Der Finanzier der Moderne Vor 250 Jahren wurde Salomon Oppenheim in Bonn geboren

Bonn · Der Name Oppenheim steht im Rheinland wie kaum ein zweiter für den wirtschaftlichen Aufbruch in die Moderne. Salomon Oppenheim junior startete als erster in seiner Familie richtig durch. Vor 250 Jahren wird der spätere Bank-Magnat in Bonn geboren

   Eine ehrwürdige Bankengeschichte   endete schmählich: Das von Salomon Oppenheim junior gegründete Geldhaus war einst  die größte Privatbank Europas. Nach ihrer Verwicklung in den Esch-Immobilienskandal wurde sie im Jahre 2009 (nach 220 Jahren  der Selbstständigkeit) an die Deutsche Bank verkauft und stellte Ende Juni 2018 den Geschäftsbetrieb ein  X   FotoS: dpa, WIKIPEDIA

Eine ehrwürdige Bankengeschichte endete schmählich: Das von Salomon Oppenheim junior gegründete Geldhaus war einst die größte Privatbank Europas. Nach ihrer Verwicklung in den Esch-Immobilienskandal wurde sie im Jahre 2009 (nach 220 Jahren der Selbstständigkeit) an die Deutsche Bank verkauft und stellte Ende Juni 2018 den Geschäftsbetrieb ein X FotoS: dpa, WIKIPEDIA

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Der Seidenstoff des wuchtigen Ohrensessels fühlt sich glatt an und teuer, als Salomon Oppenheim junior darin für den Porträtmaler Joseph Weber zum Modell sitzt. Lässig ruht Oppenheims linke Hand auf der Armlehne. In der rechten hält er ein schwarz gebundenes Büchlein. Eine vergnügliche Lektüre? Eher ist es wohl ein Notizbuch, in dem Oppenheim zuvor sorgfältig Kolonnen von Zahlen notiert hat, so möchte man spekulieren. Zahlen, die für Investments stehen, für Forderungen und Erträge. Schließlich hält Kölns wichtigster Bankier das Accessoire mit zufriedenem Blick wie eine Trophäe vor der Brust. Da sitzt einer im grünen Seidensessel vor einer teuren Landschaftstapete, so zeigt es der Auftragsmaler Weber, der es weit gebracht hat.

Geboren auf dem Gelände des Bonner Hilton-Hotels

Im Fall des Salomon Oppenheim junior lässt sich dieses Urteil ohne Zögern unterschreiben. Dabei stehen die Vorzeichen durchaus nicht auf Erfolg, als Helene Oppenheim am 19. Juni 1772 an der Bonner Judengasse auf dem Grundstück des heutigen Hilton-Hotels ihren ersten Sohn zur Welt bringt. Drei Jahrzehnte zuvor ist Jakob Oppenheim, der Großvater des Jungen, aus der freien Reichsstadt Frankfurt am Main in die kurkölnische Residenzstadt Bonn umgezogen. Der Wittelsbacher Kurfürst Clemens August hat damals den Kurstaat in verschwenderischer Prachtentfaltung regiert. Clemens August hat sein Amt vor allem als barocker Musenfürst ausgefüllt. Er hat nicht nur riesige Schlösser und Gärten anlegen lassen. Ständig lud er zu Bällen, Konzerten oder Festessen oder ließ zur Jagd blasen. Und er stellte jüdische Händler mit internationalen Beziehungen als Vermittler von Luxuswaren und Kapital unter seinen persönlichen Schutz.

Die Familie und die Synagoge in Bonn

Der Kaufmann Jakob Oppenheim versprach sich als künftiger Hoflieferant mit Connections in die wichtige Messestadt Frankfurt glänzende Geschäfte.

Das Versprechen allerdings ist nicht aufgegangen, auch wenn Jakob der Bonner Synagoge zu Ehren des Kurfürsten eine Thorakrone und einen Thoravorhang spendiert. Die großen Geschäfte machen in Bonn damals andere. Auch sein Sohn Hertz Salomon Oppenheim kommt offenbar nicht wirklich auf seine Kosten. Das liegt, wie zu lesen ist, in nicht geringem Maße an der gelinde gesagt mäßigen Zahlungsmoral seiner Bonner Kundschaft, der er Waren auf Rechnung liefert und Geld leiht. Zeitweise steht Oppenheim senior kurz vor der Insolvenz.

Karriere im Militär ist ihm verwehrt

Ob es die mangelnde Fortune des Vaters ist, die Salomon junior antreibt, schon frühzeitig auf eigene Rechnung Geschäfte zu machen, ist nicht überliefert. Viele Optionen bleiben dem jungen Mann ohnehin nicht. Juden sind in Kurköln noch nicht als gleichberechtigte Bürger anerkannt. Eine Karriere beim Militär ist für ihn ebenso tabu wie ein hohes Verwaltungsamt. Das mittelalterlich anmutende Zunftwesen schränkt die Berufswahl weiter ein. Während Bonns liberale Kreise mit anfänglicher Begeisterung (und anschließend mit wachsender Unruhe) die Nachrichten aus Paris verfolgen, wo Bürger im Sommer 1789 die Bastille stürmen, macht sich der 17-jährige Oppenheim junior im gleichen Jahr mit einem Kommissions- und Wechselhaus selbstständig.

