Fall beim Bonner Arbeitsgericht Kündigung wegen Rückenmassage im Büro

Bonn · Die Agentur für Arbeit wirft einem 57-jährigem Mitarbeiter Distanzlosigkeit gegenüber einem Jobsuchenden vor. Er soll in seinem Büro einem jungen Arbeitslosen den Rücken massiert haben.

 Symbolbild

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Foto: dpa/Carsten Rehder

So einen Fall erlebt man beim Arbeitsgericht Bonn nicht alle Tage: Die Agentur für Arbeit hat einem langjährigen Mitarbeiter gekündigt, weil der Mann sich zu persönlich um einen Klienten gekümmert hatte. Er soll in seinem Büro einem jungen Arbeitslosen nicht nur den Rücken massiert, sondern ihm auch Sportschuhe geschenkt und gemeinsame Ausflüge angeboten haben. Gegen die Kündigung hat der Mitarbeiter Klage eingereicht. Sein Fall wurde am Donnerstag vor der dritten Kammer verhandelt.

Mit seinem Verhalten habe er grob gegen die Dienstverpflichtung verstoßen, gegenüber den Klienten die nötige Distanz einzuhalten, lautet unter anderem der Vorwurf. Die Agentur hatte dem 57-Jährigen zunächst fristlos, dann im Nachgang ordentlich zum 31. März 2020 gekündigt.

Aufgeflogen war die persönliche Beziehung des Mitarbeiters zu seinem Klienten, weil die Ehefrau des Arbeitslosen sich im Frühjahr bei der Arbeitsagentur über Distanzlosigkeit des Mitarbeiters beschwert hatte. "Die Ehefrau berichtete unter anderem auch von Hausbesuchen", trägt der Kammervorsitzende zum Sachverhalt vor. So habe die Ehefrau beklagt, dass der Behördenmitarbeiter alles Mögliche privat für ihren Mann getan habe, ihn aber nicht auf eine Arbeitsstelle vermitteln konnte.

Ähnlicher Fall 2013

In ihrer Begründung zur Kündigung führt die Beklagte auf, der Mitarbeiter habe mit seinem Verhalten gegen den Verhaltenskodex der Agentur für Arbeit verstoßen und damit das Ansehen der Behörde beschädigt. Wegen eines ähnlichen Falls sei er 2013 bereits abgemahnt worden. Aber das ist nicht alles, was die Behörde gegen den Mitarbeiter vorbringt: Er habe auch ohne Genehmigung das Schloss seiner Bürotür ausgetauscht. "Das geht natürlich gar nicht", erklärt die Vertreterin der Arbeitsagentur.

Klägervertreter Herbert Kaupert verweist darauf, dass der Personalrat der Kündigung in beiden Fällen nicht zugestimmt habe. Zudem sei die Abmahnung längst verjährt und hätte aus der Personalakte entfernt werden müssen. "Seither ist mein Mandant von seinen Vorgesetzten stets für seine Arbeit gelobt worden." Der Kläger sehe im Nachhinein indes ein, sich nicht immer richtig verhalten zu haben. "Aber sein Ansinnen war allein, dem Menschen umfassend helfen zu wollen", erklärt der Anwalt. Auch habe er dem Klienten nicht den Rücken massiert. "Der Mann hatte über Rückenschmerzen geklagt, darauf hat mein Mandant lediglich die Stelle abgetastet und einen Arztbesuch empfohlen."

Sein Mandant sei nun gewarnt, er werde sich nicht mehr so verhalten, sagt Kaupert. Damit macht er deutlich: Ein Vergleich mit Abfindung kommt nicht in Frage. Sein Mandat wolle seinen Arbeitsplatz behalten. Doch die Behördenvertreterin gibt nicht auf. Zur sichtlichen Überraschung der Kammer berichtet sie, der Mitarbeiter habe auch Kollegen im Büro den Rücken massiert. "Stellen Sie sich das mal vor, da sitzt einer mit nacktem Oberkörper im Büro und es kommt zufällig ein Besucher herein. Das geht nicht. Wir sind eine Behörde."

Am Ende der Sitzung gibt die Kammer der Klage statt. Schon zuvor hatte der Vorsitzende angedeutet, eine Kündigung nach einer so langen Beschäftigungszeit wegen dieser Vorfälle sei unverhältnismäßig. Auch gehe die Kammer davon aus, dass eine so große Behörde eine andere Verwendung für den Mitarbeiter finden könne, wo er kaum oder keinen Kundenkontakt mehr habe.

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