Notfallpatienten in Bonn Klinikärzte bezweifeln Gleichbehandlung bei der Verteilung

BONN · Im Zug der aktuellen Diskussion um Personalengpässe am Universitätsklinikum Bonn (UKB), werden Stimmen laut, die fragen, ob das UKB tatsächlich immer der einzig mögliche Anlaufpunkt für Notfallpatienten ist. Oder ob es im Einzelfall auf dem Bonner Stadtgebiet nicht auch ausreichend Ausweichmöglichkeiten gibt, in denen Notfälle behandelt werden können.

"Das Uniklinikum ist der einzige Maximalversorger, das ist richtig", sagt Jochen Textor, Ärztlicher Direktor des Gemeinschaftskrankenhauses. Kein anderes Bonner Krankenhaus sei so breit aufgestellt. Aber: Es gebe Krankenhäuser in Bonn, die unter anderem bei Schlaganfällen oder Herzinfarkten eine mindestens gleichwertige Behandlung bieten können.

"Der Notarzt prüft zwar die Verfügbarkeit freier Betten und die Aufnahmefähigkeit, aber das Notfallsystem ist komplett in Unihand", sagt Textor. Wer als Notarzt im Krankenwagen mitfahre, sei vom Uniklinikum. "Wir haben den Eindruck, dass die Verteilung nicht immer ausgewogen ist".

Ähnlich sieht das Luciano Pizzulli, Chefarzt in der Kardiologie des Gemeinschaftskrankenhauses, eine der Abteilungen, die laut Pizzulli und Textor eine "qualitativ absolut gleichwertige" Versorgung von Notfallpatienten gewährleisten könne. "Es gibt drei, vier Szenarien, da führt kein Weg am Universitätsklinikum vorbei", sagt Pizzulli.

Schwerstverbrannte, Menschen mit Hirnblutungen oder einem Aortariss in der Brust: Unter anderen seien solche Patienten im UKB am besten aufgehoben. "Aber der überwiegende Teil kann auch woanders adäquat behandelt werden", so Pizzulli. "Wir haben das Gefühl, dass über den Notfalldienst eine gewisse Steuerung stattfindet in Richtung interdisziplinäre Notfallmedizin des UKB."

Magdalena Nitz, Leiterin der UKB-Unternehmenskommunikation, verweist darauf, dass die Notfallleitstelle die Entscheidungen treffe. Und dass diese Entscheidung von vielen Faktoren abhänge - unter anderem der Nähe zum Unfallort. "Ich denke, das ist ausgeglichen", so Nitz.

"Das Universitätsklinikum ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Anlaufpunkt", sagt Walter Bors, Geschäftsführer des Malteserkrankenhauses Bonn/Rhein-Sieg. "Die Akutversorgung der Region ist weder der Auftrag des Universitätsklinikums, noch besteht die Notwendigkeit."

Sein Haus verzeichne steigende Frequenzen bei den Notfällen und baue die Versorgung aus. "Die Zusammenarbeit kann man immer verbessern, deswegen führen wir unter anderem auch Gespräche mit der Feuerwehr, weil das ein Thema ist", sagt Bors. Nach Angaben von Ulrich Heister, Ärztlicher Leiter des Notarzt- und Rettungsdienstes der Stadt Bonn, gibt es keinen Vorrang für die Uniklinik.

"Die Uniklinik wird nicht per se als erstes Krankenhaus angefahren", betont Heister. "Alle Krankenhäuser kommen zum Zug. Als erstes zählt der Wunsch des Patienten." Auch nach dem Fund eines multiresistenten Keims hatte die Leitung des UKB in Absprache mit dem Gesundheitsamt der Stadt Bonn entschieden, dass das Klinikum als Maximalversorger keine Notfallpatienten abweist.

Ein Chefarzt einer anderen Klinik, der ungenannt bleiben möchte, kritisiert das: "In der aktuellen Situation ist es absolut unvertretbar, die Patienten hochzufahren, wenn es Alternativen gibt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort