GA-Podiumsdiskussion Teilnehmer diskutieren lebhaft zur Seilbahn in Bonn
Bonn · Bei der GA-Podiumsdiskussion debattieren Befürworter und Gegner des Projekts über die Verkehrswende in Bonn. Auch die Frage nach möglichen Alternativen kommt auf.
Dass ausgerechnet der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Seilbahnfreies Wuppertal“ der Stadt Bonn ein Kompliment für ihr „transparentes“ Verfahren in Sachen Seilbahn-Kommunikation machen würde, war nicht unbedingt erwartbar. Dennoch war es so an diesem Freitag, an dem der General-Anzeiger zur Podiumsdiskussion unter dem Motto „Verkehrswende in der Stadt: Braucht Bonn eine Seilbahn?“ ins Haus der Bildung eingeladen hatte. Und Marc Gennat sprach als ein geladenener Vertreter der Gegenseite die warmen Worte, denen deutlich kritischere folgen sollten.
Gennat zog mit seinem eingangs erwähnten Lob vor allem eine Parallele zu seiner Heimatstadt, wo das Seilbahnprojekt nach einer Bürgerbefragung von der Politik beerdigt wurde. In Wuppertal habe es kaum Informationen an die Bürger gegeben.
Debatte im Haus der Bildung
Neben Gennat diskutierten Bonns Planungsdezernent Helmut Wiesner, Johannes Frech von der Initiative „Seilbahn für Bonn“, Paul Bossauer, Forschungsgruppenleiter für Mobilitätsthemen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, und Gundolf Reichert von der Bürgerinitiative „Bonn bleibt seilbahnfrei“ über Für und Wider der geplanten Seilbahn vom Venusberg über den Rhein. Die Moderation übernahm Andreas Baumann, Leiter der Bonner GA-Redaktion.
Wiesner zeigte sich auf Nachfrage nicht überrascht von dem Ergebnis der vom GA in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage, ob Bonn eine Seilbahn benötige. 54 Prozent hatten geantwortet, sie sei verzichtbar, 44 Prozent hielten sie für nötig. Abgesehen von Anmerkungen im Plenum, ob die Frage anders zu stellen gewesen wäre, meinte der Stadtbaurat: „Wenn 44 Prozent die Seilbahn für unverzichtbar halten, ist das gut.“ Die meisten großen Infrastrukturprojekte erhielten landesweit deutlich weniger Zustimmung.
„Bürger sind skeptisch“
Reichert bewertet das Ergebnis anders. Die Umfrage zeige, dass die Bürger skeptisch seien, dass die Stadt ein weiteres Großprojekt stemmen könne. Zudem betonte er, dass aus seiner Sicht die Seilbahn ein Projekt sei, das auch im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln zu viel Energie benötige und mehr Emissionen erzeuge als die Alternativen: „Und das bei steigenden Stromkosten.“
Die Frage nach den Alternativen kam immer wieder zur Sprache, vor allem vonseiten der Seilbahnbefürworter. Das war auch im Publikum zu bemerken, das lebhaft an der Debatte teilnahm. Darunter sowohl Befürworter als auch Gegner. Frech war es, der die Besonderheit der Seilbahn hervorhob, eine Querverbindung zu schaffen, die direkt mehrere Bahnhaltestellen einbindet mit Straßenbahnen, dem linksrheinischen UN-Campus und dem geplanten S-Bahn-Anschluss am Schießbergweg in Beuel. Frech dazu: „Durch die geplanten Seilbahnendpunkte auf dem Venusberg und am Schießbergweg ist die Lärmbelastung auf der Strecke minimiert.“
Nicht nur Reichert, sondern auch Gennat gingen mehrfach auf den Energiebedarf und Schadstoffausstoß der Seilbahn ein. Wiesner und Frech erwiderten, dass der Schadstoffausstoß auch im Zusammenhang stehe mit der Herkunft des Stroms, der – „auch dank Putin“, wie jemand aus dem Publikum bemerkte – künftig wohl zu einem höheren Anteil aus erneuerbaren Energien gespeist werde.
Schnellbuslinie eine Alternative?
