Stippvisite in Bonn Merkel zollt Katastrophenhelfern Respekt

BONN · Die Bundeskanzlerin besucht Profis und Ehrenamtliche in Bonn: "Sie sind Botschafter eines Landes, in dem das Miteinander eine große Rolle spielt". Wie man Krisen mit Muskelkraft, Seilwinden und einem gut gefüllten Werkzeugkoffer statt mit den Mitteln der Politik löst, schien ihr nun ein durchaus willkommener Exkurs abseits vom Berliner Kosmos zu sein.

 Die Regierungschefin mag es geländegängig: Das Deutsche Rote Kreuz zeigt ihr ein Fahrzeug, mit dem die Bergwacht auch unzugängliche Unfallorte erreicht.

Die Regierungschefin mag es geländegängig: Das Deutsche Rote Kreuz zeigt ihr ein Fahrzeug, mit dem die Bergwacht auch unzugängliche Unfallorte erreicht.

Foto: Max Malsch

Da steht die Kanzlerin in fuchsiafarbenem Jackett und auf kurzen, stabilen Keil-Absätzen neben einem kiloschwer beladenen Rettungstaucher und setzt ihr höchst sachliches Gesicht auf. Lässt sich erklären, wie er arbeitet. Lässt sich erklären, warum er diese Aufgabe erledigt. Mustert verstohlen seine Ausrüstung. Und seziert dann messerscharf mit Blick auf seinen Rucksack: "Auftrieb werden Sie damit aber sicher brauchen." Gelächter, Satz und Sieg für die Physikerin Angela Merkel, die hier zeigt, dass ihr Krisenmanagement keineswegs fremd ist.

Vieles dürfte ihr am Dienstag bei ihrem Besuch im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bekannt vorgekommen sein: Da ging es darum, wie man erschütterungsfrei durch dicken Beton bohrt, unsichtbare Gefahrstoffwolken aufspürt oder die Bevölkerung effektiv vor schwierigen Situationen warnt. Alle diese Aufgaben kennt sie nur zu gut - und zwar aus ihrer eigenen, täglichen Arbeit. Wie man Krisen mit Muskelkraft, Seilwinden und einem gut gefüllten Werkzeugkoffer statt mit den Mitteln der Politik löst, schien ihr nun ein durchaus willkommener Exkurs abseits vom Berliner Kosmos zu sein.

Merkel war nach Bonn gekommen, um ein Versprechen aus dem Hochwassersommer 2013 einzulösen: Sie wollte die Arbeit Hunderttausender Ehrenamtlicher bei Hilfsorganisationen besser verstehen, hören, wo der Schuh drückt und ihnen vor allem Dank und Anerkennung zollen. "Mich hat beeindruckt, wie Sie geholfen haben, Not zu lindern", sagte sie, "Sie haben Dämme abgedichtet, Keller leergepumpt, aufgeräumt." In Extremstsituationen haben Helfer Menschen aus ihren gefluteten Häusern evakuiert und, in heillos verlorenen Fällen, bei Abriss und Neuaufbau der Immobilien geholfen. "Sie leisten Großartiges", betonte die Kanzlerin.

[kein Linktext vorhanden]Gerade die Ehrenamtlichen, darunter 1,1 Millionen freiwillige Feuerwehrleute und 80.000 THW-Helfer, seien tragende Säule des Katastrophenschutzes. "Es ist unbezahlbar, was Sie für unsere Gesellschaft tun, auch, weil Sie sich in Einsätzen oft einer Gefahr für Leib und Seele aussetzen", sagte Merkel. Die Ehrenamtlichen in der Katastrophenhilfe seien "Botschafter eines Landes, in dem Miteinander und Füreinander eine große Rolle spielt." Dass Ehrenamt im Bevölkerungsschutz mehr ist als sporadische Sirenenwartung, davon konnte die Bundeskanzlerin sich bei ihrem Rundgang durch den Innenhof des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Lengsdorf überzeugen. Sieben Partner-Organisationen im Bevölkerungsschutz stellten ihr Leistungsspektrum vor.

Angela Merkel in Bonn
11 Bilder

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Beim Technischen Hilfswerk hievte Merkel per Dreibock, einer Technologie aus dem alten Ägypten, einen Mann in die Höhe - ganz so, wie Rettungskräfte Verunglückte aus Höhlen oder Schächten befreien würden. Beim hydraulischen Spreizer, der selbst Betonblöcke fortschleppen kann, wollte sie sich dann allerdings doch nicht engagieren: "Och nö, machen Sie das mal!" Delegieren, falls da noch jemand Zweifel hat, ist Kanzlerdisziplin des Krisenmanagements.