Dabei entwickelt er ebenso Ehrgeiz wie Geschick. Wie andere Kaufleute auch handelt Oppenheim mit Waren wie Wein, Ölen oder Baumwolle, die er auf Rechnung mit späterem Zahlungsziel liefert. Oft genug organisiert er sogar den Transport. Aber er versteht auch, dass mit reinen Geldgeschäften an sich weitaus höhere Renditen zu erzielen sind, zumal bei höherem Einsatz in vielversprechende Unternehmungen. Ein überlieferter Wechselschein aus dem Jahr 1793 ist der älteste Beleg für seine Banktätigkeit: Damals leiht Oppenheim den Bonner Eheleuten Schön die Summe von 300 Talern. Öffentliche Banken oder Sparkassen sind damals noch Zukunftsmusik.

Ein Dutzend Kinder

Oppenheims geschäftliches Gespür bleibt nicht unbemerkt. Ein Vetter seines Vaters wird auf ihn aufmerksam. Dieser Samuel Wolff, der selbst mit dem Silberhandel und Kreditgeschäften zu Geld gekommen ist, investiert. Als stiller Gesellschafter bringt er 90 000 Taler ins junge Unternehmen ein. Das ist eine gewaltige Summe. Für einen Taler kann man damals in Bonn wahlweise 25 Pfund Brot, 12 Pfund Rindfleisch oder zwei Flaschen Champagner kaufen. Eine weitere Kapitalspritze und überdies ein Dutzend Kinder bringt die Hochzeit mit einer vermögenden jüdischen Kaufmannstochter aus Dülmen.

Trotzdem sind die Zeiten schwierig. In Bonn ist alles im Umbruch. 1797 fällt nach einem Vertrag mit dem Kaiser das Rheinland an Frankreich. Revolutionstruppen besetzen nun schon zum zweiten Mal die Stadt. Nicht nur der letzte Kurfürst Max Franz türmt Hals über Kopf. Ohne Kurfürst und Hofstaat verliert Bonn nicht nur seine Regierungsfunktion, sondern binnen kürzester Zeit auch seine wirtschaftliche Geschäftsgrundlage und damit ein Drittel seiner Einwohner. Unter den Menschen, die ihre Koffer und Wäschetruhen packen, sind auch Oppenheim junior und seine Frau Deigen Levi. Unmittelbar nachdem die Nachbarstadt Köln auf Druck der Franzosen ihr seit 350 Jahren bestehendes Ansiedlungsverbot für Juden kassiert hat, stehen sie 1798 vor dem Severinstor und bitten um Einlass. Als wichtiger Bankenplatz ist die Domstadt für einen ehrgeizigen Jung-Bankier the place to be.

Höchste „Judensteuer“ gezahlt

Diesmal geht die Rechnung auf. Oppenheim etabliert sich schnell. Erst mietet er für sein Unternehmen das Haus eines Essigfabrikanten, zieht dann rasch in einen klassizistischen Prachtbau an der Großen Budengasse um. Bald zahlt er die höchste „Judensteuer“ in der Stadt. Im Gegenzug darf er im Auftrag der Besatzer bei allen anderen Juden abkassieren. Ein Jahrzehnt nach seiner Ankunft gilt er schon als Nummer Zwei im Kölner Bankensektor, nach Abraham Schaffhausen.

Und während der jammert: „Do hieroode mer ävver en ärm Famillich“, als die Preußen nach dem endgültigen Sieg über Napoleon ins Rheinland einrücken, macht Oppenheim mit den neuen Herren gleich ein Riesen-Geschäft. Aus Berlin bekommt „Sal. Oppenheim jr. & Cie.“ den Auftrag, gemeinsam mit einem Berliner Pendant die Zahlung der französischen Reparationen abzuwickeln. Anschließend darf Oppenheim sogar als Königlich Preußischer Oberhofagent firmieren und wird als erster Jude überhaupt in die Kölner Handelskammer gewählt.

Kapital für innovative Unternehmen

Dabei lässt sich der Bankier von Titeln nicht täuschen. Weitsichtig sieht er seine Spielwiese nicht mehr in der Finanzierung fürstlicher Hofhaltung. In der Zeit der Frühindustrialisierung stellt er Kapital vor allem für innovative Unternehmen bereit. So besichert er ab 1818 Warentransporte als Teilhaber der Rheinschiffahrts-Assekuranz. Daraus wird später die Agrippina-Versicherung in der Zürich-Gruppe.

Das wichtigste Beispiel für Oppenheims Marktgespür ist die Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrt-Gesellschaft (PRDG), die im Herbst 1825 in Köln entsteht. Oppenheim hält ein Viertel der Anteile. Die Vorläuferin der heutigen Köln-Düsseldorfer will den Waren- und Personenverkehr auf dem Rhein revolutionieren. Am 1. Mai 1827 nimmt der Schnelldampfer „Concordia“ den Linienverkehr zwischen Köln und Mainz auf. Hin braucht man für die 200 Kilometer jetzt nur noch 22 Stunden und zehn Minuten, zurück nur zehn Stunden.

Openheim-Esch-Fonds ebnet das Ende

Aber das Geschäft ist auch Oppenheims Verhängnis. Am 8. November 1828 stirbt er unerwartet mit nur 56 Jahren auf einer Dienstreise in Mainz. Sein Vermögen beläuft sich damals auf 220.758,28 Taler. Allein die Gemäldesammlung wird auf 3846 Taler geschätzt. Seine Witwe Therese und die beiden Söhne Simon und Abraham setzen das Bankgeschäft erfolgreich fort. Sie investieren in Versicherungen, Eisenbahnen und die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr. Webers Gemälde behalten sie. Es hängt weiter im Bankhaus, bis dieses 2009 nach den zweifelhaften Immobilienfondsgeschäften von Josef Esch und der Pleite des Kaufhaus-Konzerns Arcandor (ehemals Karstadt/Quelle) für 1,3 Milliarden Euro an die Deutsche Bank verkauft wird, um einen Konkurs zu vermeiden.

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