Das Attentat ist inakzeptabel. Es ist einfach eine Schande."
Der Vorsitzende der Al-Muhajirin-Moschee, Mahmoud Kharrat, hat schon vor dem Freitagsgebet in Bonns größter Moschee eine flammende Rede gehalten, in der er seine Abscheu gegen das Attentat kundtat. Wie jeden Freitag sind so viele Gläubige gekommen, dass längst nicht alle in den Hauptsaal mit seinen 400 Gebetsplätzen für die Männer passen. Weshalb auch im großen Festsaal nebenan und auf den Fluren viele weitere Muslime der gut halbstündigen Ansprache des Imams zuhören.
Weil dieser auf Arabisch spricht, fasst ein Gemeindemitglied anschließend auf Deutsch die Predigt in gekürzter Form zusammen. "Eigenschaft der Muslime ist es, weder in Wort noch Tat etwas Schlechtes zu tun. Alle Muslime leider unter dem, was Einzelne in Paris getan haben", sagt der Imam. "Wer so etwas tut, muss mit gewalttätigen Gegenreaktionen rechnen", warnt er und verweist auf Anschläge auf Moscheen, die bereits kurz nach dem Attentat in Paris passiert seien. An die Adresse der "Islamhasser" sagt der Imam, wer den Islam als solches verantwortlich für die Bluttat mache, sei unwissend. Er ermahnt dazu, sich früh genug mit gefährdeten Jugendlichen zu beschäftigen, um sie vom radikalen Weg abzuhalten.
Auch die Beleidigung des Propheten rechtfertige nicht eine solche Bluttat, meint später ein anwesender Jurastudent. "Schließlich gilt die Meinungsfreiheit." Und mit dieser Meinung steht der 20-Jährige nicht allein da. Es sei nicht Aufgabe eines Muslims, den Propheten - außer mit guten Argumenten - zu verteidigen, wenn er beleidigt würde, sagt Wahabzahd Nassir, 55. "Erst recht nicht, das brutal zu rächen." "Was in Paris passiert ist, ist Mord. Das gehört nicht zum Islam", findet auch Mohamed Akarkach. Wie andere Muslime äußert der 62-Jährige die Sorge, dass sich das gesellschaftliche Klima in Europa weiter verschlechtern könne: "Ich spüre Hass auf den Islam. Und dabei möchte ich hier nur in Frieden leben."
Ein junger Student zeigt gar in gewisser Weise Verständnis für Ressentiments gegenüber seiner Religion, "weil viele Nichtmuslime nach solchen Geschichten wie in Paris Angst haben". Er sieht vor allem die Moscheen in der Verantwortung, jungen Leuten den friedlichen Islam näherzubringen. "Die Moscheen müssten dazu mehr Leute einstellen, die Deutsch können. Doch leider scheitert das oft am Geld."
Als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet Abdelkader Zain, Imam der Al-Ansar-Moschee in Bad Godesberg, das Pariser Attentat. "Der Islam ist frei von solch barbarischen Taten", betont er vor den Gläubigen des Freitagsgebets. Auch wenn Muslime gegen Karikaturen ihres Propheten Mohammeds seien, rechtfertigten sie nicht ein solches Attentat, sagt der Imam, der zum verstärkten Dialog mit Nichtmuslimen aufruft. Denn die Gefahr sei groß, dass sowohl gewalttätige Extremisten als auch Islamfeinde wie Pegida weiteren Hass und Zwietracht säten. Die Muslime selbst müssten sich fragen, woher diese Form der Gewalt komme und wie man ihr mit Prävention begegnen könne.
In der Maxstraße zitiert Imam Zebur Yilmaz aus einer zentralen Erklärung des Moscheeträgers Milli Görüs. Darin wird das Attentat als Angriff auf die Werte Europas verurteilt. Das gesellschaftliche Klima drohe rauer zu werden. Umso wichtiger sei nun eine gelassene Diskussion zwischen Muslimen und Nichtmuslimen.