Prozess in Bonn Meckenheimer nach Tötung seiner 90-jährigen Mutter verurteilt

BONN/MECKENHEIM · Vor dem Bonner Landgericht wurde am Donnerstag ein 56-Jähriger wegen Totschlags verurteilt. Der Meckenheimer soll seine 90 Jahre alte Mutter erstochen haben. Verlassen hat der Mann das Gericht am Donnerstag trotz des Urteils zunächst auf freiem Fuß.

 Der Angeklagte im Bonner Gericht.

Der Angeklagte im Bonner Gericht.

Foto: Ulrike Schödel

Betreten hatte der Angeklagte den Gerichtssaal noch in Handschellen – verlassen durfte er ihn zumindest vorläufig als freier Mann. Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten hat die vierte große Strafkammer am Bonner Landgericht am Donnerstag gegen den 56-Jährigen aus Meckenheim verhängt, der für schuldig befunden wurde, seine pflegebedürftige Mutter in einem „affektiven Durchbruch“ mit einem Stich ins Herz getötet zu haben.

Weil er sich keinen Verurteilten vorstellen könne, bei dem die Fluchtgefahr geringer sei, setzte der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff zugleich den bestehenden Haftbefehl außer Kraft. Das bedeutet, dass der Mann, sobald das Urteil rechtskräftig wird, seine Strafe im offenen Vollzug verbüßen kann. Der 56-Jährige hatte zeitlebens mit seiner Mutter zusammengelebt und die 90-Jährige bis zu der Tat Ende Juni aufopferungsvoll gepflegt. „Hier haben wir eine Affekttat wie aus dem Bilderbuch“, sagte Reinhoff in der Urteilsbegründung. Der Verurteilte sei ein Mann, der immer alles in sich hineingefressen habe und eines Tages explodiert sei.

Offenbar hatte sich der Verurteilte komplett dem Willen seiner dominanten Mutter gebeugt. Nicht einmal mit seinen Kollegen hätte er sich treffen dürfen. Auch nächtliche Autofahrten waren tabu, wie eine gute Bekannte des Opfers als Zeugin ausgesagt hatte. Nach der Trennung von ihrem Mann, dem Vater des 56-Jährigen, hatte die Mutter den Jungen seit 1971 allein erzogen. Dabei habe sie ihm wohl zumindest subjektiv das Gefühl gegeben, dass Männer immer die Schuldigen seien, so Reinhoff. Außerdem hatte sie nach den Aussagen mehrerer Zeugen oftmals sogar in seiner Anwesenheit betont, dass er kein Wunschkind gewesen sei.

Sohn hilft nicht, sondern greift zum Messer

Das habe wohl bei dem Meckenheimer zu der Überzeugung geführt, er schulde seiner Mutter sein Leben. Nicht nur, dass er ihr versprechen musste, sie niemals „in ein Heim zu tun“. Als sie im Sommer stürzte und einen Oberschenkelhalsbruch erlitt, verlangte sie sogar von ihrem Sprössling, den Unfall geheim zu halten. Offenbar ahnte sie, dass alle Verwandten und Bekannten sie sonst drängen würden, doch in ein Seniorenheim zu ziehen. „Das konnte der Junge doch gar nicht schaffen“, hatten gleich mehrere Zeugen vor Gericht gesagte.

Dass der Sohn allerdings nicht die Notbremse zog und um Hilfe bat, sondern stattdessen zum Messer griff, liegt laut Reinhoff wohl auch am kühl strukturierten Charakter des 56-Jährigen. Der habe es auch der Kammer nicht immer ganz einfach gemacht. Die extrem nüchterne Schilderung seiner Tat gehöre aber offenbar zu seinem Wesen, das nicht dazu angetan sei, einen sofort für ihn einzunehmen.

Dennoch glaubte die Kammer dem Mann, dass er selber nicht fassen konnte, was er getan hatte. Dafür sprächen sowohl der anschließende Suizidversuch als auch die Tatsache, dass er drei Tage lang hilflos mit der toten Mutter in der Wohnung verbracht habe. Auch wenn man ein gewisses Verständnis für die Tat aufbringen könne, so Reinhoff weiter, hätte der Mann früher erkennen müssen, dass es durchaus zum Wohle der Mutter gewesen wäre, sie gegen ihren Willen in ein Heim zu geben.

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