Streitpunkt Ladenschlussgesetz Meinungen zum verkaufsoffenen Sonntag in Bonn

Bonn · Unsere internationalen Leser haben sich zum deutschen Ladenschlussgesetz geäußert. Die Redaktion von GA-English kennt auch den Alltag aus anderen Ländern.

Vor wenigen Wochen wurde in dem kleinen Örtchen Datteln, zwischen Dortmund und Münster, der verkaufsoffene Sonntag beim Frühlingsfest „Dattelner Mai“ am Freitagnachmittag vom Stadtrat gekippt, weniger als 48 Stunden bevor die Läden ihre Türen öffnen sollten - zum Ärger von Ladenbesitzern und Angestellten. Sie hatten gehofft, ein paar Überstunden und Freizeitausgleich und auch einige Euro aufschreiben zu können.

Entscheidungen wie diese sind kein Einzelfall. Das Ladenschlussgesetz taucht immer wieder in den politischen und wirtschaftlichen Tagesordnungen auf.

GA-English-Mitarbeiterin Carol Kloeppel hat festgestellt, dass einige Deutsche die Arbeit am Sonntag als eine Aufopferung ansehen - Zeit, die man ohne die Familie verbringt. Jeder, der nicht im medizinischen Sektor arbeitet, bei der Polizei, der Feuerwehr oder in der Gastronomie, hält den Sonntag als Familientag frei.

„Als ich kürzlich in Bonn Brötchen kaufen war, hing da an der Bäckerei ein Schild, auf dem erklärt war, dass die Preise am Wochenende hier höher seien. Weil die Angestellten ein Opfer brächten, wenn sie den Sonntagmorgen nicht im Kreise ihrer Familie verbringen könnten und daher entschädigt werden müssten.“

Das ist etwas, was ihrer Meinung nach ihrer Heimat, den Vereinigten Staaten von Amerika, komplett anders ist. „Viele sehen die Arbeit am Sonntag tatsächlich als Chance an, noch ein paar Stunden mehr zu machen, und es gibt sowohl den Angestellten als auch den Kunden mehr Flexibilität in ihren Terminkalendern.“

Kate Carey, ebenfalls Mitarbeiterin bei GA-English und gebürtige Britin, erinnert sich noch gut an Kampagnen in England, bevor die Gesetze 1994 gelockert wurden, in denen danach gerufen wurde, den „Sonntag in Ehren zu halten“. Die Leute brachten die gleichen Argumente vor, die derzeit in Deutschland debattiert werden: „Zeit für Freunde und Familie, Schutz der Angestellten etc.“

Nachdem Kate Carey in Großbritannien und Australien gelebt hat, wo die Sonntagszeiten in den Läden viel lockerer sind, und auch einige Jahre in Belgien und nun in Deutschland, wo die Vorgaben viel strenger sind, sagt sie, dass ihr letzteres besser gefällt. „Ich finde, dass es immer wichtiger wird, sich in der heutigen Zeit eine Auszeit zu nehmen und ein wenig abzuschalten und zu entspannen. Ich mag das in Deutschland und Belgien, dass es nicht nur praktisch unmöglich ist, sonntags einzukaufen, sondern dass man auch nichts tun darf, was zu laut ist. Es gibt nichts Schlimmeres, als an einem Sonntagmorgen von den Geräuschen des Rasenmähers des Nachbarn geweckt zu werden.

Einkaufen 24/7 – und das Familienleben?

Carol Kloeppel hat gemerkt, dass „einige amerikanische Familien, die eine Zeit in Bonn gelebt haben und wieder nach Hause zurückgekehrt sind, den langsameren Lebensstil hier sehr zu schätzen wussten“. „Sie nahmen die geschlossenen Läden als Anreiz, etwas mit der Familie zu unternehmen oder einfach zu entspannen. Viele waren außerdem Stammbesucher bei den Gemüsemärkten am Sonntag.“

Aber es ist nicht alles eitel Sonnenschein, gibt Kate Carey zu: „Was ich wirklich unpraktisch finde, sind die Öffnungszeiten der Banken hier. Ich verstehe einfach nicht, warum Banken mittags schließen, genau dann, wenn andere Berufstätige zu ihnen wollen. Tatsächlich finde ich jeden Laden, der mittags schließt, ein bisschen komisch. Das gibt es in England kaum noch.“

Und natürlich sind es die Vollzeit-Berufstätigen, die am Sonntag in den Supermarkt gehen würden. „Es ist schon hilfreich, wenn man nicht alle Pflichten in den einen Wochenendtag hineinquetschen müsste, weil der Samstag ja auch oft ausgebucht ist mit Terminen der Kinder, Sportveranstaltungen und anderen Aktivitäten."

Wie dem auch sei, "in England nutzen viele Leute das Online-Shopping-Angebot der Supermärkte und lassen sich ihre Einkäufe nach Hause liefern. In Belgien habe ich das auch oft gemacht. Vielleicht ist das etwas, was die deutschen Supermärkte verstärkt anbieten könnten. Ich fand das richtig überraschend, dass das hier nicht mehr verbreitet ist“, sagt Kate Carey.

Die Deutschen gehen sicherlich gerne sonntags und spätabends einkaufen, zumindest im Urlaub. Ob sich aber das Ladenschlussgesetz in Deutschland ändert, bleibt offen. Mareike Graepel, eine deutsche Journalistin, die lange in Irland gelebt hat, sagt: „Ich bin gerne außerhalb der mir gewohnten Öffnungszeiten einkaufen gegangen, wenn ich etwas Wichtiges für einen sonntäglichen Grill-Abend vergessen hatte, oder das neue Album meiner Lieblingsband nicht am Freitag kaufen konnte, oder wenn ich ein Geschenk für das neugeborene Baby einer Freundin brauchte.“ "Aber", fügt sie hinzu, „das mag ja praktisch sein, ist es denn auch notwendig?“

Ganz sicher ist es jedenfalls eine neue Erfahrung für alle, die nach Deutschland kommen, sagt Carol Kloeppel. „Amerikanische Studenten, die für ein Semester in Berlin waren, haben mir erzählt, dass sie sich sehr daran gewöhnen mussten, dass die Läden sonntags zu sind - es zwang sie, vorausschauend zu planen. ‚Verrückt‘ war das Wort, mit dem sie die Ladenöffnungszeiten beschrieben. Zuhause in den USA kennen sie Läden, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche geöffnet sind.“

Natürlich ist es schön, an einem Sonntag durch eine hübsche und malerische kleine Stadt zu schlendern - ohne Termine, ohne Verabredungen, ohne Stress, außer dass es vielleicht sehr voll sein könnte, in den kleinen Lädchen. Während der Vorweihnachtszeit öffnen in den meisten Städten die Geschäfte auch sonntags. Aber dennoch bleibt es etwas Besonderes, was nicht in jeder Stadt und nicht an jedem Sonntag passiert.

Dass das Familienleben nicht unterschätzt werden sollte, findet Mareike Graepel: „Arbeit, Schule und viele andere tägliche Belastungen machen den Sonntag zu etwas ganz Besonderem, und wir genießen diese Momente, wenn wir uns zum Spielen zusammensetzen können. Ich bin sicher, dass unsere Kinder sich später an diese Momente mehr erinnern werden, als sich neben mir durch einen vollen Supermarkt quetschen zu müssen - was sie ja an vielen anderen Tagen schon oft genug machen müssen.“

Die Diskussion geht weiter.

(Text: GA-English-Team, Übersetzung: Mareike Graepel)

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