Tag des Friedhofs in Bonn Liebevoll gepflegtes Gedenken

BONN · Noch einmal gießt Axel Neu auf dem Grab seiner Eltern Wasser nach. "Ich glaube, besonders meiner Mutter würde das gefallen, dass ich frische Blumen gebracht habe", sagt der Sohn.

 Axel Neu pflegt das Familiengrab auf dem Bad Godesberger Zentralfriedhof, in dem seine Eltern sowie seine Großeltern liegen.

Axel Neu pflegt das Familiengrab auf dem Bad Godesberger Zentralfriedhof, in dem seine Eltern sowie seine Großeltern liegen.

Foto: Ronald Friese

Seinen freien Mittwochnachmittag nutzt der Arzt gerne für einen Gang zum Familiengrab, in dem auch die Großeltern liegen. Die Eltern hätten nicht gelitten, seien nicht krank gewesen. "Sie hatten nach einem glücklichen Leben eine schnellen Tod erster Klasse", sagt der Mediziner. Sie seien mit sich und ihrer Familie im Reinen gewesen, berichtet Axel Neu und zupft noch ein letztes Mal an welken Blättchen.

Die Mutter sei dem Vater vor eineinhalb Jahren gefolgt. "Seitdem gehöre ich zur nächsten Generation. Da ist keiner mehr, der uns den Rücken stärkt", meint Neu. Der regelmäßige Gang zum Grab liege ihm am Herzen, fügt er noch hinzu, bevor er nach einem letzten stummen Besinnen zum Ausgang strebt.

Der Zentralfriedhof, einer der großen Bonner Gottesacker im Norden Bad Godesbergs, liegt in der Nachmittagssonne. "Jesus Christus. Dein Leben. Dein Sterben. Deine Auferstehung", lautet die Inschrift der Kapelle, die verschlossen am Eingang auf die nächste Beerdigung wartet.

Prominente wie der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Rainer Barzel liegen in der Nähe eher unscheinbar begraben. Oberbürgermeister wie Carl Russell haben ihre ewige Ruhe gefunden, Apotheker wie August Diedenhofen, Professoren wie Paul Wurster, Kommunalpolitiker wie Werner Wichterich, Ärzte, Ministerialräte, hoch dekorierte Militärs, der bekannte evangelische Pfarrer Heinrich Kolfhaus - bei näherem Hinsehen sind viele bekannte Namen zu lesen.

Ein aufwendig gestaltetes Grab von 1928 zeigt mit großen Skulpturen eine Szene, in der steinerne Todesengel dem immer noch eifrig lesenden Menschen den Weg nach oben zeigt. Neben einem großen Urnengefäß von 1926 prangt der Spruch: "Grenzstein des Lebens, aber nicht der Liebe".

Friedlich still ist es hier im Schatten prächtiger Bäume. Die mittägliche Rush-Hour, wenn sich die Mitarbeiter der nahen Institute auf den Bänken zum Kräftetanken treffen, ist vorbei. Eine junge Mutter schiebt einen Kinderwagen über die Asphaltwege. Nein, sie habe keine Bange, hier bestohlen zu werden, meint sie auf die Frage, ob sie vom kürzlich geschehenen Diebstahlsversuch gehört habe (der GA berichtete). Auf der Hauptachse saust ein mit Sturzhelm bewehrter Fahrradfahrer hindurch.

"Der Hauptweg wird als Abkürzung und Rennbahn genutzt", meint Marlies Roleder, die hinter den Büschen ein großes Grab pflegt. Ja, da läge eine ganze Reihe der ihr Lieben drin, nickt sie. "Aber letztlich sind es doch nur Knochen. Viel wichtiger ist doch, dass ich sie hier in mir trage."

Die Dame zeigt auf Kopf und Herz. Sie pflege das Stück Garten, das an die Verstorbenen erinnere. "Ich komme auch immer gerne, um zu sehen, wie exzellent andere Gräber hergerichtet sind, wie in einem Park. Da gibt es richtige Augenweiden", erzählt sie. Andererseits gebe es leider auch immer mehr ungepflegte Grabstätten. Roleder zeigt auf Löwenzahnweiden. "Außerdem schrumpfen die Friedhöfe. Immer mehr Freiflächen tun sich auf."

Was auch Hans Möhle bestätigt. Der Steinmetz hat in sechsstündiger Arbeit eben eine Grabeinfassung nebst Fundamenten beendet. "Damit die Anlage, wenn das Grab mal zusammensackt, intakt bleibt." Ja früher, da habe eine aufwendige Grabstätte den Reichtum der Verstorbenen widergespiegelt, erzählt der Steinmetz. "Die junge Generation ist heute eher für ein aufwendiges Auto." Vögel zwitschern von den Urnenwänden, den Kolumbarien.

Weiter hinten sind auf Grasflächen Soldatengräber zu sehen. Drüben grenzt ein Urnen- an ein Aschestreufeld und die Grasfläche für pflegefreie Urnenreihengräber. Mittendrin glitzert eine hohe silberne Stele mit Namensschildern. Marlies Roleder hat inzwischen ihr Wägelchen mit den Wasserkannen bepackt und rollt es nach Hause.

Vom Stein eines Familiengrabes hängt ein rosa Einhorn herunter. Das Plüschtier hat sichtbar viele Regenschauer abbekommen. Für das Kind, das hier seiner Großeltern gedenkt, drückt das traurige Einhorn alles das aus, was auf diesem Friedhof gilt: Trauer und liebevolles Gedenken an alle, die dem Todesengel schon gefolgt sind.

Bonns Friedhöfe

Die 40 Friedhöfe der Stadt Bonn sind mit einer Gesamtfläche von rund 1,2 Millionen Quadratmetern und etwa 14 500 Bäumen Oasen der Ruhe und Entspannung in der Hektik des Alltags.

Sie werden vom Amt für Stadtgrün betreut. Heute sind die Beerdigungszahlen eher rückläufig. Es gibt einen Trend zu Urnengräbern. Der 13 000 Gräber fassende Zentralfriedhof an der Gotenstraße wurde 1925 eröffnet.

Info

Am Tag des Friedhofs am Samstag, 20. September, gibt es von 11 bis 16 Uhr auf dem Münsterplatz Infostände, Werkstätten und Musik. Infos unter www.tag-des-friedhofs.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Von GA-Redakteur
Philipp Königs
zur Klimaplan-Bilanz
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-BilanzErfolg bemisst sich an Taten
Zum Thema
Aus dem Ressort