Themen zur Kommunalwahl in Bonn Was die Stadt Bonn für den Klimaschutz tut

Analyse | Bonn · Vor etwa einem Jahr hat die Stadt beschlossen, dass sie mehr fürs Klima machen will. 150 Maßnahmen sollen einen Beitrag dazu leisten, der Erderwärmung zu begegnen. Bisher sind aber nur wenige davon umgesetzt.

 Demonstration für Klimaschutz in Bonn: Die Stadt hatte vor einem Jahr den Klimanotstand ausgerufen. (Archivfoto.

Demonstration für Klimaschutz in Bonn: Die Stadt hatte vor einem Jahr den Klimanotstand ausgerufen. (Archivfoto.

Foto: benjamin westhoff/Benjamin Westhoff

Vor der Kommunalwahl am 13. September analysiert der General-Anzeiger in lockerer Folge Schwerpunktthemen, die für die Zukunft der Stadt wichtig sind. Heute geht es um den Klimanotstand.

■ Das ist die Situation: Seit mehr als einem Jahr gilt in Bonn Alarmstufe Rot: Am 4. Juli 2019 hat der Rat den Klimanotstand ausgerufen. Damit gehört Bonn zu den mehr als 70 deutschen Städten, die bis Ende 2019 den Klimanotstand ausgerufen hatten. „Es ist kein Notstand im juristischen Sinne, sondern ein symbolischer Akt“, sagt Joachim Helbig, der die Leitstelle Klimaschutz der Stadt leitet. „Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein deutliches Mehr beim Klimaschutz erfolgen muss.“ Es sind keine Vorgaben oder Kontrollen damit verbunden. Ein Punkt, den Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW kritisiert. „Alle Entscheidungen der Kommunen müssten einem Klima-Check unterzogen werden“, fordert er.

■ Das ist das Kernproblem: Die letzten fünf Jahre waren die fünf heißesten, die je gemessen wurden. Um den Klimawandel zu begrenzen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden, besonders die Kohlendioxid-Emissionen, die fast 90 Prozent aller Emissionen ausmachen. Zu den Gefahren, die der Klimawandel für die Bewohner in Städten wie Bonn darstellt, zählen extreme Hitze, Überschwemmungen und starker Regen – wie das verheerende Unwetter im Juni 2016, das etwa in Bad Godesberg schwere Schäden verursachte.

In Stadtgebieten fallen rund drei Viertel der weltweiten Kohlendioxid -Emissionen an. So sind gerade Städte gefragt, wenn es darum geht, den Klimawandel zu begrenzen. In Bonn lagen die CO2-Emissionen 1990 bei 2,82 Millionen Tonnen, 2016 waren es 2,24 Millionen – ein Rückgang um 21 Prozent. Aktuellere Zahlen stehen laut Helbig nicht zur Verfügung. „Wir brechen nicht einfach bundesweite Daten herunter. Wir beziehen sie etwa vom Land und Energieversorgern“, sagt er. „Wir wollen eine Bilanz, die aussagekräftig ist. Haben so aber einen Nachlauf von mehreren Jahren.“ Für den größten Teil der Emissionen – rund 41 Prozent – ist derzeit der Verkehr verantwortlich. Sein Anteil an den CO2-Emissionen liegt  zwölf Prozentpunkte über dem Niveau von 1990. Emissionen von Autos, sind also ein zentrales Problem – aber bei Weitem nicht das einzige.

■  Das sind Lösungsansätze: Im Januar 2020 hat die Stadt einen Katalog mit rund 150 Maßnahmen vorgelegt, mit denen sie etwas gegen den Klimawandel und seine Folgen unternehmen will. Um sie umzusetzen, sollen im Haushalt für 2021/22 fünf Millionen Euro bereitgestellt werden. Bis 2035 sollen die Stadtverwaltung und ihre Konzerntöchter Bonn Orange und die Stadtwerke klimaneutral  sein – also nur so viel Kohlenstoff freisetzen, wie auch wieder aus der Atmosphäre gebunden werden kann.

