Bürgerentscheid Klares Bürgervotum: Wohnbauprojekt am Bonner Melbbad abgelehnt

Bonn · Mit einem klaren Votum haben sich die Bonner gegen den Bau von Förderwohnungen am Melbbad ausgesprochen. Beim Bürgerentscheid stimmten 77,2 Prozent mit Ja, also gegen eine Bebauung. Die Bebauungsgegner zeigten sich mehr als zufrieden mit dem Ergebnis.

 Achim Dehnen (l.) vom „Förderverein Melbbad“ und Kai Schröder von der Bürgerinitiative „Rettet das Melbbad“: Die Freude über das Ergebnis steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Achim Dehnen (l.) vom „Förderverein Melbbad“ und Kai Schröder von der Bürgerinitiative „Rettet das Melbbad“: Die Freude über das Ergebnis steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Foto: Benjamin Westhoff

Punkt 14.47 Uhr steht am Samstag das Ergebnis fest: 77,18 Prozent oder 74 955 Bonner haben für den Erhalt des Melbbads ohne eine Randbebauung gestimmt. Abgestimmt hatten 97 115 Bürger. Die Beteiligung lag damit bei 38,92 Prozent.

Seit Samstagmorgen 8 Uhr hatten 570 Wahlhelfer die abgegebenen Stimmen zum Bürgerentscheid Melbbad ausgezählt. Es ging um die Frage, ob am Rande des Melbbads zur Trierer Straße ein Wohnkomplex mit 85 Wohnungen entstehen darf oder nicht. Die Bürgerinitiative „Rettet das Melbbad“ hatte ausreichend Unterschriften für ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen die Bebauung gesammelt. Da der Stadtrat diesem Bürgerbegehren nicht folgte, kam es automatisch zum Bürgerentscheid mit der von der Initiative festgelegten Frage „Soll das Melbbad in seiner jetzigen Form ohne eine Wohnbebauung erhalten bleiben?“.

Die ersten Reaktionen

Ein deutliches Ergebnis, wie am Ende auch Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) enttäuscht feststellen muss. Sie hatte mit der Grünen Ratsfraktion sowie der SPD und CDU dafür gekämpft, damit die städtische Wohnungsbaugesellschaft Vebowag dort 85 geförderte Wohnungen bauen konnte. Sie sollten vor allem Pflegekräften und Auszubildenden der Uniklinik bereitgestellt werden. Schnell formierte sich Widerstand in der Bevölkerung, es gründete sich die Initiative „Rettet das Melbbad“ und auch die kleineren Fraktionen wie die Linken, der Bürger Bund Bonn und die FPD sprachen sich strikt gegen den Wohnungsbau dort aus. Für die früheren Grünen-Ratsfraktionsmitglieder Brigitta Poppe-Reiners und Hardy Lohmeyer war das Thema sogar mit ein Grund, nach heftigem Streit um den Posten des Bezirkbürgermeisteramtes im Stadtbezirk Bonn ihrer alten Fraktion den Rücken zu kehren und eine eigene Gruppe mit dem Namen Rhein-Grün zu gründen. Sie alle einte ihre Ablehnung der Randbebauuung aus ökologischen und sozialpolitischen Gründen. Dazu kam die Sorge, dass Wohnbau an der Stelle über kurz oder lang zu Konflikten zwischen Freibadbesuchern und Anwohnern führen könnten mit der Folge der Schließung des beliebten Bads.

Der Vorstandsvorsitzende der Bonner Unikliniken, Wolfgang Holzgreve, zeigt sich sehr enttäuscht. „Es ist nun umso wichtiger, dass wir bei der alten Poliklinik an der Wilhelmstraße weiterkommen.“ Dort ist ebenfalls Wohnbau geplant, den Angestellte des Klinikums nutzen könnten. Eigentümer ist der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. „Irgendwo müssen unsere Mitarbeiter leben können“, sagt Holzgreve. Vebowag-Chef Michael Kleine-Hartlage spricht von einer „klaren Sache“. Die Vebowag werde sich nun an anderer Stelle auf den Bau von Förderwohnungen konzentrieren und die Nachverdichtung eigener Liegenschaften aus den 50er Jahren angehen. „Das dauert natürlich seine Zeit“, sagt Kleine-Hartlage.

