Bonner Neurobiologe Leibniz-Preis für Frank Bradke: Forschung auf dem Fußballfeld

BONN · Schon als Kind weiß Frank Bradke: Wissenschaft, das ist sein Ding. Heute erforscht der Neurobiologe das Wachstum von Nervenzellen. Irgendwann einmal könnte seine Forschung vielleicht helfen, Lähmungen zu heilen. Dafür bekommt er den angesehenen Leibniz-Preis.

 Bonner Spitzenforscher: Der Neurowissenschaftler Professor Frank Bradke.

Bonner Spitzenforscher: Der Neurowissenschaftler Professor Frank Bradke.

Foto: dpa

Fläschchen und Pipetten, teure Mikroskope und eine Art Brutschrank für Nervenzellen. Frank Bradke steht mitten im Labor und sagt: „Ich bin hier der Fußballtrainer.“ Bradke lacht, so wie fast immer, und erklärt: Hier am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn leitet er ein Team aus elf Leuten - seine Mannschaft. Im Labor - dem Spielfeld - findet man ihn selten. „Ich bin der, der am Rand steht und die Strategie entwirft.“ Das macht er so gut, dass er an diesem Dienstag (1. März) den hoch angesehenen Leibniz-Preis erhält.

Der 46-Jährige erforscht das Wachstum von Nervenzellen. Mit seiner Arbeit legt er die Grundlage dafür, dass Lähmungen vielleicht irgendwann einmal behandelt werden können. Er will die Nervenzellen im Rücken wieder zum Wachsen bringen. In Gliedmaßen wie Beinen und Armen gehe das problemlos - im Rückenmark nicht. Dort verlaufen sogenannte Axone, eine „Art biologische Drähte“, die eine Nervenzelle mit einem Muskel verbinden. Über diese Drähte sendet die Zelle elektrische Signale. „Wenn die Axone bei einem Unfall kaputt gehen, dann ist zwar das Gehirn da und der Muskel da, aber sie können nicht mehr miteinander kommunizieren“, erklärt Bradke.

Schon als Kind verschlang Bradke die „Was ist was“-Bücher, die Kindern die Welt erklären, wie er erzählt. Als 14-Jähriger geht er in Berlin zu Vorträgen, bei denen Forscher ihre Ergebnisse der Allgemeinheit präsentieren. Dabei ist lange nicht klar, ob er überhaupt studieren wird. Als Sohn eines Schlossermeisters und einer Sekretärin sei die Uni selten Thema beim Abendbrot gewesen. Am Ende ist es sein Bio-Lehrer, der fordert: Der Junge gehört an die Uni!

„Er ist einer, der eine Story komplett beleuchtet"

Also studiert er Biochemie, Anatomie und Entwicklungsbiologie in Berlin und London. Als Wesensmerkmal eines guten Forschers bezeichnet er auch eine gewisse Frustrationstoleranz. „Etwa 80 Prozent der Experimente gehen den Bach runter, am Ende muss man trotzdem gut gelaunt sein“, sagt er. Seine Mitarbeiter im Labor nicken wissend.

„Er ist einer, der eine Story komplett beleuchtet, der einen Befund von vielen Seiten testet“, sagt Rüdiger Klein über Bradke. Klein ist Direktor am Max-Planck-Institut für Neurobiologie bei München, an dem Bradke bis 2011 Gruppenleiter war. Die beiden arbeiteten dort lange zusammen, bevor es Bradke dann nach Nordrhein-Westfalen zog.

In Bradkes Büro hängen großformatige Fotos von Meeresküsten, die eines seiner drei Kinder im Urlaub geschossen hat. Auf seinem Schreibtisch steht die tägliche Kanne Tee, von hier aus blickt er auf ein Regal mit Fachbüchern. Er will etwas erreichen, was in keinem dieser Bücher steht: Ein kaputtes Axon wieder zum Wachsen bringen. Einen ersten Schritt sind er und sein Team gegangen. Sie haben herausgefunden, das kleine Dosen bestimmter Krebsmedikamente die Axone wieder zum Wachstum anregen können. Auch dafür bekommt der gebürtige Berliner den Leibniz-Preis.

„Das ist der Traum von jedem Wissenschaftler in Deutschland“, sagt er. Wie er das Preisgeld von bis zu 2,5 Millionen Euro für seine Forschung einsetzen will, will er in Ruhe überlegen. Denn Forschung brauche vor allem eines: viel Zeit. „Irgendwann“, hofft er, werden dann auch die Nervenstränge im Rückenmark wachsen können. „Eine filmreife Heilung, wo jemand aus dem Rollstuhl aufsteht und losgeht, kann ich mir aber nicht vorstellen“. Wahrscheinlicher seien kleine Regenerationsschritte. Das alles liegt weit in der Zukunft, aber Bradke glaubt fest daran: „Das werde ich noch miterleben, sonst wäre ich echt enttäuscht.“

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