Präventionsarbeit gegen Cybermobbing in Bonn Medienscouts helfen Mitschülern beim Kampf gegen digitale Übergriffe
Bonn · Die Polizei und die Stadt setzen bei ihrer Präventionsarbeit gegen Cybermobbing auf die Beratung von Jugendlichen und ihren Eltern.
Eine aktuelle Studie von Saferinternet.at in Österreich hat ergeben, dass zehn Prozent der Jugendlichen es normal finden, Nacktfotos zu verschicken. "Die Hemmschwelle sinkt", sagt Polizeisprecher Robert Scholten und zieht einen Vergleich: Was würden diese Schüler wohl sagen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit an einem Zebrastreifen ausziehen sollen? Das "virtuelle Ich" scheint einen anderen Stellenwert zu haben.
Scholten verweist auf das fehlende Unrechtsbewusstsein. Irgendwann sei dann die Grenze erreicht, wo Cybermobbing strafrechtlich relevant wird. So setzt die Polizei, wie viele andere, auf Prävention, will die Jugendlichen beraten, bevor etwas Schlimmes geschieht. So geht auch Lorenz Wüsten, Fachmann für Jugendschutz im Polizeipräsidium Bonn, auf die Jugendlichen zu und klärt sie an den Schulen über Themen wie Identitätsschutz im Netz oder die Verbreitung von Fotos und Videos auf.
"Ein Smartphone ist kein Handy, sondern ein Computer", macht er klar. Die Schwemme der Geräte unter den Jugendlichen hat nach Scholtens Angaben 2013 eingesetzt. Das lag daran, dass die Geräte, aber auch die Handyverträge immer günstiger wurden. Damals traten die Schulen an die Polizei heran. Neben zahlreichen Mobbingvarianten hat sie auch das sogenannte Cybergrooming im Blick, bei dem erwachsene Täter aus sexuellen Beweggründen über das Internet Kontakt auf nehmen.
Medienzentrum setzt auf Vorbeugung
Die Polizei rät Eltern, sich für ihre Kinder zu interessieren, mit ihnen über Begriffe wie Freundschaft zu sprechen. Sie sollten sie ermuntern, nicht allem und allen im Netz zu vertrauen. Die Beweggründe der Kinder sind weniger vielschichtig als die Arten des Cybermobbings.
"Es geht letztlich darum, wo ich in der Gruppe stehe", sagt Sabine Lukas vom Bonner Schulamt. Zu dem gehört das Medienzentrum Bonn an der Riesstraße, das Sabine Hörter leitet. Was so alles mit den Handys getrieben wird, fänden die Erwachsenen oft schlimmer als die jungen Leute. "Weil es uns fremd ist. Wir sind nicht mit den neuen Medien aufgewachsen", sagt sie. So setzt das Medienzentrum ganz auf Vorbeugung.
"Die Kinder müssen Selbstbewusstsein entwickeln", so Sabine Lukas. Man dürfe sie nicht zu sehr kontrollieren. Stattdessen müsse von Eltern und anderen erwachsenen Bezugspersonen Vertrauen aufgebaut werden. Das ist aber gar nicht so leicht, da auf der anderen Seite Kinder und Jugendliche da ihre Grenzen ausloten, wo es die Erwachsenen nicht mitbekommen sollen. Sie wollen bei den neuen Medien unter sich sein.
Scouts informieren seit 2013
Da kommen die Medienscouts ins Spiel - alles Schüler, meist Achtklässler. "Sie werden ein halbes Jahr lang geschult", sagt Hörter, an vier kompletten Workshop-Tagen. Seit 2013 gibt es die Scouts, die ihre Mitschüler darüber informieren, wie sie sich vor Mobbing schützen können. Angesichts des bekannten Handymissbrauchs sind die Ratschläge simpel: Etwa keine Passwörter verraten und keine peinlichen Fotos posten. Gerade Letztere lassen sich kaum aus dem Netz löschen. "Je mehr ich von mir erzähle, desto mehr Angriffsfläche biete ich", sagt Sabine Hörter.
Auf dem Schulhof sehe man, wenn jemand weinend wegläuft. Bei Whatsapp auf dem Smartphone fehle dieser direkte Kontakt. So trauen sich viele beim Posten mehr, als wenn sie jemandem eine Beleidigung ins Gesicht sagen würden. Die Medienscouts versuchen, ihre Mitschüler zu bewegen, sich in die Rolle eines Cybermobbingopfers zu versetzen. Und ihnen klar zu machen, dass Betroffene nicht abwarten, sondern sich schnell Unterstützung holen sollten - bei Eltern, Freunden, Vertrauenslehrern.
Sabine Hörter weiß, dass Eltern die Geräte ihrer Kinder kaum kontrollieren. "Es gibt TV-Zeiten, PC-Zeiten, aber keine fürs Smartphone." Ihre Altersempfehlung dafür liegt bei zwölf bis 13 Jahren. Übrigens: Der Chatdienst Whatsapp ist eigentlich erst ab 16 Jahren freigegeben, Facebook, Twitter und Instagram ab 13. Die Anmeldedaten werde aber nicht überprüft, so dass die Altersbeschränkung praktisch wirkungslos ist. Eltern sollten genau abwägen, welche Anwendung für ihr Kind schon geeignet ist.
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