Nicht für alle Maßnahmen braucht es einen Beschluss der Politik. Laut Helbig setzt die Verwaltung schon jetzt einige um. Dienstreisen würden etwa über Atmosfair kompensiert. Die Organisation gleicht Emissionen über Klimaschutz-Projekte aus. Zu den 150 Maßnahmen gehören etwa ein Beratungs- und Förderprogramm zur Dachbegrünung sowie Beratungen für Wohnungseigentümer. Auch das „1000 Dächer Programm“ zählt dazu. Damit sollen Photovoltaik-Anlagen mit 1000 Euro pro Anlage gefördert werden. Dafür sind mit einer Millionen Euro ein Fünftel des Budgets veranschlagt. Zudem will die Stadt eine Photovoltaik-Pflicht einführen. Bauherren sollen dann nachweisen müssen, dass es unwirtschaftlich ist, so eine Anlage zu installieren. Auch bei Neubauten der Stadt sollen künftig solche Anlagen auf die Dächer. Der Bau von Solaranlagen auf den Dächern städtischer Gebäude gehe viel zu langsam, findet Herbert Hoting von der Phönix Solarinitiative. Die Entwicklung der vergangenen Jahre sei „eine einzige Peinlichkeit.“

Ein Großteil der Emissionen entstehe im Gebäudebereich, sagt Helbig. „Die sind im Wesentlichen im privaten Eigentum“, sagt er. „Ob sie saniert werden, ist letztlich die Entscheidung der Eigentümer.“ Auch viele städtische Gebäude wie Kindergärten oder Schulen seien nicht im besten Zustand. Dort gebe es Potenzial, Emissionen zu reduzieren.

Das Thema Verkehr kommt im Maßnahmenkatalog der Stadt nicht gesondert vor. Es wird aber auf das Projekt „Emissionsfreie Innenstadt“ verwiesen: Um das Radfahren attraktiver zu machen, sieht das Projekt vor, Radwege zu Radschnellrouten auszubauen – dazu zählt auch ein Stück der Route Bornheim – Alfter – Bonn sowie Radwege entlang der Rheinaue. Insgesamt acht Kilometer soll die Strecke lang sein, die ausgebaut wird. „Da muss ich lachen“, sagt Werner Böttcher vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club in Bonn. Er sehe nur  lauter halbherzige Lösungen. Der Verein fordert nach wie vor einen Radweg am Tausendfüßler. Den aber hat NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst abgelehnt. Zum Lachen war auch Verkehrsdezernent Helmut Wiesner im vorigen Jahr zumute. Über Bonns Absicht, 2020 Fahrradhauptstadt zu werden, könne er sich nur kaputtlachen, sagte er in einer öffentlichen Diskussionsrunde.

Als 2019 Fahrverbote für Diesel­autos drohten, stellte der Bund der Stadt Millionensummen im Programm Lead City zur Verfügung, um den öffentlichen Nahverkehr unter anderem mit engeren Takten zu verbessern. Doch Lead City läuft aus. Die Stadt führt nun einen Teil der Maßnahmen auf eigene Kosten weiter.

■ Warum es noch keine Lösung gibt: Bisher sind kaum Maßnahmen aus dem Ratsbeschluss umgesetzt worden. „Wenn der Haushalt beschlossen ist, können wir anfangen“, sagt Joachim Helbig. Er geht davon aus, dass es nicht vor Mitte 2021 sein wird. Viel zu langsam, findet Ilja Illert von Fridays for Future. „Der Notstandsplan wird seinem Namen nicht gerecht“, sagt er. „Beim Thema Verkehr etwa will man niemandem auf die Füße treten.“ Die Stadt könne mehr leisten. „Sie ist vor allem Vorreiter in Lippenbekenntnissen.“ Dirk Jansen vom BUND findet, dass es besonders bei der Verkehrspolitik in den Kommunen gewaltig hapert. „Alle scheuen sich davor, das goldene Kalb „Auto“ zu schlachten.“

Francis Hugenroth hat sich für den Verein Wissenschaftsladen Bonn mit Anpassungen an den Klimawandel beschäftigt. Sie sagt: „Ich habe den Eindruck, dass Politik und Verwaltung nicht so gut Hand in Hand arbeiten.“ Warum es in den Städten oft nur langsam vorangeht, kann auch Cornelia Rösler erklären, die in Köln den Forschungsbereich Umwelt am Deutschen Institut für Urbanistik leitet. „Es gibt immer wieder Inte­ressenkonflikte: Etwa dort, wo zu befürchten ist, dass der Klimaschutz in den Hintergrund gedrängt werden könnte, weil dringend Wohnraum geschaffen werden muss“, sagt sie. Sie weist darauf hin, dass man mit fünf Millionen Euro nicht alles machen könne, sondern Prioritäten setzen müsse. „Städte können einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, aber nicht alleine. Jeder Einzelne ist hier gefragt.“

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