Nach Lockerungen in Corona-Krise Kinder dürfen wieder auf Spielplätzen toben

Bonn · Sandkasten, Schaukel, Schippe: Eltern freuen sich, dass sie mit ihren Kindern wieder auf den Spielplatz dürfen. Trotzdem seien die Konzepte für Familien innerhalb der Corona-Krise zu wenig durchdacht. Einige sehen die Lockerungen kritisch.

 Der Spielplatz an der Waldau ist auch wieder geöffnet.

Der Spielplatz an der Waldau ist auch wieder geöffnet.

Foto: Stefan Hermes

Ein wenig enttäuscht steht Cornelius Wien (36) im Sandkasten des Poppelsdorfer Spielplatzes an der Argelanderstraße. Seine Kinder Elisa (2) und Leonard (4) schaufeln derweil zufrieden im Sand. „Ich hatte gehofft, hier mehr Kinder und Eltern aus der Kita zu treffen“, sagt Wien. Er hat täglich beobachten können, wie seine Kinder aus der Wohnung in der nahen Blücherstraße auf den mit rot-weißem Absperrband geschlossenen Spielplatz guckten. Sie konnten nicht verstehen, warum sie den Spielplatz seit Wochen nicht mehr betreten durften. Das hat sich mit den umfangreichen Lockerungsmaßnahmen, die am Mittwochabend bekannt wurden, geändert.

Mindestabstand auch auf Spielplätzen

Seit Donnerstag sind die rund 300 Bonner Spielplätze wieder geöffnet, Absperrbänder und Verbotsschilder entfernt. Stattdessen erinnern nun Tafeln daran, den Mindestabstand von 1,5 Metern auch auf den Spielplätzen einzuhalten. Oberbürgermeister Ashok Sridharan ließ mitteilen, dass er froh sei, Kindern wieder die Möglichkeit geben zu können, im Freien zu spielen. Doch er erinnerte auch daran, dass es weiterhin gelte, die Ausbreitung des Coronavirus so weit wie möglich einzudämmen. „Das gelingt nur, wenn wir Rücksicht aufeinander nehmen.“

Dass dieser Appell die Bonner Eltern erreicht hat, bestätigt sich auf vielen Plätzen. Trotz des sommerlichen Wetters hat sich der zunächst befürchtete Andrang bisher in moderaten Grenzen gehalten. Die Beobachtung verschiedener Spielplätze zeigt, dass überall genügend Raum auf Bänken oder Spielgeräten ist, um eine mögliche Infektion zu vermeiden. Und die Eltern freuen sich unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands über die Möglichkeit, ihre Kinder wieder miteinander spielen zu lassen. „Der Spielplatz hat gefehlt. Genauso, wie jetzt auch noch die Kita fehlt“, fasst Wien zusammen.

Konzepte für Familien fehlen in Corona-Debatte

Ihm sei in den vergangenen Wochen aufgefallen, wie wenig Lobby die Kinder in der Debatte hätten. „Die Leute werden sich fragen, warum die Bundesliga wieder spielen darf und Familien nicht in einen gesonderten Regelbetrieb kommen können“, sagt er und fragt, „wo sind die Konzepte für Familien?“.

Diese Frage stellt sich auch ­Verena Jochum: Die Tagesmutter trifft mit der von ihr betreuten eineinhalbjährigen Lotta auf Michael Thieke, der ebenfalls mit seiner Tochter Elisabeth (2) den Spielplatz im Beethovenpark besucht. Gerade spuckt Elisabeth zum Erschrecken aller mit einer Sprühfontäne den Sand aus, der ihr beim „Kuchenbacken“ in den Mund geriet. Auch Elisabeth wird normalerweise von Jochum betreut. Doch ihre private Kita ist geschlossen. „Es ist schon paradox“, so Thieke, „dass die Kinder hier zusammen spielen können, aber eine offizielle Betreuung verboten ist.“

Als Freiberufler fällt es ihm schwer, Kind und berufliche Anforderungen unter einen Hut zu bekommen. Seine Frau ist als Beamtin ganztags außer Haus. Jetzt ist der Vater froh, dass seine Tochter wieder mit anderen Kinder spielen darf. „Sie ist viel entspannter, als wenn ich alleine mit ihr zuhause bin“, so Thieke. Zum Glück habe es in den vergangenen Wochen meist schönes Wetter gegeben, so dass er sich mit seiner Tochter – mangels Garten – viel außer­halb der Wohnung bewegen konnte.

Auch Familie Börsch verfügt in ihrer Altstadtwohnung nur über einen kleinen Balkon. Mit seiner 21 Monate alten Tochter Eleonora hat Vater Markus die Gunst der Stunde genutzt und ist zum Spielplatz an der Waldau gefahren. „Wenn ich mit der Kleinen bei uns um die Häuser gehe“, so Börsch (37), „dann ist ja alles, was in Bonn nach Grünfläche aussieht, leider eine Hundetoilette.“ Ständig müsse er dort das Spielen oder Betreten verbieten. Es sei schon traurig, dass seine kaum zwei Jahre alte Tochter bereits immer „Nein, nein!“ rufe, wenn sie ein Absperrband sehe.

Die frühe Lockerung sieht er als Arzt am Petrus-Krankenhaus durchaus kritisch. Er bedauert, dass man den Menschen nicht vermitteln konnte, dass eine Verlängerung der Maßnahmen sinnvoll ist, um Zustände wie in Italien oder New York zu verhindern. „Ich glaube, dass das Infektionsrisiko nicht vorbei ist und wir mit der jetzigen Lockerung eine höhere Durchseuchung provozieren“, so Börsch.

Es sei ausgesprochen unglücklich gewesen, „dass die Corona-Welle mit einem super Sommerwetter im Frühling einhergegangen ist.“ Es sei somit immer schwieriger geworden, die Leute zu Hause zu halten. Auch Börsch wird am Wochenende zum ersten Mal wieder mit seiner Familie seine Schwiegereltern besuchen. Seit Weihnachten haben sie ihre Enkeltochter nicht mehr gesehen.

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