Kunststoffgranulat vor Verbot Kunstrasenplätze in Bonn stehen vor Veränderung

BONN · Ein Großteil der Fußballplätze in Bonn und der Region besteht aus Kunstrasen. Eine EU-Behörde empfiehlt der Kommission allerdings, den darin enthaltenen Füllstoff Granulat ab 2021 verbieten zu lassen. Vereine und Kommunen diskutieren nun Alternativen.

Etwa 135 Kunstrasenplätze – darunter auch 35 Kleinspielfelder – existieren derzeit in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. Das Kunststoffgranulat auf diesen Plätzen könnte nun zum Problem werden. Die Europäische Chemikalienagentur hat der EU-Kommission Anfang des Jahres empfohlen, den Einsatz der Körner, die dazu dienen, den Boden elastischer zu machen, ab 2021 zu verbieten. Das Fraunhofer-Institut „Umsicht“ hat in einer Studie ermittelt, dass die Granulate nach dem Abrieb von Autoreifen und falsch entsorgten Plastikflaschen zu den Hauptquellen für die Belastung der Luft mit Mikroplastik gehörten.

In einem Schnellbrief hat der Städte- und Gemeindebund Kommunen und Städte über das mögliche Verbot informiert. „Die Sportverwaltung ist bereits aktiv geworden und hat sich über Alternativen erkundigt“, sagte der Leiter des Bonner Sport- und Bäderamts, Stefan Günther, auf Anfrage. Und er teilte mit: „Die Stadt Bonn wird zukünftig bei der Neuerrichtung von Kunstrasenplätzen beziehungsweise bei notwendigen Belagwechseln auf Kunststoffgranulat verzichten.“ Für die geplanten Plätze am Alten Godesberger Stadion und An der Josefshöhe (Platz 1 des Sportparks Nord) werde eine Alternative zum Kunststoffgranulat eingesetzt. Das Kleinspielfeld auf dem Sportplatz Lengsdorf erhalte eine Korkverfüllung.

Als Alternativen nennt die Stadt eine Kork- oder Sandverfüllung oder Kunstrasen, die ohne Verfüllung auskommen. Auf die Frage nach Zusatzkosten antwortete Günther: „Abhängig von der Marktpreisentwicklung ist die Kork-Sand-Verfüllung unwesentlich teurer. Je nach Preislage des Kunstrasenteppichs kann die Verwendung einer alternativen Verfüllung auch kostenneutral ausfallen.“ Ob und wie ein Austausch des Granulats erfolge, hänge von der künftigen Vorschrift ab. Spätestens erfolge er beim Wechsel des Belags nach etwa 15 Jahren.

Alternative Füllstoffe auch umstritten

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) rechnen dagegen mit „deutlich höheren Kosten“ durch alternative Füllstoffe, beide Verbände schätzen sie deutschlandweit auf einen hohen einstelligen Millionenbetrag. Das geht aus einem Positionspapier hervor. Diese Mehrkosten beträfen alle Sportanlagenbetreiber. In Bonn haben viele Vereine Kleinspielfelder aus eigener Tasche finanziert, Günther erklärte dazu: „Fast alle Kleinspielfelder, auch wenn der Verein sich finanziell beteiligt hat, sind städtisches Eigentum geblieben, unter anderem damit der Verein nicht für Folgekosten aufkommen muss.“ Bernd Seibert, Geschäftsführer des Bonner Stadtsportbundes, erklärte, man müsse das Thema ernst nehmen, „sollte aber nicht in Aktionismus verfallen“, zumal es einen Bestandsschutz geben müsse.

Im Rhein-Sieg-Kreis wird beispielsweise der städtische Platz in Bornheim-Hersel mit Neugranulat bestückt, das einmal pro Jahr komplett ausgetauscht wird. Es soll laut Stadtverwaltung umweltschonender als das recycelte Gummigranulat sein. „Es gibt bisher keine Erkenntnisse hinsichtlich des Abtrags von Mikroplastiken bei dem verwendeten Granulat“, teilte die Stadt Bornheim auf Anfrage mit. „Die Verwaltung beobachtet aber weiterhin den Markt, um zu ermitteln, welches Einstreugranulat alle Anforderungen erfüllt: die der Umwelt, der Verkehrssicherheit und die Substanzerhaltung der baulichen Anlage“, heißt es weiter.

Die alternativen Füllstoffe sind jedoch ebenfalls umstritten. So sei die Verletzungsgefahr auf Feldern mit Quarzsandfüllung sogar noch größer als auf Ascheplätzen. Kork quilt hingegen bei Feuchtigkeit auf. „Ich sehe auch die Industrie gefordert“, sagte Wolfgang Müller, Präsident des Kreissportbundes Rhein-Sieg. Hersteller müssten nun reagieren und adäquate Alternativen entwickeln.

Naturrasen braucht Ruhezeiten

Nach Auskunft von Alfred Vianden, Präsident des Fußball-Verbands Mittelrhein (FVM), ist bereits ein neues Gutachten zur Umweltbelastung in Auftrag gegeben worden. „Das muss sorgfältig geprüft werden“, so Vianden. Sollten durch das Verbot jedoch Plätze gesperrt werden, könnte das für die Vereine zu einem massiven Pro-blem werden. Um die Kapazitäten eines einzigen Kunstrasenplatzes abzufangen, würden drei Naturrasenplätze benötigt. Im Gegensatz zu den künstlichen Feldern braucht Naturrasen Pflege und Ruhezeiten, in denen die Fläche nicht betreten werden darf. Vereine müssten auf Trainingszeiten verzichten.

Die Forscher des Fraunhofer-Instituts gehen davon aus, dass deutschlandweit jährlich 11.000 Tonnen Mikroplastik über Sportanlagen in die Umwelt gelangen. Hersteller zweifeln die Zahl an. Die Studie beruhe auf Befragungen und Annahmen. Die kleinen Partikel sind für Kläranlagen bei der Wasseraufbereitung schwer herauszufiltern, verunreinigen so das Trinkwasser und gelangen in Lebensmittel. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erklärt bislang, die gesundheitlichen Risiken für Menschen und Tiere seien nicht abzuschätzen.

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