Kreativbranche in der Corona-Krise Bonner Kulturschaffende warnen: „Ohne uns ist’s still“

Bonn · Angesichts einer weiterhin ungewissen Zukunft sind zahlreiche Existenzen in der Kultur- und Kreativbranche bedroht. Die Fotoaktion „Kulturgesichter“ will nun die betroffenen Menschen sichtbar machen. Auch Bonn beteiligte sich am Wochenende.

 Die Fotoaktion „Kulturgesichter“ will Menschen in der Kultur- und Kreativbranche sichtbar machen.

Die Fotoaktion „Kulturgesichter“ will Menschen in der Kultur- und Kreativbranche sichtbar machen.

Foto: Stefan Mager

200 ernste Blicke in Richtung Kamera, 200 Gesichter mit nur einer Botschaft: „Ohne uns ist's still.“ Ohne Techniker, ohne Veranstalter, ohne Grafiker und natürlich ohne Musiker und Schauspieler und Tänzer kann Kultur in all ihren Facetten nun einmal nicht stattfinden – doch genau das wird in der Corona-Krise billigend in Kauf genommen. Mit dem November-Lockdown hat die Bundesregierung die Kultur- und Kreativbranche zum zweiten Mal in diesem Jahr radikal heruntergefahren, und auch wenn sie Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe versprochen hat, sind angesichts einer weiterhin ungewissen Zukunft zahlreiche Existenzen in der Branche massiv bedroht.

Die Fotoaktion „Kulturgesichter“ will nun die betroffenen Menschen sichtbar machen, so wie in Bonn, wo Fotograf Stefan Mager und Veranstaltungstechniker Jonas Lorenz in der Fabrik 45 am Wochenende bereits das zweite Shooting abgehalten haben. Und es werden wohl weitere folgen, denn das Interesse wächst stetig.

Termine innerhalb kurzer Zeit vergeben

„Es ist schon der Wahnsinn, was im Moment passiert“, erklärt Lorenz, der die Aktion aus anderen Städten kannte und sie Anfang des Monats in der Bundesstadt ins Leben rief. „Schon beim ersten Shooting waren die verfügbaren Termine innerhalb kürzester Zeit vergeben, so dass wir diesmal gleich zwei Tage angeboten haben. Und auch die reichen einfach nicht. Immer mehr Menschen aus unserer Branche wollen sich beteiligen und auf diese Weise auf die prekäre Lage der Kulturbranche aufmerksam machen – es ist wie ein Buschfeuer, zumal die Szene natürlich unglaublich gut vernetzt ist.“

Auch Stefan Mager, der seit 17 Jahren als Fotograf seinen Lebensunterhalt verdient, arbeitet ehrenamtlich. „Die ganze Organisation ist zwar recht aufwendig, aber bei mir ist derzeit eh nichts los“, sagt er. „Und es macht einfach unglaublich viel Spaß, wieder mit Menschen in Kontakt zu kommen, wenn auch nur für ein paar Minuten und mit gebührendem Abstand.“ Eine Aussage, die viele der „Kulturgesichter“ unterschreiben würden. „Ich bin jetzt seit über 21 Jahren als Warm-Upper tätig, und ich mache das ja vor allem deswegen, weil ich vor Menschen stehen will“, erklärt Marco Laufenberg, der schon beim Eurovision Song Contest sowie bei zahllosen TV-Produktionen das Publikum angeheizt hat und zuletzt beim Kulturgarten in den Rheinauen für Stimmung sorgte. „Ich habe das große Glück, dass es Produktionsfirmen gibt, die mich derzeit nur dafür engagieren, dass ich den Applaus vom Band für verschiedene Shows zusammensetze und einspiele. Damit kann ich meine laufenden Kosten einigermaßen decken, aber mir fehlt die soziale Komponente. Und dann denke ich an den Sommer zurück, an die ganzen Live-Konzerte und an die Stimmung, die da herrschte nach mehreren Monaten des Lockdowns. Da habe ich wieder gemerkt, wie relevant wir wirklich sind.“

Andreas März geht es ähnlich. „Ich arbeite inzwischen als Eventmanager im Bereich Teambildung“, sagt er. „Ein halbes Jahr lang habe ich im Prinzip nicht arbeiten können, in dieser Woche habe ich erstmals wieder Aufträge reinbekommen. Allerdings werden momentan unglaublich viele Online-Formate entwickelt, so dass ich zumindest eine Perspektive habe. Gleichzeitig bin ich aber auch Sänger in der Bonner Death-Metal-Band Steorrah, und um die mache ich mir schon Sorgen. Wir hätten in diesem Jahr eigentlich ein tolles Jubiläumskonzert spielen sollen, aber das ging halt nicht. Und ich habe Angst, dass es nach diesem Winter keine Clubs mehr geben wird, in denen wir auftreten können.“

„Die Unsicherheit ist das Schlimmste“

„Die Unsicherheit ist das Schlimmste“, betont Veranstaltungskauffrau Ricarda Bildstein aus dem Pantheon. „Wir arbeiten von Tag zu Tag, und ständig werden wir gefragt, wann es denn wieder weitergehen wird mit der Kultur. Dabei hat leider keiner von uns eine Antwort.“ Zumindest für dieses Jahr sieht sie kein Licht am Horizont. „Ich fürchte, dass wir auch im Dezember keine Veranstaltungen werden durchführen dürfen“, sagt sie. „Vielleicht klappt es mit Einschränkungen im Januar.“ Um so wichtiger ist es da, Flagge zu zeigen und die Menschen hinter den Schicksalen zu zeigen. „Die Bremer sind da schon viel weiter als wir und haben überall in ihrer Stadt Plakate aufgehangen“, erzählt Jonas Lorenz. „Auch wir sind auch dabei, die Sichtbarkeit zu erhöhen. 200 Porträts haben wir jetzt zusammen. Das ist schon mal ein guter Anfang.“

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