Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Merkel weiht Neubau des DZNE in Bonn ein

Bonn · Wer fast 127 Millionen Euro in ein modernes Wissenschaftszentrum investiert, darf nach Fertigstellung auch mal schauen, was draus geworden ist. So auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Mittwoch zur offiziellen Eröffnung des DZNE auf den Venusberg kam.

Winke,winke: Merkel bei ihrem Rundgang durch das Demenzzentrum. Monique Breteler (r.) erklärt ihr die Rheinlandstudie.

Winke,winke: Merkel bei ihrem Rundgang durch das Demenzzentrum. Monique Breteler (r.) erklärt ihr die Rheinlandstudie.

Foto: Benjamin Westhoff

In gewisser Weise waren sie natürlich „nur“ als Vertreterinnen einer Gesellschaft dort, die zunehmend unter Demenzerkrankungen wie Alzheimer, ALS oder Parkinson leidet. Um die Erforschung genau solcher Nervenkrankheiten soll es in den kommenden Jahrzehnten im DZNE gehen. Forscher schätzen, dass alleine in Deutschland derzeit zwischen 1,5 und zwei Millionen Menschen unter solchen, zunehmend im Alter auftretenden Krankheiten leiden. 2050 könnten es Prognosen zufolge schon drei Millionen sein. Hinzu kommen betroffene Angehörige, die oft in die Pflege eingebunden sind. „In seiner Bedeutung ist das Zentrum deshalb nicht hoch genug einzuschätzen“, sagte Merkel.

Schon in der kurzen Zeit des Bestehens habe das DZNE eine große Reputation erreichen können. Rund 3000 Publikationen sind seit- dem erschienen. „Demenzerkrankungen bedeuten bittere Einschnitte, sowohl für den Patienten als auch für die pflegenden Familien“, erklärte die Kanzlerin. Sie zitierte aus dem Buch von Inge Jens. Über ihren demenzkranken Mann, den mittlerweile verstorbenen Schriftsteller und Denker Walter Jens, schrieb sie: „Er merkte, wie ihm alles entglitt.“

Aus Sicht von Wissenschaftsministerin Schulze liegt die Stärke des neuen Wissenschaftszentrums mit seinen insgesamt neun Standorten in ganz Deutschland „in den verschiedenen Blickwinkeln der Forschung“. Vielfalt und der Austausch seien unabdingbar, „um eine der größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft entgegenzutreten“.

Am Hauptstandort Bonn und den weiteren acht Standorten des DZNE befassen sich Wissenschaftler mit Grundlagenforschung, klinischer Forschung, Pflegeforschung und einer auf 30 Jahre angelegten Populationsuntersuchung, der Rheinlandstudie.

Der wissenschaftliche Leiter des DZNE, Pierluigi Nicotera, sprach angesichts der offiziellen Eröffnung von „einer Idee, die nun zu einer erfolgreichen Realität geworden ist“. Der moderne Neubau des Stuttgarter Architektenbüros „wulf architekten“ sei ein beeindruckendes Gebäude.

Merkel im DZNE in Bonn

Davon konnten sich Kanzlerin und Ministerin bei einem Rundgang einen Eindruck verschaffen. Vorbei an Lichtmikroskopen, die Gewebe, Nervenzellen und sogar Moleküle schichtweise darstellen können. Letzten Endes bauen sie ein dreidimensionales Bild zusammen. Mit einem Robotik-System können Forscher die Wirkung von Substanzen auf Nervenzellen testen. Es dient der Suche nach wirksamen Medikamenten. Der Vorteil eines solchen Automaten liegt in der enormen Genauigkeit. Kein Laborant wäre in der Lage, die Messmengen so exakt abzufüllen.

Bisher gibt es keine Therapien gegen Demenzerkrankungen. Das zu ändern ist eines der Ziele des Demenzzentrums. „Deshalb suchen wir insbesondere im Gehirn, im Blut und auch im Verhalten nach Kennzeichen, sogenannten Biomarkern, die eine Erkrankung schon im Anfangsstadium feststellen können“, so der Direktor für klinische Forschung am DZNE, Thomas Klockgether. Die frühzeitige Erkennung absterbender Nervenzellen ist auch ein Ziel der Rheinlandstudie. Über 30 Jahre werden freiwillige Teilnehmer in der Hoffnung untersucht, Anhaltspunkte zu finden, wie sich eine Demenz ankündigt.

Als promovierte Physikerin und Grundlagenforscherin in ihrem Leben vor der Berufspolitik wusste Merkel jedenfalls, was sie den Wissenschaftlern zu wünschen hat. „Immer genug Arbeit, sonst macht Grundlagenforschung keinen Spaß.“ Und das unter der Voraussetzung, dem Patientenwohle zu dienen und die Belastungen für Familie und Gesundheitssystem zu verkleinern.

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