"Gehör beim Verbraucher finden" Landwirte sprechen über Ziele der Großdemo in Bonn

Bonn · Albert Schmitz und Marcus Vianden sprechen im GA-Interview über die Hintergründe und Ziele der Großdemo von Landwirten am kommenden Dienstag in Bonn. Sie erwarten etwa 10.000 Landwirte und Vertreter aus der Agrarwirtschaft.

 Gehören zu den Organisatoren der Großdemo: Albert Schmitz sowie Marcus Vianden (rechts), mit dabei ist Albert Schmitz junior.

Gehören zu den Organisatoren der Großdemo: Albert Schmitz sowie Marcus Vianden (rechts), mit dabei ist Albert Schmitz junior.

Foto: Axel Vogel

Der Villiper Landwirt Albert Schmitz und sein Schwarzrheindorfer Kollege Marcus Vianden sind Mistreiter bei der vor allem über das soziale Netzwerk Facebook gewachsenen Bewegung "Land schafft Verbindung". Mehr als 14 000 Mitglieder sind dort bereits aktiv, vorwiegend Landwirte. Mit ihrer Initiative wollen sie sich Gehör verschaffen. Um ihr Anliegen zu verstärken, haben Schmitz und Vianden eine Großdemonstration organisiert, die Hauptkundgebung findet am 22. Oktober auf dem Bonner Münsterplatz statt. Erwartetet werden Teilnehmer aus ganz Deutschland. Worum es den Initiatoren genau geht, wollte Axel Vogel von Schmitz und Vianden wissen.

"Land schafft Verbindung" ist quasi von heute auf morgen Anfang Oktober auf Facebook entstanden. Wie ist es dazu gekommen?

Albert Schmitz: Nicht nur bei Landwirten aus der Region ist das Fass jetzt irgendwie übergelaufen. Per Chats haben wir uns auch mit Kollegen aus ganz Deutschland ausgetauscht und festgestellt, dass es es fast jedem Betrieb schlecht geht, dieses aber bei den politischen Entscheidungsträgern und vor allem beim Verbraucher nicht ankommt. Viele Kollegen und ich sind daher zu der Entscheidung gekommen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Wir sind spontan auf die Idee gekommen, uns zusammenzutun, und daraus ist eine echte Bewegung entstanden. Die hat ein vordringliches Ziel: Aufmerksamkeit und Gehör beim Verbraucher zu finden.

Marcus Vianden: Aus meiner Sicht war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, neben dem Agrarpakt vor allem das Mercosur-Freihandelsabkommen mit Südamerika.

Herr Schmitz, sehen Sie das genauso?

Schmitz: Ja. Denn bei dem Abkommen wurden vereinfacht ausgedrückt deutsche Autos gegen argentinisches Fleisch getauscht. Wer genauer hinsieht, muss aber erkennen, dass für die Autos eine Kappung des Lungenvolumens der Welt eingehandelt wurde. In Südamerika werden nämlich die Regenwälder systematisch verbrannt, damit dort Soja angebaut werden kann, um vor Ort unvorstellbar große Rinderherden, die aus Tausenden Tieren bestehen, auf riesigen, brandgerodeten Arealen füttern zu können.

Und diese Wirtschaftspraxis trifft auch die deutschen Bauern?

Vianden: Und zwar existenziell. Denn mit dem billigen Futtermittel und Fleischerzeugnissen wird dann unseren Markt förmlich überschwemmt, aber unsere Produkte, die nach den höchsten Umweltstandards produziert werden, bleiben im Regal stehen, weil sie oft teurer sind. Das kann einfach nicht sein, denn diese Praxis ist ja auch gang und gäbe bei anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen: Denken Sie an Äpfel aus Chile, die hier jetzt in den Supermarktregalen liegen, während wir in Wachtberg in einer absoluten Apfelregion leben.

Schmitz: Auf diesen Missstand wollen wir mit unserer Demo aufmerksam machen. Und dem Verbraucher den Apfel aus der Region quasi in die Hand legen, weil er am Ende auch entscheidet, welche Lebensmittel in den Regalen der Discounter landen. Aber lassen Sie mich das klar sagen: Wir wünschen uns auch prominente Unterstützung, etwa von TV-Köchen, die einmal Werbung dafür machen sollten, dass ein Eifelrind mindestens genauso gut schmeckt wie ein Steak aus Argentinien.

Wie schwer lasten die derzeitigen Negativschlagzeilen, was Umweltbelastungen angeht, auf ihrem Berufsstand? Stichwort "Nitratbelastung" im Grundwasser.

Vianden: Schwer, denn genau das von Ihnen angesprochene Beispiel entbehrt bei genauerer Überprüfung jeder Wahrheit. Die Nitratbelastung gerade hier in der Bonner Region kommt nachweislich nicht vom Düngen durch die Landwirte. Hier werden gezielt teilweise unrichtige, beziehungsweise ungeprüfte Informationen in die Welt gesetzt. Genau diese falschen Informationen wollen wir ebenfalls auf der Demo am 22. Oktober entkräften.

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie?

Vianden: Wir rechnen mit ungefähr 10 000 Landwirten sowie Vertretern aus der Agrarwirtschaft. Auch rund 800 Traktoren werden mitfahren.

Muss man sich bei der Polizei auf Szenen wie in Frankreich einstellen, wo es gerade bei Demonstrationen von Landwirten in der Vergangenheit immer wieder zu Gewalt und Zerstörungen kam?

Schmitz: Nein, auf keinen Fall. Es wird keine Straßensperren oder brennende Autoreifen geben, und schon gar keine Übergriffe gegen Polizeibeamte. Ganz im Gegenteil: Wir haben mit der Polizei anlässlich der Organisation der Demo sehr gut zusammengearbeitet. Auch unsere Botschaften sind absolut friedlich: Es geht um Verbraucherinformationen. Außerdem möchte ich bei der Gelegenheit nochmals betonen: Landwirte schaffen Leben, sie zerstören keines. Auch das sollte bei der Debatte nicht vergessen werden. Wir leisten den größten Beitrag zum Klimaschutz, weil wir jeden Tag etwas säen, was dann am Ende CO2 bindet.

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