"Mein Herz hängt an diesem Viertel" Menschenkette rund ums Bonner Viktoriakarree

Bonn · Demonstranten wollen, dass der Stadtrat seine Zustimmung über den Verkauf der Immobilien an René Benkos Signa zurücknimmt. Sie möchten keine Shopping Mall in den von studentischem Leben geprägten Quartier haben.

Die Initiative „Viva Viktoria“ hat am Montagabend die Reihe ihrer Proteste gegen den Verkauf der städtischen Immobilien an René Benkos Immobiliengesellschaft Signa eingeleitet. Trotz des schlechten Wetters und der immer wieder einsetzenden Regenfälle kamen rund 250 Bürger, um ihrem Unmut, an dieser Stelle eine Shopping-Mall zu bauen, Ausdruck zu verleihen. Ganz umschlossen wurde das Quartier zwischen Belderberg, Franziskaner Straße, Stockenstraße und Rathausgasse zwar nicht, die Initiatoren werteten das aber dennoch als positiven Start.

Wie berichtet, wollen Einzelhändler und Gastronomen sowie Anwohner im Viktoriaviertel den Stadtrat über ein Bürgerbegehren dazu drängen, ihre Zustimmung zum Verkauf der städtischen Immobilien an die Signa zurückzunehmen. Diese will bekanntlich eine Einkaufsmall mit rund 15000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche schaffen. Außerdem soll Raum für die Philologische Bibliothek geschaffen werden.

„Mein Herz hängt an diesem Viertel, weil es mich an meine Studienzeiten erinnert. Es hat ein ganz eigenes Flair“, begründete Andrea Babar, 47, ihre Teilnahme an der Demonstration. Ähnliche Motive führt Andreas Jünger, 26, an: „Ich habe in Bonn studiert, bin mittlerweile wieder zurückgekehrt in diese Stadt und möchte, dass dieses Viertel die Atmosphäre behält, die es hat.“

„Wir wollen keine Shopping Mall. Es gibt genug Geschäfte in Bonn. Wir wollen, dass die bestehende Kultur erhalten wird. Bonn ist eine Studentenstadt und sollte auch Ecken haben, wo dieses gelebt wird – so wie hier“, sagte Gabriele Muhr, 57. Und Hans Gottfried Tretter, 56, wollte „ein Zeichen setzen, dass die Politiker merken, dass die Demokratie lebt, dass die Bürger wachsamer sind, als viele denken“.

Reggae-Musik strömt aus den Lautsprechern, der Regen prasselt auf die Schirme. Die Demonstranten halten bunte Luftballons gegen den tristen Himmel. „Wir müssen jetzt mobilisieren, weil wir ab dem 28. August nur vier Wochen Zeit haben, die nötigen 10000 Unterschriften zu sammeln, erklärte Axel Bergfeld, eine der treibenden Kräfte in der Initiative. Bergfeld, Geschäftsführer der gleichnamigen Biomärkte, ist mit einer seiner Filialen geradezu trotzig in dieses Viertel gezogen, obwohl er wusste, dass es Pläne gab, hier ein großes Geschäftshaus zu erreichten. Aber er sei total überzeugt von dem Standort, sagte er.

So wie Marcos Rivera y Mirkes, der Antiquitätenhändler am Belderberg, der gestern Abend eine engagierte Rede hielt. Er kritisierte, dass die Stadt die betroffenen Händler und Bewohner in dem Quartier überhaupt nicht in ihre Pläne einbezogen habe. Als er bei der Stadt deswegen vorstellig geworden sei, habe man ihm gesagt, es dürfte ja kein Problem sein, ein anderes Ladenlokal in der Innenstadt zu finden – es stünden doch so viele leer. Genau das sei die Crux: „In Bonn gibt es genug Passagen, die nicht genutzt werden. Eine Shopping Mall braucht kein Mensch.“

„Herzlos“ seien diese Konstrukte, meinte Bergfeld, und Alexander Kleinschrodt, Mitglied der Werkstatt Baukultur der Uni Bonn, hob in einer Rede die Nachteile einer Shopping Mall hervor, die in „akademischen Diskussionen“ immer wieder zur Sprache kämen: Entscheidend sei, dass es sich dort nicht um einen öffentlichen Raum handele. „Sowas wie heute diese Demo wäre dort nicht möglich“, sagte er unter dem Beifall der Demonstranten.

Unter den Demonstranten sah man auch Vertreter der Grünen und der Linksfraktion, die beide die Signa-Pläne ablehnten. „Wir wollen nicht hinnehmen, dass die investorengläubigen Fraktionen CDU, SPD und FDP immer mehr kommunales Eigentum an private Investoren verscherbeln und ein gewachsenes Viertel kaputtmodernisieren“, so Jürgen Repschläger von der Linksfraktion. Auch der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Peter Ruhenstroth-Bauer zeigte Verständnis für die Proteste: „Der Verein macht auf einen ganz zentralen Punkt aufmerksam: Bauen und Stadtentwicklung sind kein Selbstzweck.“

Ab 19. August findet jeden Mittwoch ab 17 Uhr eine Demo rund ums Viktoriakarree statt. Am 22 August, veranstalten die Initiatoren ein Nachbarschaftsfest mit Bürgerwerkstatt.

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