Interview zu Chancen und Risiken „Man muss die Fähigkeiten der Menschen feststellen“

Bonn · Der Wohnungsmarkt, die Bildungsangebote, die Situation auf dem Arbeitsmarkt: Die Zuwanderung von Flüchtlingen betrifft alle Formen gesellschaftlichen Lebens. Professorin Isabel Schnabel über die Auswirkungen. Die Fragen stellte Philipp Königs.

 Die Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel gehört auch zu den Wirtschaftsweisen.

Die Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel gehört auch zu den Wirtschaftsweisen.

Foto: Universität Bonn/Volker Lannert

Was glauben Sie, was die Aufnahme von Flüchtlingen für eine Stadt wie Bonn beziehungsweise für Kommunen bedeuten?
Isabel Schnabel: Hieraus entstehen große Herausforderungen. Dies betrifft zunächst einmal die Unterbringung. Die Nutzung von Turnhallen oder ähnlichen Gebäuden kann ja höchstens für eine kurze Zeit eine Lösung darstellen. Mittelfristig müssen dauerhafte Wohnmöglichkeiten bereitgestellt werden, was gerade in einer Stadt wie Bonn mit einem angespannten Wohnungsmarkt schwierig ist. Ohne zusätzliche Bauaktivitäten wird das kaum möglich sein. Dann geht es aber natürlich auch um die Ausbildung und die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft.

Was muss man tun, um diese Menschen schnell und gut in den Arbeitsmarkt integrieren zu können?
Schnabel: Ein erster wichtiger Schritt ist die Verbesserung der Deutschkenntnisse. Außerdem muss festgestellt werden, über welche Fähigkeiten die Menschen bereits verfügen. Darauf aufbauend kann dann überlegt werden, ob weitere Ausbildungsschritte sinnvoll sind. Praktika können hilfreich sein, um es den Flüchtlingen zu ermöglichen, sich in einem Unternehmen zu bewähren. Der Sachverständigenrat hat außerdem dafür plädiert, die Ausnahmen vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose auf Flüchtlinge auszudehnen, da diese typischerweise ebenfalls lange nicht gearbeitet haben.

Man geht davon aus, dass lediglich 15 bis 20 Prozent der Neuankömmlinge qualifizierte Arbeiter sind. Das dürfte die Integration vieler erschweren.
Schnabel: Es bedeutet, dass viele der Ankömmlinge nicht unmittelbar in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Ohne zusätzliche Ausbildung wird man nur wenige Personen in den Arbeitsmarkt integrieren können. Dies gilt umso mehr, da auch für Flüchtlinge der Mindestlohn gezahlt werden muss.

Sehen Sie eher Chancen oder Risiken, was die Entwicklung der kommenden Jahre angeht?
Schnabel: Wenn es gelingt, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen, sind die Belastungen durch die Flüchtlinge zu tragen. Wie groß diese Belastungen ausfallen, hängt entscheidend davon ab, inwiefern es gelingt, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren.

Ist absehbar, was der Zustrom künftig für die Arbeitslosenzahlen bedeutet?
Schnabel: Kurzfristig ist auf jeden Fall mit einer höheren Arbeitslosigkeit zu rechnen. Je nachdem, wie gut es gelingt, die Flüchtlinge zu integrieren, wird es allmählich aber auch zu einem Anstieg der Erwerbstätigkeit kommen. Es wird vermutlich einige Jahre dauern, bis die Erwerbschancen der Flüchtlinge ähnlich sind wie bei anderen Zuwanderergruppen.

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