Haushaltspolitik in Bonn Koalition attackiert Nimptsch

BONN · Knapp vier Wochen vor der Kommunalwahl ist die Debatte um die städtische Finanznot deutlich schärfer geworden. Die schwarz-grüne Ratskoalition reagierte gestern auf die Warnungen der Stadtverwaltungsspitze mit massiver Kritik an Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD).

Die CDU warf ihm vor, die Stadtverwaltung nicht im Griff zu haben. Sie handele "chaotisch". Die Grünen erklärten, Nimptsch betreibe Wahlkampf "mit Panikmeldungen".

Gemeinsam mit Kämmerer Ludger Sander (CDU) hatte der OB für 2014 ein Defizit von rund 105 Millionen Euro prognostiziert. Nach den bisherigen Bedarfsanmeldungen der Stadthausämter drohen nach seiner Darstellung ab 2015 weitere jährliche Defizite zwischen 80 und 146 Millionen Euro.

Doch die Ratskoalition zweifelt diese Zahlen an. Die Grünen verweisen darauf, dass die Verwaltung im vergangenen Herbst für das Jahr 2013 ein zusätzliches Defizit von 27 Millionen Euro vorausgesagt hatte. Tatsächlich blieb es aber beim geplanten Defizit von rund 57 Millionen Euro - allerdings auch deshalb, weil Kämmerer Sander eine Haushaltssperre verhängt hatte.

Grünen-Fraktionssprecher Peter Finger kritisierte, dass die Bedarfsanmeldungen aus den Ämtern zu hoch seien. Die Verwaltung müsse sich einer "strengen Haushaltsdisziplin" unterwerfen. Auch die CDU will weiter sparen - aber in erster Linie in der Stadtverwaltung selbst.

"Wir erwarten vom Oberbürgermeister, dass er die horrenden Anmeldungen auf ein realistisches Maß zurückfährt", betonten Parteichef Christos Katzidis und Fraktionsvorsitzender Klaus-Peter Gilles. Und: "Eine Erhöhung der Grundsteuer lehnen wir ab." Die Haushaltsverschlechterung im laufenden Jahr sei zum großen Teil auf "Fehleinschätzungen der Verwaltung" - etwa bei der Gewerbesteuer - zurückzuführen.

Die Ratsopposition schoss sich auf die Finanzpolitik von CDU und Grünen ein. "Ohne die Haushaltssperre des Kämmerers wäre der Haushalt längst vor die Wand gefahren", sagte die SPD-Fraktionschefin Bärbel Richter. Sie befürworte ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept; Großprojekte wie die Sanierung der Beethovenhalle oder des Stadthauses müssten "neu gedacht" werden. Alle Optionen zur Haushaltssanierung müssten vorurteilsfrei geprüft werden. Eine Grundsteuererhöhung lehnt aber auch die SPD ab.

Der Bürger Bund Bonn (BBB) warf der Koalition vor, die Stadtfinanzen "ruiniert" zu haben. "Erschreckend ist vor allem die Entwicklung der Kassenkredite, die sich binnen vier Jahren fast verdoppelt haben", so BBB-Fraktionschef Bernhard Wimmer. Seine Fraktion fordert, bei allen kürzbaren Posten pauschal mindestens fünf Prozent zu streichen.

Die Linkspartei sprach von "Realitätsverlust" bei Schwarz-Grün. Ein Haushaltsausgleich sei ohne höhere Einnahmen unmöglich, erklärte der Fraktionsvorsitzende Michael Faber. Die Linke ist gegen eine Grundsteuererhöhung, will aber mit mehr städtischen Konzernbetriebsprüfern die Gewerbesteuereinnahmen anheben.

FDP-Chef Werner Hümmrich nimmt die Warnungen der Stadtspitze ernst. "Die Haushaltsentwicklung ist erschreckend", unterstrich er. "Die Verwaltung muss nun aber auch sagen, wo Leistungen eingeschränkt werden sollen." Dann seien "mutige Entscheidungen" des Rates nötig.

Nimptsch und Sander haben Konsolidierungsvorschläge angekündigt. Sie fordern aber auch eine stärkere Unterstützung durch Bund und Land. Dass die Bundesregierung die angekündigte Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben verschieben wolle, koste die Stadt ab 2015 schätzungsweise 20 Millionen Euro im Jahr.

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