 Kai Schröder von der Bürgerinitiative „Rettet das Melbbad“ sagte, er sei „überwältigt“ von dem klaren Ausgang des Bürgerentscheids. „Für mich ist es auch ein klares Votum, dass Freibäder und Kaltluftschneisen in Bonn von einer Bebauung frei bleiben sollten.“ Auch Achim Dehnen, Vorsitzender des Förderverein „Unser Melbbad“, zeigte sich erfreut und sprach von einer „richtigen Klatsche“ für die Baubefürworter. „Wir freuen uns, dass das Melbbad als naturnahes Bad erhalten bleibt.“ Zugleich werde der Verein Gespräche mit der Stadt suchen, das Melbbad in der Freibadsaison 2021 doch noch zu öffnen. Noch im Oktober habe die Stadt ihm gegenüber das in Aussicht gestellt. Nach einem Unwetter im August schloss die Stadt das Bad und erklärte, es werde 2021 vermutlich aufgrund von Technikschäden nicht mehr öffnen können.

Wenn es nach Dehnen geht, sollte für die Öffnung eine kostengünstige Lösung gefunden werden und der Neubau der Sanitär- und Umkleideanlagen nach der Saison beginnen.

Für SPD-Sozialpolitiker Peter Kox war der Ausgang des Bürgerentscheids erwartbar „bei der polarisierenden Diskussion im Vorfeld“. Der Fokus bei den Melbbad-Freunden habe stets auf der Aussage gelegen, das Bad zu retten. „Das ist doch Kappes“, schimpfte Kox, der beruflich als Geschäftsführer des Mieterbunds tätig ist. „Das stimmte doch von vorne bis hinten nicht.“ Für den sozialen Wohnungsbau sei dieser Bürgerentscheid „ein Rückschlag“.

 Freude dagegen bei der Florian Bräuer (FDP) und Hardy Lohmeyer, die ebenfalls im Pressezentrum im Stadthaus die Auszählung verfolgen. Lohmeyer war Mitglied der Grünen-Ratsfraktion und gehört jetzt der neuen Gruppe „Rhein-Grün“ an, die er mit der ebenfalls abtrünnigen Grünen-Ratsfrau Brigitta Poppe-Reiners gegründet hat (der GA berichtete). Beide sind im Gegensatz zur Grünen-Ratsfraktion vor allem aus ökologischen Gründen gegen die Bebauung am Melbbad. „Wir brauchen sozialen Wohnungsbau, aber auch er muss ökologisch- und sozialpolitisch verträglich sein“, sagt Lohmeyer.  

FDP-Mann Florian Bräuer pflichtet ihm bei. Er nennt auch die Kosten für Rückbau und Altlastenentsorgung von 1,3 Millionen Euro, die die Stadt hätte tragen müssen. „Das war doch absurd.“  FDP-Ratsfraktionschef Werner Hümmrich freut sich ebenfalls: „Das ist ein klares klares Statement für die Stadt. Die Bonner hängen an ihrer Bäderlandschaft. Die Stadt muss jetzt zügig rangehen, dass das Bad wieder funktionsfähig wird.“  

"Das Ergebnis ist völlig unmissverständlich: Das Melbbad ist für sehr viele ein wichtiger Ort der Naherholung und des Sports, er soll nicht zugebaut werden. Darüber freuen wir uns“, sagte Linksfraktionschef Michael Faber. Jetzt müsse das Bad saniert werden. „Wir fordern außerdem den Träger des Uniklinikums, das Land NRW, auf, endlich die Blockade gegen bezahlbaren Wohnraum auch für Pflegekräfte an der Poliklinik aufzugeben.“

Die letzten 450 Stimmen kamen am Freitag

Bis zum 6. November hatte die Stadtverwaltung Abstimmungsunterlagen zur reinen Briefwahl an rund 249.000 wahlberechtigte Bonnerinnen und Bonner ab 16 Jahren geschickt. Wie Andrea Schulte aus dem Presseamt am Samstag mitteilte, hatten am Freitagmittag 97.659 Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Schätzungsweise 450 Stimmen seien am letzten Abstimmungstag, dem Freitag, noch im bis 18 Uhr geöffneten Wahlbüro im Stadthaus oder in den Briefkästen von Stadthaus und Rathäusern abgegeben worden.

Unter den 570 Wahlhelfern sind 310 Mitarbeiter der Stadtverwaltung und 260 externe Wahlhelfer, so Schulte. Die Stadt rechnet damit, dass gegen 13 Uhr das Gesamtergebnis feststehen könnte, sagte Stadtsprecherin Monika Hörig. Wie bei der Kommunalwahl hat die Verwaltung für den Bürgerentscheid die Stadt in 33 Wahlbezirke unterteilt.

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