Flüchtlingsheime in Bonn Kritik an jahrelanger Untätigkeit der Stadt trotz Überfüllung

BONN · Die Flüchtlingsheime der Stadt sind völlig überfüllt. "Bonn hat es seit Jahren versäumt, auf steigende Asylbewerberzahlen zu reagieren und entsprechenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen", so die Kritik von Lina Hüffelmann, Leiterin der Flüchtlingsberatungsstelle Bonn.

 Dieses Flüchtlingswohnheim steht in Duisdorf.

Dieses Flüchtlingswohnheim steht in Duisdorf.

Foto: Roland Kohls

David ist gerade ganz weit weg. Versonnen schiebt der Zweijährige seinen Duplo-Zug über den leeren Tisch und lässt ihn ein paar geschwungene Kreise fahren. Das Kratzen auf der Tischplatte macht Vater Lubaky de Sá nervös. Auf Portugiesisch blafft der 37-jährige Angolaner seinen Sohn an und holt ihn zurück in die Realität einer kahlen Flüchtlingsunterkunft.

Das Leben auf engem Raum macht offensichtlich dünnhäutig. Denn David ist nicht das einzige Kind des Paares. Neben der jüngeren Schwester Rafaela (1) gehören zur Familie noch Marlene (15), Yondila (13), Orkidia (7) und Victor (6). Die achtköpfige Familie lebt auf 82 Quadratmetern in einer Wohnung über dem Geräteschuppen eines Sportvereins. Im Januar kam sie nach Bonn, eine von vielen Flüchtlingsfamilien, die in den vergangenen Monaten angekommen sind.

Und mit deren Unterbringung die Stadt hoffnungslos überfordert ist. Nach ihren Angaben leben derzeit 266 Personen in den drei Übergangsheimen sowie zwei Wohnungen und Notunterkünften der Stadt. Die Zahlen steigen seit geraumer Zeit wieder an, allein seit Ende November kamen 80 weitere Flüchtlinge hinzu und mussten untergebracht werden. Und die städtischen Unterkünfte sind "bis an die Grenzen des Verträglichen belegt", erklärte Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann.

Trotz der beengten Verhältnisse, Familie da Sá ist zufrieden. "Das hier ist im Vergleich zu Angola ein Paradies. Es ist nicht das, was ich mir wünsche, aber es ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem Leben in Afrika", sagt Lubaky de Sá. Doch die Lebensverhältnisse der Familie sind verglichen mit denen anderer Flüchtlinge in Bonn wohl vergleichsweise gut. Diesen Schluss legen zumindest die Antworten der Verwaltung auf die Anfrage der Linken nahe. Demnach haben alle Übergangsheime eine Überbelegungsquote von 42,6 Prozent. "Die Quadratmeterzahlen reichen von 2,8 Quadratmetern bis elf Quadratmeter pro Person", schreibt die Stadt. Die Linke wirft ihr vor, die "unzumutbare" Situation mit verschuldet zu haben und nichts dagegen zu unternehmen.

"Spätestens im November war klar, dass dringend etwas unternommen werden muss, um eine humane Unterbringung zu gewährleisten. Doch beinahe nichts ist geschehen", sagt Fraktionsgeschäftsführer Holger Schmidt. Auch Frank Müller, integrationspolitischer Sprecher der Grünen im Rat, sieht dringenden Handlungsbedarf. "Die Entwicklungen kommen nicht als sensationelle Überraschung über uns", sagt Müller. Die Stadt müsse für menschenwürdige Unterbringung sorgen.

Städtisches Gebäudemanagement und Sozialamt arbeiten "mit Hochdruck an der Schaffung zusätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten", so die Stadt. "Die Stadtverwaltung und die Ratsmitglieder eint die Auffassung, dass wir alles in unserer Macht stehende tun müssen, damit die Menschen, die teilweise schwer traumatisiert in Deutschland ankommen, hier aufgefangen werden und zur Ruhe kommen können", sagt Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit.

"Bonn hat es seit Jahren versäumt, auf steigende Asylbewerberzahlen zu reagieren und entsprechenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen", kritisiert Lina Hüffelmann, Leiterin der Flüchtlingsberatungsstelle Bonn. Die Flüchtlingszahlen würden seit 2008 ansteigen. Im Oktober 2010 seien alle NRW-Kommunen aufgefordert worden, dies zu berücksichtigen. "Dass Bonn drei Jahre später nach ad hoc Lösungen sucht, erscheint als längerfristig angelegtes Versäumnis, für eine humane und angemessene Unterbringung von Flüchtlingen in Bonn zu sorgen", betont Hüffelmann.

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