Was mögliche Alternativen zu diesem Projekt angeht, schlug Gennat, Professor für Automatisierungstechnik, den weiteren Ausbau des Nahverkehrs mit Bussen vor. „Warum gibt es keine Schnellbusse auf den Venusberg? Die armen Leute müssen auf dem Weg 15 mal halten.“ Der Einsatz von mehr Fahrzeugen senke in der Folge den Autoverkehr.
Dazu sagte Wiesner, dass die Straßen hoch auf den Venusberg bereits jetzt oft voll seien. Auch Schnellbusse blieben im Verkehr stecken. Die Wachstumspläne der Bonner Uniklinik, in den kommenden sieben Jahren rund 4700 neue Beschäftigte einzustellen, seien ebenfalls zu berücksichtigen. „Eine Querverbindung über Berg, Tal und Fluss hin zu den Arbeitsschwerpunkten ist ideal. Eine U-Bahn ist auf dieser Strecke niemals zu realisieren“, sagte Wiesner.
Bossauer, der zu Mobilität forscht, hält die Seilbahn für ein Projekt, „das ein wichtiger Baustein sein kann“. Allerdings sei in der Folge darüber nachzudenken, wie die fünf geplanten Stationen in den übrigen Nahverkehr optimal eingebaut werden können, beispielsweise durch mögliche Verlegungen von heutigen Bushaltestellen.
Stadt: Keine Schneise am Hang
Da die Seilbahn hoch über den bewaldeten Venusberghang schweben soll, kam in der Diskussion die Frage auf, ob der Wald unter den Seilstreben abgeholzt werden müsste. Reichert ist davon überzeugt, „schon aus Brandschutzgründen“. Wiesner allerdings betonte, dass die von der Stadt beauftragte Planungsfirma ihm versichert habe, dass Baumfällungen nur dort notwendig wären, wo eine Stütze im Hang entstehen soll. Von ein bis zwei Baumfällungen sprach Wiesner.
Einen weiteren Ausblick gab der Stadtbaurat abschließend. Wie berichtet, wird es nicht zu einem Bürgerentscheid in der Sache bekommen, weil die Bezirksregierung zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine solche Befragung wegen der komplexen Planung rechtlich nicht zulässig wäre. Derzeit, so Wiesner, würden weitere Gutachten erstellt als Vorbereitung auf das notwendige Planfeststellungsverfahren. Die Stadt werde die Bürger weiterhin über den Fortlauf des Projekts informieren.
Die Bonner Seilbahn soll von den Unikliniken auf dem Venusberg über den Loki-Schmidt-Platz, den Bahnhof UN-Campus, die Rheinaue bis zur Bahnhaltestation Schießbergweg führen. Zusätzliche Park&Ride-Parkplätze sind nicht geplant.
Für die 4,3 Kilometer lange, auf 34 Stützen liegende Seilbahnstrecke geht die Verwaltung mit einer Fahrzeit von knapp 20 Minuten aus – eine Zeitersparnis für viele Pendler. 95 Kabinen sind geplant, die je zehn Fahrgäste, aber auch Fahrräder, Kinderwagen und Rollstühle aufnehmen können. Alle 20 bis 24 Sekunden könnte eine Gondel an den Haltepunkten losfahren. Die vertiefte Analyse, die auf einer Machbarkeitsstudie beruht, geht von knapp 15 000 Fahrgästen täglich aus. Laut des Gutachtens kalkuliert die Stadt Nettobaukosten von rund 66 Millionen Euro. Wegen möglicher Kostensteigerungen hat das von der Stadt mit der vertieften Untersuchung beauftragte Büro Spiekermann mit Kosten von knapp 86 Millionen Euro kalkuliert und anhand dieses Betrages einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,6 errechnet. Infrastrukturmaßnahmen sind ab einem Wert von 1 förderfähig. Bund und Land würden bis zu 95 Prozent der förderfähigen Kosten erstatten. Die Stadt müsste sich mit elf Millionen Euro beteiligen.
Im Gutachten steht überdies, dass die Seilbahn beim CO2-Ausstoß keine Verbesserung brächte. Während beim Individualverkehr jährliche Reduzierungen der Emissionen um 1570 Tonnen und im Bussektor 50 Tonnen erreicht würden, verursache der Seilbahn-Betrieb zusätzliche Emissionen von 1860 Tonnen jährlich. oni/kph