An allen übrigen Stationen wollte Merkel selbst erfahren, wie Retter sich fühlen: Sie setzte sich mit ihnen ins Rettungsboot der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, eruierte, wie durch eine heruntergelassene Bugklappe Menschen aus den Fluten aufgenommen werden. Aus Dortmund war ein Lotsen-Motorrad für Rettungskräftestaffeln des Arbeiter-Samariter-Bundes gekommen. Auch hier wollte Merkel Klartext hören. "Ist das Motorrad geländegängig?", fragte sie. Antwort: "Geht so." Dass es sich auf Autobahnen super durch dichten Verkehr fädeln kann, entlockte ihr dann aber doch ein zufriedenes Lächeln.

Das Brimborium in der mobilen Suppenküche der Johanniter-Unfall-Hilfe ließ sie schließlich mit Fassung über sich ergehen, blickte stoisch ins aufgeregte Blitzlichtgewitter der Fotografen, als ihr eine Schürze übergestülpt und eine Kelle in die Hand gedrückt wurde. Sie löffelte Kartoffel- und Möhrensuppe in Teller und begann gleich mit der Analyse: "Haben Sie die Suppe selbst gemacht? Aus Konserven?! Wieso?" Weil an Einsatzorten innerhalb von 30 Minuten nach Aufbau Hunderte Hungrige verpflegt werden müssen, erklärte ihr der Koch - für Eigenkreationen bliebe da keine Zeit. "Aha", machte Merkel gedankenvoll.

Dass viele Arbeitgeber Ehrenamtliche ungern für Einsätze freistellen, gab das Deutsche Rote Kreuz der Kanzlerin mit auf den Weg. Firmen müssten besser darüber informiert werden, dass sie nicht auf Kosten für Arbeitnehmer im Hilfseinsatz sitzenblieben. Nur so könne gewährleistet werden, dass Katastrophenschutz weiterhin zeitnah erfolgen könne.

Und wie zügig Ehrenamtliche einspringen, beweisen die hauptberuflichen Softwareentwickler Jürgen Link und Katharina Knoch, die mit 400 weiteren Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehren aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis nach dem Pfingstunwetter ins Ruhrgebiet gefahren sind. 30 Minuten nach dem Alarm haben sie sich in der Wache eingefunden, kurz später waren sie schon auf der Autobahn. Zwölf Stunden täglich räumten sie umgeknickte Bäume von Gehwegen und aus Rettungsgassen, sicherten einstürzende Dächer.

30 Mal im Jahr fährt Link solche Bereitschaftsdienste; ähnlich häufig ist Knoch dabei. "Es ist eine Abwechslung zum Schreibtischjob", sagt sie, "außerdem macht es Spaß und ist sinnvoll." Guido Krautscheid aus Königswinter, im Hauptberuf Rettungsassistent, in der Freizeit obendrein noch bei der Freiwilligen Feuerwehr, spricht ebenfalls von Berufung: "Ich war zwölf Jahre alt, hatte mich schon im Fußball probiert, bis mich dann die Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr gepackt hat." Der freie Feierabend auf der Couch hat für keinen der Drei noch einen Reiz.

Was machen die Mitarbeiter im Amt für Bevölkerungsschutz und beim THW?

  • Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und das zentrale Organisationselement für die zivile Sicherheit. Es betreibt ein satellitengestütztes Warnsystem, das in Sekundenschnelle über Rundfunk, Internetportale und Pressagenturen Gefahren ankündigt und Verhaltensregeln an die Bevölkerung weitergibt. Das Amt koordiniert auch eine Opfer- und Angehörigenhilfe nach großen Unglücksfällen. Die Weiterentwicklung der nichtpolizeilichen, nichtmilitärischen Gefahrenabwehr findet ebenfalls an seinem Sitz in Lengsdorf statt. Das BBK organisiert auch Aus- und Fortbildung im Katastrophenschutz und analysiert Großschadenslagen im In- und Ausland.
  • Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine Bundesanstalt, die ebenfalls in den Bereich des Innenministeriums fällt. Nur ein Prozent der Mitarbeiter sind hauptamtlich für die Behörde tätig. 99 Prozent der THW-Angehörigen arbeiten ehrenamtlich im THW. In 668 Ortsverbänden engagieren sich bundesweit mehr als 80 000 Helferinnen und Helfer in ihrer Freizeit, um Menschen in Not Hilfe zu leisten. Die Gründungsidee des THW, ebenfalls ansässig in Lengsdorf, war der nicht-militärische Schutz der Zivilbevölkerung vor Kriegseinwirkungen und deren Beseitigung. Das THW hilft auch bei Einsätzen im Ausland und gilt als wichtiger Akteur der internationalen Beziehungen. Auf Anfrage der Vereinten Nationen entsendet es Fachkräfte zum Aufbau von Infrastruktur, Technik, Logistik und Administration für Friedensmissionen.
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