Nur noch eine Notfallpraxis für ganz Bonn Längere Wege für die Patienten

BONN · In Zukunft müssen Patienten in Bonn längere Wege und eventuell auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen, wenn sie abends oder am Wochenende ärztliche Hilfe brauchen.

Denn allen Protesten vieler niedergelassener Mediziner zum Trotz hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Düsseldorf beschlossen, die drei Notdienstpraxen in Beuel, Bad Godesberg und Hardtberg zu schließen und für ganz Bonn ab 1. Januar 2016 nur noch eine zentrale Notdienstpraxis zuzulassen. Und viele Bonner Ärzte sind sicher: Dem Wohl der Patienten dient diese Zerschlagung einer bislang gut funktionierenden Notfallversorgung gewiss nicht.

Von der Neureglung, die die KVNO am 11. Februar beschloss, ist nicht nur Bonn betroffen. Wie der GA berichtete, wird die Zahl der Notdienstpraxen im Rheinland auf nur noch 41 reduziert und damit halbiert. Außerdem wird die Zahl der ärztlichen Fahrdienste zu Notfallpatienten radikal reduziert und demnächst von der KVNO zentral organisiert. Als Gründe für die Reduzierung der Notfallpraxen führt die KVNO bessere Wirtschaftlichkeit und eine zentrale Zugänglichkeit für die Patienten an. Gründe, die für Bonner Mediziner nicht nachvollziehbar und nur vorgeschoben sind, wie Peter Richter überzeugt ist.

Richter ist Vorsitzender des Vereins Notdienstpraxis Beuel, die dem St.-Josef-Hospital angegliedert ist. Seit 2006 gibt es sie, genauso lange wie die in Bad Godesberg am Waldkrankenhaus, die dort Patienten außerhalb der Sprechstunden ärztliche Hilfe anbietet. Die Notdienstpraxis auf dem Hardtberg, dem Malteserkrankenhaus angegliedert, ist die älteste in Bonn; sie besteht seit 15 Jahren. In den zu diesem Zweck gegründeten Vereinen regeln die Bonner Ärzte die Notdienste selbst, und auch die Kosten für die Praxen, die durch Beiträge der Mitglieder finanziert werden. Und die betragen nach Auskunft von Mediziner Richter maximal 100 Euro im Monat. Und dieses Selbstverwaltungssystem funktioniere, erklärt Richter.

Dass diese Vereine und damit ein bewährtes System nun von der KVNO zerschlagen werden, hält auch Clemens Wagner, Gründungsmitglied und Beirat des Vereins "Ärztliche Notfallpraxis Bad Godesberg-Wachtberg", für fatal. Der Hausarzt ist sicher: "Für die Bonner Bürger bedeutet dies doppelt bis dreimal so lange Versorgungswege in den Notdienstzeiten nachts und am Wochenende, eine Zumutung für eine immer älter und damit oft immobiler werdende Bevölkerung." Und er stellt fest: "In unseren Augen kann es nicht sein, dass einerseits eine dezentrale, regional angepasste medizinische Versorgung politisch ständig propagiert wird, andererseits genau solche, zudem noch äußerst wirtschaftliche Versorgungseinheiten unter dem Vorwand der Kostenersparnis zerstört und zentralisiert werden sollen."

Wagner teilt die Auffassung seines Beueler Kollegen Peter Richter, dass die nun beschlossene zentrale Steuerung durch die KVNO aus Düsseldorf außerdem zu einer erheblichen Verteuerung des gesamten Notdienstsystems führt, wie sich im Nachbarland Rheinland-Pfalz gezeigt habe. Die Zentralisierung des ärztlichen Notdienstes dort "hat die Verwaltungskosten für alle niedergelassenen Kollegen auf das Vier- bis Fünffache erhöht, wenn man diese mit jenen der Bonner Notdienstpraxen vergleicht", stellt Wagner fest. Er kritisiert überdies, dass die Umstrukturierung "ohne nähere Prüfung auf Praktikabilität in kürzester Zeit geschehen und Anfang kommendes Jahres abgeschlossen sein" solle. Die zentrale Notdienstpraxis soll am 1. Januar 2016 ihren Dienst aufnehmen.

Inzwischen haben sich die bisher in den drei Notfallpraxen organisierten Ärzte mit den Kollegen aus der Innenstadt zum "Zentralverein Ärztliche Notdienstpraxis Bonn und Umgebung" zusammengeschlossen und als günstigsten Standort das Petruskrankenhaus ausgemacht, wie Wagner erklärt. In einer Umfrage unter den Mitgliedern hätten sich 85 Prozent für diese Örtlichkeit entschieden wegen der guten Infrastruktur und günstiger Verkehrsanbindung. Und Parkplätze, so erklärte Markus Menzen, Chefarzt für Innere Medizin im Petruskrankenhaus dem GA, könne man auch zur Verfügung stellen.

Ob die KVNO diesem Standort ihr Okay gibt, ist noch offen. Denn nach GA-Informationen haben zwei weitere Krankenhäuser sich als Sitz für die neue zentrale Notdienstpraxis beworben: Marienhospital und Johanniterkrankenhaus. Aber wer auch immer den Zuschlag erhält: Die Patienten müssen demnächst von Wachtberg, Hardtberg oder Holzlar bis in die Innenstadt fahren. Die Bonner Ärzte sind sicher: Viele Kranke werden stattdessen lieber im Notfall die Ambulanz des nächstgelegenen Krankenhauses aufsuchen. Was dort angesichts ohnehin knapper Ressourcen zu noch größerer Belastung führen dürfte.

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